Sven Regener: Diskussion um sein Statement zum Urheber-Recht

Da hat er einen wuchtigen Stein ins Rollen gebracht: Letzte Woche ließ Sven Regener seiner Wut über den Umgang mit Urheberrechten, dem YouTube-Gema-Konflikt und der "Kostenlos-Kultur" ordentlich Freilauf und hat so eine geladene Debatte entfacht. Wir gehen die Argumente noch einmal durch.

Sven Regener „steht es bis hier“. Wenn nicht sogar noch höher. In einem über fünf Minuten langen Monolog hat er vergangene Woche Zündfunk-Autor Erich Renz mit einem unerwarteten, wutbrausenden Statement zum Thema Urheberrecht überrumpelt und den Funken für eine ebenso geladene Debatte gezündet, die seitdem polternd durch Web und Tagesblätter rollt.

Regeners Rede hat viele Sympathisanten gefunden. Doch obwohl er viele (Halb-)Wahrheiten anspricht, wirken manche Argumente wahrlich etwas zurechtgedreht. Wir haben deshalb einmal versucht, sein Statement in verdauliche Happen zu portionieren und das Problem nicht nur schwarz-weiß zu sehen.

Regeners Wut richtet sich gegen alle, die die geschaffene Kunst als selbstverständlich nehmen und den Künstler somit um ihren Lohn bringen: „Wir wollen das umsonst haben, wir wollen damit machen können was wir wollen und wir scheißen drauf, was du willst oder nicht.“ Für Regener im Grunde nichts anderes, „als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: ‚Euer Kram ist eigentlich nichts wert.‘“ Verständlich, absolut – doch wirft er in der weiteren Argumentation einiges durcheinander.

So stünden YouTube, Google, die Piratenpartei sowie Filesharing-Unternehmen grundsätzlich auf der bösen Seite der Macht, wie auch – so muss man Regeners Rede sinngemäß ergänzen – der Großteil des eigenen Publikums. Auf der guten verbleiben lediglich die Künstler selbst, die GEMA und möglicherweise einige Musikkonsumenten. Und so wie Regener die älteren Semester lobend erwähnt, scheint er vor allem an sie zu denken.

Angefangen bei Google und YouTube sieht die Lage für Regener folgendermaßen aus: „YouTube gehört Google. Das ist ‘n milliardenschwerer Konzern, der aber nicht bereit ist, pro Klick zu bezahlen. Nun hat aber weder YouTube noch Google uns irgendwas zu bieten – außer, was andere Leute geschaffen haben und da reingestellt wird.

Sicher ist YouTube in Bezug auf Werbeeinnahmen und Gewinne nicht zu bemitleiden – doch stimmt es nicht, dass YouTube grundsätzlich nicht bereit wäre, pro Klick zu zahlen. Lediglich über die Höhe dieser Zahlungen wird noch unter strengster Geheimhaltung andauernd mit der GEMA verhandelt. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, ist eine solche Pro-Klick-Zahlung schon längst umgesetzt. Wer sich in Deutschland quer stellt, ob YouTube oder GEMA, ist von außen erst einmal nicht zu beurteilen. Eine Frage mit der sich auch Johnny Haeusler in einem Artikel auf spreeblick.de sehr umfassend auseinandergesetzt hat. Interessanterweise hat die Internet-Bewegung Anonymous ein anklagendes Video veröffentlicht, das die GEMA als Schuldigen zeigt. Woher die entsprechenden Kenntnisse jedoch stammen sollen, ist fraglich. Deichkind fassten die aktuelle Lage, nach einer Videosperrung ihrer Single „Leider Geil“ auf YouTube kürzlich wie folgt zusammen: „Ob Plattenfirma, YouTube oder Gema, egal wer dafür verantwortlich ist. Wir wollen, dass unsere Videos zu sehen sind. Regelt euren Scheiß jetzt endlich mal und macht eure Hausaufgaben. Ihr seid Evolutionsbremsen und nervt uns alle gewaltig!“ Recht haben sie – denn letztlich leiden am meisten die Künstler unter den Streitigkeiten, und das nicht nur auf Grund fehlenden Zahlungen, sondern auch, weil mit YouTube oft eine entscheidende Werbeplattform – gerade auch für kleine Künstler – wegfällt, selbst wenn Sven Regener dem nichts abgewinnen kann. Er schlägt als Alternative vor, Videos auf bandeigenen Websites zu streamen – dort werden sie aber meist nur von Fans gefunden.

