Neue Kolumne

Top Ten Club: Chartbeobachtungen weltweit – diesmal aus „Merkwürdistan“, Streaming sei Dank

Ab jetzt jeden Freitag auf rollingstone.de: Ralf Niemczyks Kolumne "Top Ten Club", in der unser Autor die Musikcharts analysiert.

Auf der letzten Heftseite des ROLLING STONE finden Sie monatlich unseren „Top Ten Club“: Beobachtungen, Analysen und Kritiken zu den deutschen Musik-Charts. Für rollingstone.de weitet „TTC“-Autor Ralf Niemczyk seine Kolumne aus – ab jetzt jeden Freitag online.

„Bibi & Tina 3“ – dank Streaming vorne?

Massenweise Neueinsteiger in den Top Hundert der Offiziellen Deutschen Albumcharts. Gleich 26 Platten wirbeln in dieser Woche die Auszählung der so genannten „Midweek Charts“ durcheinander. Darunter auf Platz eins (!) der nicht eben superbekannte Bonner Rapper Ssio mit „0,9“ auf dem Xatar-Label Alles oder Nix Records. David Bowies sperriges Abschiedsalbum „Blackstar“ geht auf die Drei, die nachgeschobene Best-of-Bowie-Compilation „Nothing Has Changed“ immerhin in die Top Ten und auch Prog-Rocker Steven Wilson findet mit „4 ½“ ( Zahlentitel sind offenbar beliebt in diesen stürmischen Tagen) seine treuen, kaufwilligen Fans. Hinten am Top-50-Horizont taucht derweilen Rihannas Schnellschuss „Anti“ auf.

Neuerdings fließt ja die (kostenpflichtige) Premium-Nutzung der wichtigsten Streamingportale nun auch in die Longplayer-Wertung ein. Die Single-Hitlisten, die souverän Mark Foster und Felix Jaehn gemeinsam als EFF mit ihrer Single „Stimme“ dominieren, berücksichtigen schon länger die boomenden Abspielkanäle.

Man darf also spekulieren, ob die rotzfrechen Teenager, die sich stabil auf den vordersten Positionen tummeln, bereits von Stream-Generation nach vorne geklickt worden sind. „Bibi & Tina 3 – Mädchen gegen Jungs“ heißt jedenfalls der hoch platzierte Original-Soundtrack des gleichnamigen Kinoerfolgs. Darauf sind anerkannte Popgrößen wie der Ex-Rosenstolz-Mann Peter Plate mit Knallern wie „Funky Monkey“ oder „Viel Zu Selten Gehen Wir Zelten“ vertreten. Auch die Schauspieler Charly Hübner (mit „Omm“) oder Kostja Ullmann (mit „Susanne“) machen mit semi-debilem Kinderpop ein nettes Nebengeschäft.

Aber auch die Dancefloor-Scheibe des DJ-Duos Spike*D und Nico Wendel alias Gestört, aber Geil darf getrost unter der Rubrik „was es nicht alles gibt“ abgelegt werden. „Irgendwo zwischen Schlager und melodischem House. Kopf auf Standby und den Körper auf Auto-Tanz-Modus“ müpfelte die Leipziger Volkszeitung anlässlich ausverkaufter Gigs im lokalen Haus Auensee. Gassenhauer wie „Unter Meiner Haut“ führen das Helene-Fischer-Prinzip in die Provinzdisco. Da haben zwei clevere Schmusemusik-Jungs eine Soundmasche konsequent zu Ende gedacht – und lassen auf dem Floor feiern wie Bolle. Vielleicht soll das Berghain über ein Booking von Gestört, Aber Geil nachdenken. Starke Irritationen beim Drei-Tage-Wach-Stammpublikum wären garantiert! Den Vogel in dieser krassen Popliga aber schießt die Saarbrücker Deutschrockband KrawallBrüder ab, die ihre größten Erfolge mit einigen neuen Fundamental-Dagegen-Liedern aufmöbeln. Kraftvolles Harte-Irgendwie-Nette-Typen-Gebolze irgendwo zwischen Oi-Sound und der späten Phase der Toten Hosen.

Insgesamt wirkt diese extrem ausdifferenzierte Sound-Soundlandschaft zwischen HipHop, Schlager-Techno Muskelrock und dem Symphonic-Metal-Projekt „Ghostlights“ auf Nuclear Blast (Platz zwei!) wie ein kongeniales Spektrum der verstörten Bundesrepublik im 67sten Jahr ihres Bestehens.

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