Unbekannte Identität

Seit einigen Jahren ist Berlin aufgrund finanzieller Anreize zu einer der wichtigsten europäischen Filmproduktionsstätten geworden.

Berlin hat es seit Beginn des Jahrtausends geschafft, zu einem der wichtigsten europäischen Standorte für internationale Kinoproduktionen zu werden – gegen harte, globale Konkurrenz. Von Australien bis Kanada, von den Barrandov-Studios in Prag bis zu den Pinewood-Bühnen bei London buhlen Produktionsstätten um Aufträge. Selbst Los Angeles steht unter Beschuss, seit im nahen New Mexico gewaltige Atelier-Neubauten und Steuervergünstigungen als Alternative locken.

Finanzielle Anreize für Investoren ebneten auch Berlin den Aufstieg in die A-Liga. Die Zeiten, als Zahnärzte steuerfrei in Fonds für potenzielle Blockbuster investieren wollten und ihnen Hollywood dankbar das Geld aus der Tasche zog, sind zwar vorbei, doch noch immer verteilt das Medienboard Berlin-Brandenburg üppige Fördergelder. 28,5 Mio. Euro an Steuermitteln wurden allein 2010 in rund 300 Projekte gesteckt, die von den Produzenten im Erfolgsfall zurückgezahlt werden müssen. Der höchste Einzelposten wanderte mit 4,5 Mio. Euro an ein Kino-Upgrade von „Die drei Musketiere“ mit Orlando Bloom. In 3-D. Kein Titel, der nach Kulturförderung schreit. Aber neben der berechtigten Hoffnung auf eine Rückerstattung an der Kinokasse bringen Promi-Produktionen hohe Gesamtetats und machen als Imagegewinn auch die Tourismuszentrale glücklich.

Doch so wenig es Berlin mit Produktionen wie „The Hours“, „Inglourious Basterds“ oder „Flight Plan“ an prestigeträchtigen Drehs mangelte, so unsichtbar blieb die Stadt dabei meist als heimliche Hauptdarstellerin. Die letzte zeitgenössische Story einer Großproduktion, die tatsächlich in den Straßen der Stadt spielte, liegt mit „Die Bourne Verschwörung“ sechs Jahre zurück.

Um einen Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und sich bald gegen die Killer ruchloser Geheimdienste zur Wehr setzen muss, geht es auch in „Unknown Identity“. Ursprünglich war das Script für Paris als Location geschrieben worden – bis Pruduktion Joel Silver eine Kooperation mit dem FilmStudio Babelsberg abschloss und die Story kurzerhand auf Berlin zuschneiden ließ. „Es gibt nichts, was die lokalen Crews nicht stemmen könnten“, schwärmt Silver und verweist auf Polanskis „Ghostwriter“, in dem ein Vorort Brandenburgs die Luxus-Enklave Martha’s Vineyard, Massachussets, doubelte. Und wenn Liam Neeson in „Unknown Identity“ am Steuer eines Taxis über die Friedrichstraße donnert, im Rückwärtsgang und auf dem Bürgersteig, ist zumindest ein Beweis erbracht: Es lag nie am Standort, wenn nationales Genrekino notorisch bleifüßig wirkte.

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