Texanische Playboys, Vögel und Bienen – putzige Popmusik vergangener Dekaden

Adam Hebert war in den Sechzigern eine große Nummer in der Cajun-Szene. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch der große Adriano Celentano dessen Stück „Open The Door (Ouvre La Porte)“ kennt.


Folge 76

Ich muss von einem Stück Musik berichten, das mich fasziniert. Ach was: das mich glücklicher macht als acht Kamele in einem pinkfarbenen Fahrstuhl.

Es handelt sich um ein nasal gekrähtes Two-Step-Wunder namens „Open The Door (Ouvre La Porte)“, das der Cajun-Musiker Adam Hebert im Jahr 1962 mit seiner Band, den Country Playboys, veröffentlichte. Mal abgesehen davon, dass meines Erachtens jede Begleitband eines Band-Anführers den Namen „The Texas Playboys“ tragen sollte, haken sich bei dieser Darbietung ausgebuffte Musizierkunst und fröhliche Unschuld aufs Hocherfreulichste beieinander unter. Glauben Sie mir: Das Stück sorgt noch im grimmigsten Winter problemlos für eine innere Gartenparty.

Hebert, der in Church Point zur Welt kam, war in den Sechzigern eine große Nummer in der Cajun-Szene. Neben seinem quäkenden Gesang, der ein wenig klingt wie Jerry Lewis auf Juckpulver, war er für sein aufgekratztes Fiddle-Spiel bekannt. Der Genre-Kenner verehrt den Mann zudem für seine poetischen Texte: „Open the door, come on in / I’m so mad at you, I’m gonna poison you“ lautet die englische Übersetzung der Refrainzeile aus dem Cajun French. Was für ein Song!

Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass auch der große Adriano Celentano das Stück kennt, klingt doch sein recht unbekanntes „Quel Signore Del Piano Di Sopra“ äußerst ähnlich. Aber auch so ist dies ein Lied, über das sich zu berichten lohnt!

Celentano singt hier mal wieder in der von ihm kreierten „lingua Celentana“, einer aus Italienisch, Englisch und Unfug zusammengebastelten Sprache, die höchstens der Sänger selbst versteht. Celentano tat dies zum ersten Mal in dem stampfenden Funk-Wunder „Prisencolinensinaiciusol“, das in vielen Ländern Europas zum Hit avancierte und dringend in die Liste der 12 absurdesten Chartstürmer aller Zeiten gehört: die Erfindung des italienischen HipHop mit Unfugtext! Bei „Quel Signore Del Piano Di Sopra“ lässt er die selbstgebastelte „lingua“ auf einen herrliches 2-Akkord-Folk-Stück treffen, das mit dem Grashalm im Mund die Straße herunterzuckelt. Es gibt auch eine italienisch gesungene Version, aber die Fantasiesprachenfassung ist episch. Zu finden auf dem ansonsten recht düsteren Beinahe-Prog-Album „I Mali Del Secolo“, auf dem sich auch noch ein Stück findet, in dem Celentano seinen Kindern unter Lachkrämpfen die Pinocchio-Geschichte erzählt. Magisch!

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Ich möchte einen womöglich törichten Wunsch formulieren: Ich wünsche mir, dass jemand den Song „Mooning in the Dancelight“ schreibt. Ich selbst schaffe es gerade zeitlich nicht. Sollte Crowdfunding vonnöten sein, werde ich mich nicht lumpen lassen.

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Würden sich die tollkühnen Burschen von Mike & The Mechanics fürderhin Mike & The Texas Playboys nennen, ich würde einen Konzertbesuch vielleicht nicht mehr von vornherein ausschließen.

Ansonsten:

Rea Garvey & The Texas Playboys.

Nena & The Texas Playboys.

Eric Pfeil & Texas Playboys.

Diana Ross & The Texas Playboys.

Phillip Boa & The Texas Playboys.

Nein, es funktioniert doch nicht in jedem Fall.

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Was noch geschah: Ein Bettwäschehersteller hat eine Lemmy-Kilmister-Bettwäsche herausgebracht. Der Bassist der Band Deafheaven ist auf offener Bühne eingeschlafen, Noel Gallagher lacht sich über deutschen HipHop kaputt, und Besucher der Queen-Konzerte berichten „Sensationell! Brian May hat eine Kamera an seiner Gitarre!“

Ich muss gestehen: Mich interessiert das alles nicht sonderlich. Ich fände es auch eher sensationell, wenn Brian May KEINE Kamera an seiner Gitarre angebracht hätte. Heerscharen von Queen-Fans möchte ich aufrufen, alte Brian-May-Fotos, an denen er ganz klar KEINE Kamera an seiner Gitarre klemmen hat, in sozialen Netzwerken zu verbreiten und darunterzuschreiben: „Sensationell! Brian May hat keine Kamera an seiner Gitarre!“

Brian May geht mir sowieso nicht so ans Herz. Ich schreibe lieber noch etwas über ein anderes tolles Lied, das eigentlich ständig und überall laufen sollte:

Es stammt vom schottischen Sänger Donovan und trägt den Titel „What A Beautiful Creature You Are“. Man stelle sich ein verunglücktes Reggae-Stück vor, das von der Kinderflötengruppe Bad Knollenhausen vorgetragen wird. Allerdings gefällt es dem Sänger, das Lied vom Zusammenhang von Sex, Vogelkunde und Psychologie handeln zu lassen, was durch das Hinzuziehen einiger stöhnender und giggelnder Damen konsequent unterstrichen wird: „Im studying a course of Ornithology / Wanting to know all about the birds and bees“.

Donovan wird ja ohnehin sträflich unterschätzt. Vielen gilt er lediglich als der Typ, der 1965 Bob Dylan auf die Nerven ging. Die Platten, die er zwischen 1966 und Anfang der Siebziger aufnahm sind indes Perlen des verschroben-psychedelischen Brit-Folk-Pop. Freunde etwa von Kevin Ayers sollten hier noch mal hinhören.

Später hat Donovan freilich viel Unfug gemacht. Die Idee, mit den No Angels (!) sein ohnehin schon problematisches „Atlantis“ erneut aufzuwärmen war sicher nur so mittelspitze. Aber sehen wir es positiv: Der Mann hat im entscheidenden Moment tolle Musik gemacht. Er hat über Jungen in Kordklamotten, Seesterne auf Toast, Vögel und Bienen gesungen. Er hat schöner Sitar gespielt als George Harrison. Vor allem aber hat er sich nie eine Kamera an die Gitarre oder sonst irgendwohin geschraubt. Darauf einen doppelten Texas Playboy. Prost!

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