Interessanterweise steht für Regener die GEMA in diesem Konflikt klar auf der guten Seite: „Und da sind wir gerade an dem Punkt, wo die Musiker sagen und die GEMA sagt – und die GEMA sind wir, das sind die Komponisten und Textdichter…„. Verwunderlich, hört man doch gerade viele kleinere Künstler immer wieder über die GEMA schimpfen und das aus guten Gründen (wie zum Beispiel Konzertveranstalter Berthold Seliger in der BZ erklärt). Denn die GEMA repräsentiert vor allem die Interessen derjenigen Kunstschaffenden, die bereits gute Verkäufe erzielen. Dank dem Vereinsrecht bestimmen lediglich die 5% beitragsstärksten Mitglieder über das Vorgehen, die Ausschüttungsverfahren bleiben vermeintlich absichtlich undurchsichtig, bis zu 14,7 % Gebühren gehen pro verkaufte Platte und Download an die Verwaltung, und gerade Newcomer haben mit Schikanen durch ‚das Sprachrohr der Musiker‘ zu kämpfen. Angefangen bei über die 31 größten Radiostationen kollektiv abgerechneten Airplays bis hin zum Verlust eigener Rechte. Sobald er Mitglied in der GEMA ist, muss ein Künstler, der seinen eigenen Song zum freien Download stellt, beispielsweise mit Nachzahlungen aus eigener Tasche rechnen. Regeners GEMA-Ehrung wirkt somit etwas undurchdacht.

Weiter stichelt er auch gegen die Piratenpartei, die das geistige Eigentum gleich völlig frei verbreiten wolle und mit Urheberrechten nichts am Hut hätte. Die Piratenpartei selbst bezog daraufhin gleich Stellung. So ginge es keineswegs um die Abschaffung des Urheberrechts, sondern lediglich um eine Reform – zudem sei „das Internet nicht der Untergang der Kreativen, vielmehr eröffnet es neue Chancen„, „nie war es einfacher, ohne Verlage oder Labels seine Kunst zu vermarkten“. Wieder so eine Wahrheit mit Kehrseite. Denn möglicherweise „lässt sich mit Werbung auf YouTube oder einem Deal mit Amazon mehr Geld verdienen„, aber ob es nun erstrebenswert ist vor jedem Videoclip – sollte er denn mal auf YouTube laufen – einen Werbespot ertragen zu müssen, ist fraglich.

Sehr gewagt klingt außerdem Regeners These, die Indie-Labels seien alle schon der Krise zum Opfer gefallen und es gebe zwischen Volksmusik und Alternativrock praktisch keine kommerzielle Musik mehr. Bestes internationales Gegenbeispiel, eines von tausenden: Adele hat zuletzt über 20 Millionen Alben verkauft. Ihr Label: XL Records. Ein Londoner Indie-Label.

Doch auch wenn Regener in seinem „Instant-Pamphlet“ das ein oder andere durcheinanderwirft – und unglücklicherweise auch einen Großteil seines Publikums in einen Topf mit den bösen Konzernen stopft – tut es gut, dass sich einmal jemand laut aufregt. Und wie Johnny Haeusler auf spreeblick.de schreibt, muss ja auch nicht alles „Komma für Komma seziert“ werden. Sven Regener „ist einfach genervt, kann das alles nicht mehr hören und kotzt sich halt mal aus“, meint auch die taz. Auch wenn er dabei mal etwas quer stürmt.

Wer sich Regeners Rede noch einmal in voller Länge anhören möchte, kann das hier im Stream oder inzwischen – selbstredend – auch bei YouTube. Den Link sparen wir uns allerdings an dieser Stelle.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates