Sounds: mit Fatima al-Qadri, Ikonika und Emika

Der Blues scheint verflogen, es bleiben die Sounds: unsere monatliche Kolumne von Redakteur Jens Balzer. Im August mit: mit Fatima al-Qadri, Ikonika und Emika

Diesmal vorgestellt:

Fatima al-Qadiri – Desert Strike ****

Ikonika – Aerotropolis ***1/2

Emika – DVA ****

Dass die interessanteste elektronische Musik der Gegenwart von Produzentinnen und Sängerinnen kommt, haben wir an dieser Stelle schon verschiedentlich festgehalten; und das gilt nicht nur für die neuen Voice Processing Girls von Grimes über Holly Herndon bis zu Julia Holter mit ihrer virtuosen Verschränkung von elektronisch manipuliertem Gesang und elektroakustischer Sound-Avantgarde. Es gilt zunehmend und in der erfreulichsten Weise auch in den klassischen, bis dato meist männlich dominierten Feldern der bassbasierten Beatbastelei. Das fabelhafte Debütalbum der Londoner Dubstep-Produzentin Maya Jane Coles haben wir im vergangenen Monat in dieser Kolumne bereits ausführlich gepriesen; schon in der letzten Saison sorgte – wenn auch in meinen Augen eher überschätzt – die Londoner Produzentin Merrisa Campbell alias Cooly G mit ihrer angejazzten und tribalistisch betrommelten Dubstep-Variation für Furore. Großartig auch: die aus Kuwait stammende und in London und New York lebende Produzentin Fatima al-Qadiri, die auf Platten wie „Desert Strike“ (Fade To Mind) schleppend verlangsamte HipHop- und Dubstep-Beats mit geisterhaft verhallten schiitischen und sunnitischen Muezzingesängen kombiniert: Middle-East-Step!

Ebenfalls in London wirkt die ägyptisch-philippinische Plattenauflegerin und Produzentin Sara Abdel-Hamid alias Ikonika; auch ihre Musik kann man im weitesten Sinne dem Dubstep zuschlagen. Auf ihrem zweiten Album „Aerotropolis“ (Hyperdub) hört man genregerecht stolpernde Beats über in freilich eher dubstep-untypischer Weise metallisch-brutal aufschlagenden Bässen. Bei Ikonika wobbelt und wabert es nicht; meist klappert und scheppert es eher wie in einem alten Industrial- oder EBM-Stück. Darüber klimpern und glitzern dann aber wieder sternenstaubfarbene Synthesizer-Arpeggien wie von einer zerschredderten Jean-Michel-Jarre-Platte; gelegentlich wird auch tief in die 80er-Synth-Pathos-Pop-Kiste gegriffen, als strebe Vangelis noch einmal auf den Tanzboden der Gegenwart. Sie wolle mit ihrer Musik, sagt Ikonika, ein Gefühl des Fliegens erzeugen, immer höher und höher bis in den Weltraum hinauf und durch die Galaxis hindurch. Mag sein! Von unten zerrt aber immer die Schwerkraft, das fiese Tier, an unseren müden menschlichen Körpern. Diese Musik könnte Ihnen gefallen, wenn Sie gerne einmal in Moonboots auf einen 7/8-Takt tanzen.

Und wo wir gerade bei Frauen sind, deren Künstlername auf -ika endet: Auch die in Berlin lebende tschechische Produzentin und Sängerin Ema Jolly alias Emika hat jetzt ein sehr schönes zweites Album herausgebracht. Auf „DVA“ (Ninja Tune) ist die Temperatur deutlich kühler als etwa in den Stücken Ikonikas: Mit ihrer nicht allzu wandlungsreichen, aber stets elegant distanzierten Stimme schwebt Emika über hallenden und flackernden Beats, schmiegt sich an magnetische Bässe und bringt – wie in dem grandiosen „Sing To Me“ – ganze Soundgeflechte zum Schunkeln und Wippen. Auch für Freunde der handgemachten Männermusik ist dieses Album von Interesse, denn es enthält eine hervorragende Coverversion von Chris Isaaks „Wicked Game“! In der Interpretation von Emika wird aus Isaaks teilgejodeltem Countrygeschmachte eine nachtdunkle Piano-Bass-Ballade mit tief drunten schleifenden Beats und einem sich in endlosen Dub-Echo-Schlieren verlierenden Gesang. Ahuuu! Oh jeee! Und dann öffnet sich ein Schwarzes Loch unter dem Song und saugt alles, was gerade noch barmte und zitterte, in ein fremdes Paralleluniversum davon.

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