Sounds: Lou Reed/Zeitkratzer, The Soft Pink Truth und Godflesh

Der Blues scheint verflogen, es bleiben die Sounds: unsere monatliche Kolumne von Redakteur Jens Balzer. Im August mit: Lou Reed/Zeitkratzer, The Soft Pink Truth und Godflesh.

Diesmal vorgestellt:

Lou Reed/Zeitkratzer – Metal Machine Music performed by Zeitkratzer ****1/2

The Soft Pink Truth – Why Do The Heathen Rage? ***1/2

Godflesh – Decline And Fall ***1/2

Es geht um „Rückkopplungen von Rückkopplungen mit Rückkopplungen“, wodurch dann „Rückkopplungen auf einer neuen Ebene“ entstehen: So hat Lou Reed dereinst das ästhetische Konzept seines Doppelalbums „Metal Machine Music“ erläutert, und zwar anlässlich von dessen orchestraler Interpretation durch das Berliner Ensemble Zeitkratzer. Die nervenzerfetzenden Feedbacks, die Reed 1975 mit einem Vierspurgerät in seinem New Yorker Apartment aufnahm, haben Zeitkratzer akribisch transkribiert und für Saxofon, Trompete und Tuba, Violine, Violoncello und Kontrabass, Akkordeon, Klavier und diverse Perkussionsinstrumente arrangiert. Im Vergleich zum Original wirken die sinnfreien Störtöne hier differenzierter: wärmer und schwebender, weniger metallisch und in den schmerzenden Spitzen besser verteilt. Uraufgeführt wurde diese Version 2002 beim Berliner Maerz-Musik-Festival, jetzt liegt sie erstmals vollständig auf Platte vor: aufgenommen 2012 bei zwei Konzerten in Rom und Reggio Emilia. (Zeitkratzer)

Originelle Neudeutung bizarren Lärms: das ist auch das Thema des neuen Albums von Drew Daniel alias The Soft Pink Truth. Das breitere Publikum kennt ihn als eine Hälfte des kalifornischen Elektro-Pop-Konzeptkunstduos Matmos, das seine Platten beispielsweise ganz aus Geräuschen generiert, die bei Schönheitsoperationen entstehen, oder seine Beats aus dem Klang fallender Spermatropfen sampelt: bitsch! Die Überwindung des heterosexuellen Imperativs ist dabei stets ein leitendes Anliegen. So auch auf der Soft-Pink-Truth-LP „Why Do The Heathen Rage?“: Darauf interpretiert Daniel mit elektronischen Instrumenten und Gastauftritten unter anderen von Antony Hegarty einige Klassiker besonders homophober Black-Metal-Bands in besonders homosexueller Weise, zum Beispiel „Black Metal“ von Venom und „Grim And Frostbitten Gay Bar“ von Impaled Northern Moonforest. (Thrill Jockey)

An und für sich nicht originell ist natürlich die Verbindung von grimmiger Grunzmusik und elektronischen Beats, der Fachbegriff dafür lautet Industrial Metal. Zu den Pionieren des Genres gehörte Ende der 80er-Jahre das Duo Godflesh aus Birmingham: Justin Broadrick und G. C. Green spielten einen schwer verzerrten und zäh verschleppten Schlamm-Metal und ersetzten den Schlagzeuger durch einen Computer; Broadrick blieb auch nach der Auflösung von Godflesh 2001 in Projekten wie God, Techno Animal oder Isis eine prägende Figur für misanthrope Musik aller Art. Nach mehr als zehn Jahren musizieren die beiden nun wieder zusammen. Auf der EP „Decline And Fall“ präsentieren Godflesh auch wieder vier neue Songs: noch dissonanter und schroffer zerlöchert als in ihren goldenen Zeiten. Und mit noch mehr Feedbacks zerfieselt: eine Musik, die Rückkopplungen von Rückkopplungen mit Rückkopplungen koppelt, um … aber davon sprachen wir schon. (Avalanche)

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates