The Beatles: „Alles veränderte sich, wirklich alles!“

Geoff Emerick saß als Toningenieur hinter dem Mischpult, als die Beatles 1967 in den Abbey Road Studios ihr epochales "Sgt. Pepper's"-Album aufnahmen. In seinen Erinnerungen "Du machst die Beatles" erzählt er, wie's wirklich war.

„Un-Lovely Rita“ war ein weiterer Track, bei dem der Einfluss der Beach Boys unüberhörbar ist. Paul erzählte George Martin, dass er mit dem Backing-Vocal-Arrangement der Art nacheifern wollte, wie die kalifornische Band an den Song herangehen würde. Bei dem Track gab es viele lustige Overdubs. Einmal zum Beispiel standen die vier Beatles um ein Mikrofon herum und summten durch einen Kamm und ein Blatt Papier. Jeder der kostbaren Beatles-Kämme war mit einem Blatt des normalen, extrakratzigen EMI-Toilettenpapiers überzogen, über das wir uns alle ständig beschwerten. In derselben Nacht spielten sie auch das schwere Atmen ein. John alberte dabei herum und löste bei den anderen – auch bei Richard (Richard Lush, Toningenieur-Assistent, Anm. d. Red.) und mir im Kontrollraum – wahre Lachsalven aus. An diesem Abend waren einige Besucher im Studio, unter anderem Davy Jones von den Monkees. Der „„Räucherkerzenduft“ war besonders eindringlich, was dafür sorgte, dass sich alle prächtig amüsierten.

Bei „Lovely Rita“ bot sich mir die wirklich einmalige Chance, mich selbst auf einem Beatles-Album zu verewigen, was meine Schüchternheit damals allerdings verhinderte. Nachdem George Harrison sich mehrere Stunden lang vergeblich an einem Solo versucht hatte, waren ihnen die Ideen ausgegangen, und Frust breitete sich aus. Ich erinnere mich noch, wie ich oben auf der Treppe vom Kontrollraum stand und Paul zu mir hochrief: „Geoff, sag du uns, was für ein Solo wir machen sollen!“

Ich schlug vor, dass sie etwas auf dem Klavier ausprobieren sollten. Zu meiner Überraschung fragte Paul: „Warum spielst du es denn nicht?“

Ich bekam jedoch Angst und lehnte das Angebot, zu meinem ewigen Bedauern, ab. Es war mir einfach zu peinlich, meine musikalischen Fähigkeiten vorzuführen. Paul zuckte die Achseln und zog mich damit auf, aber er selbst war wohl auch nicht hundertprozentig sicher, ob es wirklich eine gute Idee war. Also bat er statt meiner George Martin, etwas zu spielen. Während Paul im Kontrollraum zuhörte, hämmerte George ein Honky-Tonk-Solo in die Tasten, das für akzeptabel befunden wurde. Aber getreu dem experimentellen Geist, der bei Pepper herrschte, bat mich Paul, das Solo so zu verändern, dass man nicht mehr hörte, dass es von einem Piano kam.

Johns „„Lucy In The Sky With Diamonds“ war das nächste Stück. Es wurde übrigens ebenfalls von der BBC zensiert, weil die Titelworte „„LSD“ ergaben. Es sollte mein Lieblingsstück auf dem Album werden. Wir produzierten es sehr schnell. Einschließlich der Proben brauchten wir nur drei Nächte, um es aufzunehmen und abzumischen. Die Beatles hatten es allmählich satt, immer im Studio rumzuhängen. Sie waren schließlich seit fast fünf Monaten hier, und der Winter war vorbei. Die ersten Knospen blühten, und das Wetter wurde freundlicher. Vermutlich bekamen sie Frühlingsgefühle. Bei mir jedenfalls war das so.

Außerdem wurde jetzt deutlich, dass sich Johns Persönlichkeit veränderte. Erschien nicht mehr so rechthaberisch, sondern eher selbstzufrieden, und offenbar störte es ihn auch nicht mehr, wenn jemand anderer für ihn dachte. Selbst wenn wir an einem seiner Songs arbeiteten. Im Frühling 1967 begann er, sich immer weiter zu entfernen, und das setzte sich bis zum Ende der Beatles-Karriere noch stetig so fort. Zweifellos spürte Paul das, und er nutzte diese Situation wohl auch, um seine Rolle in der Band zu erweitern.

