So war Twin Shadow in Köln: Große Klappe, viel dahinter

Am Dienstag spielte Twin Shadow in Köln. Rebekka Endler war für uns vor Ort und zunächst skeptisch. Ihr Fazit am Ende fiel jedoch positiv aus, denn: "Lieber cocky Rampensau, als Kuschelweichspül-Bär."

Zugegeben, ich war skeptisch. Jemand, der in Interviews nicht müde wird zu betonen, wie viele Drogen er geschmissen und Frauen er verschlissen hat; der zudem auf die Frage nach dem Coverphoto des zweiten Albums „Confess“ angibt, er sei einfach so unwiderstehlich heiß, dass der einzig logische Schluss diese aufreißerische Pose im Motorrad-Rocker-Outfit gewesen sei, den kann man als vernunftbegabte Frau unmöglich gut finden. Oder doch?

George Lewis Jr. alias Twin Shadow setzt voll auf offensives Posertum. Bescheidenheit, egal ob falsche, oder angebrachte, ist nicht sein Ding. Und je mehr der gebürtige Dominikaner mit dem Bad-Boy-Image kokettiert, je mehr ultra-männliche Clichés längst vergangener Jahrzehnte er bemüht, desto größer der Kontrast zu all den anderen gegenwärtig musizierenden Lenor-Bärchen-Jungs.

Stetig wächst der Fanclub. Das Konzert in Berlin (14.11.) ist schon seit Wochen ausverkauft und auch in Köln versammeln sich an diesem Dienstagabend junge Menschen zahlreich im Club Bahnhof Ehrenfeld, um zu teils sentimentalen New-Wave Klängen („Slow“, „I Can’t Wait“), teils energischen Rocknummern („Five Seconds“) Spaß zu haben. Klar, der Retro-Touch bleibt dank Synthie-Gejaule und Drumcomputer-Claps unbestritten und auch der oft bemühte Vergleich mit The Smiths‚ Ikone Morrissey liegt, insbesondere bei den Songs des Debütalbums „Forget“, auf der Hand. Aber da ist mehr: Die 80’er werden hier im Soundgewand der Gegenwart zitiert, nicht reproduziert. Da so gut wie alle Anwesenden (Band inklusive) Kinder der 80’er Jahre sind und die Songs, laut Lewis, Autobiographisches erzählen, fügt sich das New Yorker Phototapetenpanorama prima in den Kölner Partykeller. Die Musik bildet eine nostalgische Kulisse für Geschichten, getragen von Lewis tiefer Stimme, in denen es meist schnörkellos um Beziehungen zwischen unverstandenem Mann und zu viel fordernder Frau geht. Ohnehin scheint die Libido nicht nur beim Songwriting Antriebsfeder zu sein: Während des Konzertes schaut sich Lewis mit schwelgendem Schlafzimmerblick immer wieder in seinem Publikum um und verweilt dann verschmitzt lächelnd bei schönen Mädchen in den ersten Reihen, die – klar – zurückschmachten.

Es folgt ein bisschen Amigelaber, denn ja, es ist der Superwahlabend in den USA und ja, George Lewis Jr. hofft obligatorisch natürlich darauf, dass Obama das Rennen macht, ansonsten sähe er sich gezwungen nach Deutschland zu immigrieren (Kreisch!). Doch abgesehen vom beflissen routinierten Smalltalk with the audience, ist Twin Shadow in Vierer-er Besetzung auf der Bühne eine richtig gute Rockband, die trotz ein paar technischer Hürden („it’s the end of the tour, all our equipment is fucked up“) wahnsinnig nach vorne geht, knapp 80 Minuten ehrlich Spaß macht und insbesondere mit dem poppigen „At My Heels“ die Menge zum Tanzen bringt.

Für die Zugabe wird es besinnlich: „The One“ trägt George Lewis Jr. alleine vor. Und wie er da von „der Einen“ croont, die es ehrlich mit ihm meinte, und die er, obgleich geliebt, enttäuscht hat, ist die Mädchenpirsch (vorerst) beendet.

Dieser Lothario ist authentisch, live ein großer Performer und in einem Anflug Macho-Nostalgie ertappe mich dabei zu denken: Lieber cocky Rampensau, als Kuschelweichspül-Bär. Manchmal dürfen auch emanzipierte Frauen den Bad-Boy gut finden.

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