Uwe Kopfs Typewriter: Fortsetzung folgt

Heynckes, Walser, Carpendale: Der elegante Rücktritt zur rechten Zeit ist eine Kunst – das bloße Weitermachen manchmal aber auch.

Klingt wahrscheinlich seltsam, wenn ich hier sage, Jupp Heynckes versteht nix von Fußball: Er konnte als Trainer des FC Bayern München immerhin drei Titel innerhalb einer Saison gewinnen, aber er erzählt leider auch, sein Verteidiger Philipp Lahm sei geeignet, Weltfußballer des Jahres zu werden – wer so wenig Urteilskraft hat, müsste seinen Beruf aufgeben. Hinzu kommt, dass Heynckes manchmal ein bisschen so aussieht wie Nicole Kidman; das kann bei ihm kaum an Botox liegen, die Gesichtsleere meldet, es sollte Schluss sein.

Doch Heynckes beherrscht sie nicht, die Kunst des Aufhörens. Am 4. Juni verkündete er: Erst mal Urlaub und das Leben genießen, aber später vielleicht … Das Offenlassen riecht immer auch nach Feigheit, wir kennen diese Schwäche von Prinz Hamlet, der so lange rumeiert, bis die Personen um ihn herum verbluten, ertrinken, Gift schlucken; sein Monolog ist ein Monument der Ausflüchte.

Ganz anders als Hamlet und Heynckes handelte David Beckham: Er erinnert zwar jederzeit an einen Neandertaler, sagte jedoch „Ende“ und meint Ende. Er verabschiedete sich vom Profifußball und weinte sehr, die Tränen hatten Stil, während Heynckes auf einer Pressekonferenz nicht mal die Heulerei voll durchzog. Beckhams Landsleute, die Beatles, beendeten ihre Gruppenexistenz am 10. April 1970 und verweigerten eine Rückkehr – der letzte Song des letzten Albums, das sie aufnahmen, heißt „The End“, so geht das! Howard Carpendale ist abgetreten und wiedergekommen (Wortbruch); die Kollegin Daliah Lavi ließ im Mai ausrichten, sie würde das Gesangbuch ihres Lebens schließen, das wirkt glaubhaft („Worte zerstören, wo sie nicht hingehören“, hatte Lavi bereits 1972 in einem ihrer Hits erkannt und das Schweigen verherrlicht).

Der Schriftsteller Martin Walser kann gar nicht aufhören, denn schreiben bedeutet atmen für ihn: Er wird noch schreiben, wenn seine Augenbrauen vor den Nasenlöchern hängen. Casanova musste über die Seufzerbrücke in den Knast, nach seiner Flucht aus Venedig brachte er dann wieder die Frauen zum Seufzen, er hatte keine Wahl. Die Kunst des Weitermachens erfordert oft, das Absurde zu überwinden – Albert Camus liebte alle Menschen, weil sie jeden Morgen aufstehen, obwohl sie wissen, dass sie irgendwann sterben, also mit dem Leben aufhören müssen. Der Sozialdemokrat Peer Steinbrück wird fortfahren, den Kanzlerkandidaten zu spielen – dabei ist die Frage doch nur, wie hoch er am 22. September gegen Angela Merkel verliert. Steinbrück hat zwar keinen Sprachfehler wie Merkel, gerät aber durch seinen Dialekt in Rückstand, denn das Hamburgern klingt stets ein wenig nach Zuhälter (nicht erst seit Dieter Bohlen). Doch Steinbrück muss so weiterreden, es würde die Wähler verwirren, wenn er sich plötzlich Hochdeutsch antrainiert. 

Die Kanzlerin hat inzwischen an Uli Hoeneß rumgemeckert, da er während der vergangenen Jahre nicht genug Steuern zahlte: Hoeneß bereut seine Betrügereien und spürt die Schande; mancher k.u.k.-Offizier hätte sich, um die Ehre wiederherzustellen, an Hoeneß’ Stelle erschossen. Er muss als Präsident von Bayern München wohl weitermachen, ohne ihn wäre der Verein so hilflos wie Heino ohne Hannelore.

Auch Jesus durfte nicht zurücktreten, der Größte beim Weitermachen bleibt natürlich Gott der Herr: Der Philosoph Nietzsche log, als er berichtete, Gott sei tot – und es ist ein Wunder, dass Gott immer noch nicht Selbstmord begangen hat angesichts der Sauereien, die seine Menschen auf der Welt anrichten.

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