Das zeigte sich auch im Studio, als wir an diesem Song arbeiteten. Johns Leadvocal wurde mit jedem Take weniger aggressiv und verträumter. Vielleicht lag das an dem Zeug, das er hinter den Schallschutzwänden rauchte, aber Paul drängte ihn auch in diese Richtung. Wir wollten George Harrisons Gitarre in den Chorussen über ein Leslie verstärken. Weil John das an den „„Dalai-Lama“-Soundeffekt erinnerte, den wir bei „„Tomorrow Never Knows“ angewandt hatten, schickte er Mal los (Mal Evans, Tourmanager der Beatles, Anm. d. Red.), ein Seil zu kaufen, damit John seine Theorie ausprobieren und sich an dem Seil um das Mikro schwingen lassen konnte. Als Mal ein paar Stunden später mit leeren Händen zurückkehrte, blinzelte er mir zu. Vermutlich hatte er die Zeit im Pub verbracht. Ihm war klar, wie absurd und möglicherweise auch gefährlich diese Bitte war, und hatte also daraufgesetzt, dass John sie vergessen hatte, wenn er zurückkam. Was natürlich zutraf.

Während der gesamten Pepper-Session lastete die Verantwortung für den Sound die ganze Zeit auf mir. Ich hatte mir ständig das Hirn zermartert, wie ich neue Sounds aus dem Hut zaubern sollte. Johns und Pauls Haltung war dabei, noch mehr als bei den Revolver-Sessions, die: „Wir spielen zwar Gitarre, aber es soll nicht wie eine Gitarre klingen. „Wir spielen zwar Piano, aber wehe, wenn es wie ein Klavier klingt.“ Da die Beatles die Songs niemals live spielen würden, gab es so gut wie keine kreativen Grenzen. Damals hatte die Band EMI gegenüber einen so guten Stand, dass sie im Großen und Ganzen alles bekam, was sie wollte und praktisch so gut wie gar nicht unter Druck stand, etwas dafür abzuliefern. Wenn sie an einem Tag keine Lust hatte, kam sie eben nicht, ganz einfach. Ich weiß nicht, ob jemals eine andere Band diesen Luxus genossen hat. Es ist wahrscheinlich vorher nie passiert und wird wohl auch nicht mehr vorkommen.

Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band verschlang mehr als siebenhundert Stunden Aufnahmezeit, verteilt über viereinhalb Monate. Das gesamte Sgt. Pepper-Album wurde auf Vierspur aufgenommen. George Martin hat in vielen Interviews gesagt, dass Sgt. Pepper nicht so gut geworden wäre, wenn man es auf 24-Spur aufgenommen hätte, und da kann ich ihm nur vollkommen zustimmen. Weil wir so begrenzten Platz hatten, mussten wir sehr präzise sein und bei jedem Schritt kreative Entscheidungen treffen. Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung, und das machte einen Teil der Magie des Albums aus. Man musste den richtigen Hall finden, die richtige Equalizer-Einstellung, den richtigen Signalweg. Es musste richtig gespielt sein, der Gesang musste stimmen. In gewisser Weise hat uns das die Arbeit auch erleichtert. Denn im anderen Fall hätten wir zu viele Variabein gehabt, und zu viele Entscheidungen bis zum Mischen aufgeschoben.

Meine Arbeit wurde zwar auf Pepper nicht erwähnt, als es zum ersten Mal auf Vinyl gepresst wurde. Aber ich weiß, dass George Martin versucht hatte, meinen Namen auf dem Cover zu nennen. Er wurde jedoch von den EMI-Bossen einfach abgeschmettert, mit der Begründung, dies verstieße gegen ihre Firmenpolitik. Damals wurde der Recording Engineer nicht sonderlich geachtet. Doch zu meiner Freude wurde ich dann ein Jahr nach dem Erscheinen von Pepper von America’s National Academy of Recording Art and Sciences mit einem Grammy für das „Best Engineered Album 1967“ geehrt.

Bei Sgt. Pepper kam einfach alles zusammen. Die Beatles rissen sich sowohl musikalisch als auch tontechnisch ein Bein aus, und ich war bereit, mich mit ihnen aus dem Fenster zu hängen. Irgendwie klappte es einfach. Weil die Band sich auf besondere Dinge konzentrieren konnte, da sie nicht mehrtouren wollten – und wohl auch wegen der Drogen, mit denen sie experimentierten. Alles veränderte sich, wirklich alles.

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