Türkisch für Anfänger: Ein Treffen mit Josefine Preuß

Heute startet "Türkisch für Anfänger - der Film" in den Kinos. Der Film basiert auf der gleichnamigen ARD-Kultserie, bringt die beiden Hauptcharaktere Lena und Cem jedoch noch einmal neu zusammen. Joachim Hentschel traf Lena - die im echten Leben Josefine Preuß heißt - zum Gespräch.

Einmal fing die Produktionsfirma einen Brief ab, der an Josefine Preuß gehen sollte. ARD-Publikumspost, geschrieben von jungen Zuschauern, die es nicht lustig und nicht mal erfrischend politisch unkorrekt fanden, dass Josefine (wir nennen sie mal mit Vornamen) im Fernsehen zu einem Türkenjungen „anatolischer Milchbauer“ gesagt hatte, „Schleiereule“ zu einer Kopftuchträgerin und „Ramadingsbums“. Natürlich nicht wirklich, sondern in ihrer Rolle namens Lena in der Serie „Türkisch für Anfänger“, als Mädchen, das in der kritischen Phase der Pubertät in eine deutsch-türkische Patchworkfamilie gerät und sich in den Quasi-Stiefbruder Cem verliebt. „In dem Brief stand jedenfalls“, erzählt sie heute, rund fünf Jahre später, „dass demnächst ein paar Albaner vor meiner Haustür auf mich warten würden. Ich sag mal: Kleine Jungs, die den Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit nicht ganz kapiert hatten.“ Kleine Jungs. Ihr Mundwinkel zuckt kurz und überlegen.

Natürlich ist es eines der berüchtigten Cafés in Prenzlauer Berg, in dem Josefine Preuß einen Latte Macchiato bestellt, sehr viel Zucker hineinhäuft, die Zigarette aber erst später beim Rausgehen raucht. Sie sei übernächtigt, entschuldigt sie das blasse Näschen, sie habe vergangene Nacht noch um drei Uhr 25 „Medical Detectives“ auf VOX schauen müssen, eine der Gerichtsmedizinshows, wie sie sie seit Schülerinnentagen liebt. Rote Haare, ausgeprägtes Mundwinkelspiel, und eines hört sie viel zu oft: dass sie mit 26 Jahren noch wie ein Teenager aussehe. Die Art von Persönlichkeit, die kleine Jungs auch deshalb sehr verunsichert, weil sie nicht wissen, ob das jetzt noch ein Mädchen oder schon eine Frau sein soll. Und wo der Unterschied genau liegt.

Ihren Ex-Freund, den Schauspielerkollegen Vinzenz Kiefer, hat Josefine angeblich so rumgekriegt. Indem sie sich bei einem Pokerspiel unangemeldet auf seinen Schoß setzte und ihn bat, ihr mal kurz die Regeln zu erklären. Und auch 2005 in „Türkisch für Anfänger“, der bald berühmten ARD-Serie, spielte sie – als es um die Gunst des Publikums ging – ihr ganzes Mädchen-Geheimwissen aus. Hysterisch, verpeilt, zum Heulen, mitten im Sperrfeuer der pubertären Stimmungsschwankungen. Niemals Berufs-Girl-mäßig überdreht, nie lustig. Josefines Lena ist schon jetzt einer der klassischen deutschen TV-Charaktere, weil sie das geschafft hat: eine Comedyfigur mit einer ungeheuren Menschenwürde zu erschaffen. Heute würde sie das anders spielen, meint Josefine Preuß. Sie würde Lena noch weniger machen lassen.

