Stromstöße, Gegenentwürfe: Die HipHop-Producer DJ DESUE und I.L.L. WILL forschen nach Spannung

Deutscher HipHop, wie geht’s dir denn heute? Im September-Heft des ROLLING STONE sind die aktuellen Krankheitssymptome schon diskutiert worden, und einige alte Recken scheinen sich bereits um die Karriere nach der Karriere zu kümmern. Smudo tritt in Campinos Fußstapfen und testet im Privatfernsehen seinen IQ, die Brote feiern wieder mit James Last und die Massiven Töne – zumindest die können mit grob gestricktem Streetstyle aufzeigen, dass die Formel „Models plus Motoren“ im Ferrari-Fahrerlager und bei „The Dome“ aufgeht.

Für die Männer hinter den Reglern also ein trefflicher Zeitpunkt, um ins Licht zu treten. Einer von ihnen ist I.L.L. Will, bürgerlich Vassilios Papadopoulous. Nach acht Jahren Beat-Bedienung für die Hamburger Crew Easy Business legt der einstige B-Boy sein erstes Solo-Werk vor: „LP, nicht vollständig“ – die fehlenden Teile hat der gebürtige Hamburger sich von Curse, Eins Zwo und anderen „abschwatzen“ lassen: „Irgendwann sagte ich, okay, diese Beats bleiben jetzt meine. Ich muss ja meine eigene Platte zusammenbekommen.“

Nach Breakdance (Achtziger) und Sample-learning-by-doing (Neunziger) debütiert I.L.L. Will im Jahr 2002 mit einer modernen Melange: „Ich lass mich eher von alten Sachen inspirieren. Funk, Soul, altes Jazz-Zeug, Film-Scores.“ Spricht’s und baut dies mit Gästen wie Eins Zwo oder Nico Suave zu einem luftigen Trademark-Sound zusammen, der „Shaft“ mit „Wild Style“, „Yo Mama“ mit „Sugarhill Records“ und Horst Jankowskis Freizeit-Jazz „Black Forest Explosion“ verbindet.

Strenger codiert in Style und Haltung dagegen DJ Desue: Der Berliner machte einst die Beats für KC Da Rookee und Harleckinz, bevor er 1995 in Amerika „Rah Rah“-Macher Julien Smith traf und mit ihm in New York erste Songs aufnahm. Zwei Jahre später produzierten die zwei in L.A. Desues Album „Operation Left Coast“, inwischen ein Westcoast-Underground-Klassiker, der es in den USA auf stolze 30 000 verkaufte Platten brachte.

Sein Gesellenstück legte DJ Desue, gebürtig Haschiem Elobied, mit dem Beat zum Nummer-Eins-Hit „Adriano“ der Brothers Keepers von mit „Art Of War“ besteht er nun die Meisterprüfung. „Ich wollte meine Lieblings-Acts von beiden Seiten des Ozeans zusammenbringen und schauen, ob es funktioniert“, sagt er.

Wie der ,Judgment Night“-Soundtrack einst den Crossover vom Stapel ließ, könnte dies der Gegenentwurf und gleichzeitig Stromstoß für den deutschen HipHop sein. KC Da Rookee jammt mit den Legenden Sadat X und Diamond, Afrob mit Nature, Samy Deluxe mit Buckshot. Ein Kunstgriff, wie sich herausstellt. US-HipHop rerisited, Deutsch-HipHop relannchedzumindest ein erster Schritt und eine gute Replik auf die NDW-isierung einer einst hoffnungsvollen Bewegung. Ingo Scheel Volksmusik

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