TV-Kritik: Gottschalks große Geburtstagsparty – sanft ins Rentenalter hinübergeschubst

Thomas Gottschalk feierte seinen 65. Geburtstag mit einer eigenen Show im Berliner Admiralspalast. Die Gäste waren erlesen, die Stimmung toll und am Ende stimmten sogar die Quoten.

In seinen letzten Jahren als Moderator von „Wetten dass..?“, noch bevor der tragische Unfall von Samuel Koch das Ende des Show-Giganten einleitete, beschwerte sich Thomas Gottschalk fast in jedem Interview über die vielen Kritiken, die nur Stunden nach der Ausstrahlung der Sendung das Netz fluteten.

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Für den großen Samstagabendunterhalter ein Phänomen, das er nicht verstand: Warum musste man an jeder Kleinigkeit herummäkeln, die Qualität der Couch-Gespräche bewerten und seine misslungenen Witze aufzählen?

Für ein paar Stunden einfach wieder Tommy sein

Tenor seiner Beschwerde: Früher haben die das doch auch nicht gemacht. Lange ist es her, dass der blonde Sunnyboy aus Kulmbach so etwas wie ein Alleinherrscher der Primetime-Zone war. Nun wurde er am Montag 65 Jahre alt. Anlass genug für RTL, ihm eine eigene Geburtstagssause zu schenken.

Der Sender gewährte dem Entertainer in den letzten Jahren ein freundliches Kuschelplätzchen in Shows, die ihn nicht größer forderten und zugleich seinen Ruf nicht weiter beschädigten. Denn nach dem grandios gescheiterten Versuch, im Ersten mit einer interaktiven und zugleich noch täglichen Show den Vorabend zu retten, war bei den Öffentlich-Rechtlichen kein Platz mehr frei für den leichtblütigen Moderator.

Jörg Carstensen/dpa
 

In den Admiralspalast wurden viele Weggefährten aus der Vergangenheit geladen, die allesamt nicht vergaßen, ihn als guten Freund zu bezeichnen. Gottschalk lachte von der ersten Minute an wie ein kleiner Junge – es war dann eben doch ein großer Kindergeburtstag. Und der Entertainer genoss sichtlich, wie ihm Honig um den Mund geschmiert wurde.

Patent wie immer moderierte Barbara Schöneberger, inzwischen in mehreren TV-Formaten so etwas wie die Dompteuse für das tatsächlich in Würde ergraute Zirkustier Gottschalk, durch die Show. Otto zelebrierte zudem mit Band die Lieblings-Hits aus der Plattensammlung des Geburtstagskinds (und auch in diesen 3 Stunden wurde deutlich, dass Gottschalks Musikgeschmack sich in den letzten Jahrzehnten um keinen Deut weiterentwickelt hat). Ein wirklich nettes Geschenk.

Gottschalk wurde zunehmend aufgekratzter

Natürlich tauchte irgendwann Gottschalks bester Freund Günther Jauch auf und revanchierte sich für einen bösen Streich, den ihm sein Intimus vor vielen Jahren gespielt hatte. Als verkleideter Sänger ließ er Jauch böse auflaufen. Nun saß der oft bieder wirkende „Wer wird Millionär“-Moderator, der vor allem in den gemeinsamen Sendungen mit Gottschalk und auch Pocher erstaunlich aufblüht und sich dem Quatsch seiner Kollegen anschließt, verkleidet hinter einem Keyboard und spielte zusammen mit Status Quo ihren Bierzelt-Hit „Rockin‘ All Over The World“.

Gottschalk ahnte von der Maskerade angeblich nichts, der Fernsehzuschauer wurde allerdings mit penetranten Einblendungen so oft darauf hingewiesen, dass man irgendwann das Gefühl bekam, auch der Geehrte hätte etwas bemerkt. Jedenfalls blieb das Überraschungslachen eher zurückhaltend.

Kein Wunder: Was in der Geburtstags-Show an Grüßen von prominenten Wegbegleitern wie Arnold Schwarzenegger, Lionel Richie oder Heidi Klum aufgefahren wurde, würde die meisten Jubilare überfordern. Nicht jedoch Gottschalk, der zunehmend aufgekratzter wurde. Schließlich ertrug er sogar den Kurzauftritt von Hugo Egon Balder, der irgendwo an einem Tresen saß und mehrmals auf seine scheußliche Alkoholiker-Talkrunde „Der Klügere kippt nach“ hinwies.

Jörg Carstensen/dpa
 

Aber solche Kleinigkeiten spielten – wie auch in den schönsten und sinnfreisten Sendungen in Gottschalks Fernseh-Vita – überhaupt keine Rolle. Dem nun sanft ins Rentenalter hinübergeschubsten Unterhaltungsfachmann wurde vielmehr deutlich versichert, dass er der letzte seiner Art sei. Und solange es ihm als aussterbende Spezies nicht einsam ums Herz wird zwischen all den metareflexiven Quatschmachern und biederen Entertainment-Verwaltern im deutschen TV, ist auch für ihn alles okay.

Es fehlt ein  gutes TV-Format für den letzten großen Entertainer Deutschlands

Gottschalk und so manche Fernsehproduzenten waren sich immer sicher, dass es völlig unwichtig ist, welches Format man dem Showmaster zuteilt – er würde stets mit seiner weltgewandten und letztendlich sympathischen Art die Zuschauer erheitern und binden.

Dass dies irgendwann nicht mehr so war (da muss man sich nichts vormachen), ist Gottschalk kaum zum Vorwurf zu machen. Vielmehr ist es schade, dass es in diesem Land nicht den Mut gibt, einem so begabten Alleinunterhalter ein ansprechendes Sendekonzept zu entwickeln.

Schließlich ist die Zukunft des nun 65-Jährigen, der zur Zeit mit seiner verschmitzt geschriebenen Autobiographie „Herbstblond“ zum Bestseller-Autor wurde, im Fernsehen immer noch offen. Die Quote stimmte auf jeden Fall einmal wieder: 5,42 Millionen Zuschauer feierten ihren Tommy – und haben vielleicht die Hoffnung auf ein „Wetten dass..?“-Comeback nicht aufgegeben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Thomas Gottschalk einen Tag nach seinem Geburtstag die positiven Kritiken für die Show liest und lächelt.

Jörg Carstensen/dpa Jörg Carstensen/dpa
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