The Kyteman Orchestra: irgendwo zwischen Tingeltangel-Bob und Sir Simon Rattle

The Kyteman Orchestra: ein Multi-Genre-Familienunternehmen aus den Niederlanden, das sich in der Welt einen Namen machen will.

Während des Eurosonic Festivals bildet sich vor der Open Air Bühne des Groninger Marktplatzes großes Gedränge. Trotz eisiger Kälte, die ganze Stadt scheint sich versammelt zu haben, um dem 26-jährigen Colin Benders alias Kyteman, und seinem 30-köpfigen Orchester zu lauschen.

Epochale Klassik-Töne dank ausgewachsener Bläser- und Streichersektionen, Benediktiner-artige Chöre, Marschtrommeln, zwischendurch Rapper und virtuose Jazz-Einlagen – Kyteman bedient sich vollkommen ungeniert in seinem Fundus, um seinen Sound, den „ Kyteman-Sound“ zu erschaffen. „Mein Leben lang habe ich unterschiedlichsten Musik-Genres gehört und immer sind einzelne Ideen, Rhythmen, Gedanken und Gefühle bei mir hängen geblieben, auf die ich beim Komponieren zurückgreife“, erzählt Benders. „Anfangs war dies sicherlich verwirrend. So wollte ich ein Hip Hop Album machen, stellte aber beim Schreiben fest, dass es sich eher Richtung Drum ‘n Bass mit einem Reggae-Beat entwickelte. Es war eine natürliche Konsequenz die Idee ein bestimmtes Musikgenre zu machen über Bord zu werden und mich jenseits von Schubladen auszutoben.“

Diese Ungezwungenheit, vor allem im Umgang mit Klassik und Jazz, wurde Benders in die Wiege gelegt. Ein Elternhaus voller Instrumente, den renommierten Jazzpianisten Jacky Terrasson, als Onkel, Besuch des Konservatoriums und eine Renitenz gegenüber allen Schulfächern, die nichts mit Musik zu tun hatten – Benders Weg war vorgezeichnet. Er selbst entdeckt den Hip Hop sehr bald für sich, und von da an sind die Einflüsse untrennbar.

Der Vergleich zum kanadischen Jazz-Hip-Hop Produzenten und Rapper Socalled liegt auf der Hand. Socalled und das Kyteman Orchestra zeichnet verwegenes Copy und Paste von Genres und Traditionen aus, die sie auf kultivierte Art zum Verschmelzen bringen. Wo sich bei Socalled Rap, Jazz und traditionelle Musik teils spielerisch, teils ironisch zusammenfügen, spiegelt sich in Kytemans Tun eher der dramatische Zeremonienmeister wider. „In meinem Kopf schwirrt meistens ein kleine Melodie rum, um die ich nach und nach alles herum arrangiere. Wenn sich das dann als so eingängig herausstellt, ist das ein sehr schöner Moment, aber nicht meine Priorität.“

The Kyteman Orchestra ist die logische Fortführung als Kollektiv von Benders Soloprojekten, in denen er alle Instrumente selbst einspielte. „Damals war es einsam, ich hatte nur einen Laptop und ein Mikrophon. Jetzt stand der Wunsch im Vordergrund diesen organischen Sound eines Orchesters festzuhalten; die Live-Energie, die vom Zusammenspiel der Musiker und Sänger ausgeht.“ Ein Dogma, das auch die Methode bestimmte, wie The Kyteman Orchestra aufgenommen wurde: jeder Track ein One-Take, analog am Mischpult, frei von Computertechnik. In Zeiten ausgefeiltester Postproduktionen, macht es das schon fast zu einem Konzeptalbum.

Diese Energie auf der Bühne transportiert sich in Groningen trotz eisiger Temperaturen erstaunlich gut und erklärt sich unter anderem auch durch die Präsenz, mit der der hagere Niederländer sein Orchester dirigiert. Optisch wirkt er wie eine Mischung aus Sir Simon Rattle und Tingeltangel-Bob. „(lacht) So natürlich, wie es womöglich aussieht, ist es nicht. Bevor ich das Orchester ins Leben gerufen habe, war ich es gewöhnt auf der Bühne Trompete in einem Bandgefüge zu spielen. Doch so ein Orchester muss geleitet werden und da es mein Orchester ist, fiel meine Wahl auf mich. Anfangs hat mir das Angst bereitet, mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt und kann’s genießen. “

Angst braucht Benders sowieso nicht zu haben, denn neben der Band, die aus langjährigen Freunden besteht,  sind Mutter, Vater und Schwerstern stets mit von der Partie. Von Management, Tourmanagement bis PR, alles fest in Familienhand.

The Kyteman Orchestra: ein Multi-Genre-Familienunternehmen aus den Niederlanden, das sich in der Welt einen Namen machen will. „Jedes Publikum reagiert unterschiedlich. Für mich ist es eine Herausforderung zu sehen, wie unser Orchester außerhalb der Heimat funktioniert. Jede Show bringt eine komplett neue Erfahrung mit. Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Hörkulturen: In Italien beispielsweise entsteht während der Konzerte eine riesige Party, wohingegen die Deutschen ein eher aufmerksames, gespanntes Publikum sind. Daher bleibt das immer ein aufregendes Erlebnis für alle Beteiligten.“

Das Album The Kyteman Orchestra (Kytopia) ist am 1. März erschienen.

Live:

15.3.2013 Berlin Heimathafen

16.3.2013 München, Muffathalle

17.3.2013 Frankfurt, Mousonturm

24.3.2013 Köln, Gloria
25.3.2013 Hamburg, Elb-Jazz

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