Eine gute Gelegenheit: Unter anderem im Rahmen eines zweimonatigen Thailand-Drehs wurde im Sommer 2011 von der Constantin der abendfüllende „Türkisch für Anfänger“-Film fertiggestellt, das Regiedebüt des genialen Drehbuchautors Bora Dagtekin, mit allen Originalschauspielern (und mit Katja Riemann), das nun in die Kinos kommt. Eine Art Prequel zur Serie, in dem die Vorgeschichte der deutsch-türkischen Familie in einer neuen Variante erzählt wird. Josefines erster großer Kinoauftritt, aber kein Grund zur Aufregung. Wenn es um den Beruf geht, ist sie nüchtern wie eine alte Krokodildame. „Mit 17, 18, nach der Schauspielschule, in einem Alter, in dem andere erst mal ein Jahr ins Ausland gehen und sich überlegen, was sie studieren wollen – da war ich längst drin in diesem Job“, sagt sie.

Dass Josefine Preuß so früh mit der Schauspielschule fertig war, liegt vor allem daran, dass sie vor dem Exa-men abging. Geboren im ländlichen Brandenburg, Polizistentochter, verließ sie mit 16 das Gymnasium, bekam einen Platz an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. TV-Erfahrung hatte sie da schon ausreichend, als Sechsjährige in der Rateshow „Dingsda“ – bei deren Dreh sich die kleine Josefine zielsicher auf Fritz Egners Schoß gesetzt hatte –, später  vier Jahre lang in tragender Rolle in der Internats-Kinderserie „Schloss Einstein“. Als Josefine ein Angebot für den Film „Jargo“ bekam, bat sie die Abteilungsleiterin der Schule, für die Dreharbeiten frei zu bekommen. Es wurde abgelehnt. Kurz danach brach sie die Ausbildung ab und sammelte von da an nur noch praktische Erfahrungen.

Dazu gehörten Pro7-Stücke wie „Klassenfahrt – geknutscht wird immer“ und „Schüleraustausch – Die Französinnen kommen“. Sie seufzt.

„Ich war jung und brauchte das Geld?“, mit Fragezeichen am Ende. Solche Sätze (auch: „Wir Deutschen können das!“) klingen aus dem Mund der zarten, blassen Person so frühreif und abgeklärt, und über das deutsche Filmbusiness spricht sie wie andere Leute über die 20er-Jahre. Ihre „Bild“-Schlagzeile hatte sie auch schon, als sie 2010 in einem Berlin-„Tatort“ die Muse des ermordeten Künstlers spielte. „Ich kam da im Höschen raus, nicht mal im Tanga, und im BH – der viel zu groß war, weil es für meine Titten eigentlich keine BH-Größe gibt“, erzählt sie, durchaus nicht unwillig. „Als ich später las, ich wäre ,halb nackt‘ gewesen, habe ich mich schon gewundert. Die Rothaarige, die das Aktmodell spielte, war ganz nackt!“ Der „Playboy“ hatte da längst angefragt. „Ich weiß ja, dass ich einen tollen Po habe. Aber den zeige ich nur in bewegten Bildern.“ Um sich die Karriere zu ruinieren, hat Josefine mit 26 schon zu viel gesehen.

Und auch das großartige „Türkisch für Anfänger“, das alle Mitwirkenden zu mittleren Stars machte und 2007 den obligatorischen Grimme-Preis gewann, hatte in Wahrheit so miese TV-Quoten, dass die ARD die zweite Staffel überhaupt erst in Auftrag gab, als Zuschauer eine Petition anzettelten. Eben hat Josefine zwar noch „Lost Place“ gedreht, eine relativ hoch angesiedelte 3-D-Thriller-Produktion, aber Illusionen macht sie sich trotzdem keine. „Ich denke schon viel an meine Zukunft im Medium Film“, sagt sie, noch bevor man danach gefragt hat. „Schneiden oder produzieren würde ich gerne. Ich habe gute Kontakte zu zwei Produktionsfirmen – wenn ich die anrufen würde, könnte ich da sicher als Produktionsassistentin oder Praktikantin anfangen. Und wenn es erst mal nur ums Kaffeekochen und Dispos-Kopieren ginge. Da würde ich mich dann eben hocharbeiten.“

Auf Schöße setzt sich die Schauspielerin Josefine Preuß jetzt auch nicht mehr. Dafür ist sie zu alt, toller Po hin oder her.

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