Wahl 2013: Politiker beantworten unsere Fragen zur Kulturpolitik. Teil 1: Siegmund Ehrmann (SPD)

Wir wollten per Fragebogen wissen, was unsere Politiker über das Clubsterben denken und warum viele Menschen gar nicht mehr wählen. Den Auftakt der Antwort-Reihe bildet Siegmund Ehrmann, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er sagt: "Wir wollen keine Internetsperren"

Wir haben die Wahl – am 22. September stimmen wir über die nächste Bundesregierung ab. ROLLING STONE hat für die aktuelle Ausgabe Fragebögen zur Kulturpolitik an Vertreter der wichtigen Parteien geschickt.

Rauchverbot, Lärmschutz, Clubsterben, Kontrolle des Internets – es gibt da vieles zu klären.

Den Auftakt unseres Wahl-Specials bilden die Antworten von Siegmund Ehrmann, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Welches Konzert oder welches Musikalbum hat Sie zuletzt beeindruckt?
Kürzlich hörte ich bei „Jazz an einem Sommerabend“ auf der Burg Linn in Krefeld den norwegischen Multiinstrumentalisten Mathias Eick. Seine Alben „The door“ und „Skala“ sind schon beeindruckend, aber live? Das schwingt bei mir bis heute nach!

Wie hören Sie überwiegend Musik privat? Mit dem MP3-Player, als Download oder Stream, mit dem CD-Player oder Plattenspieler?
Ich lausche der Musik auf „allen Kanälen“; wenn ich zu Hause bin – CDs/oder LPs, unterwegs eher Download oder Stream.

Was sind für Sie die drei drängendsten Probleme der Kulturpolitik?
Das Urheberrecht, die soziale und wirtschaftlich schwierige Lage vieler Kultur- und Kreativschaffender und die künftige Finanzierung unserer kulturellen Infrastruktur. Angesichts der knappen Finanzmittel in Städten, Gemeinden und Ländern wird sich bald die Frage stellen, welche Kultur wir uns noch leisten können und welche Spielräume für Innovatives bleiben.

Sollte Popkultur ähnlich gefördert werden wie etwa Oper oder Theater?
Popkultur als Teil unseres kulturellen Kanons sollte Teil der öffentlichen Kulturförderung sein. Hier gibt es auf Bundesebene mit der Initiative Musik oder auch dem Engagement der Kulturstiftung des Bundes bereits vielversprechende Ansätze. Die Unterscheidung zwischen U & E allerdings wirkt heute künstlich. Insofern sollte die öffentliche Kulturförderung darauf drängen, dass sich die Orte der „E-Fraktion“ für die „U-Fraktion“ weiter öffnen.

Rauchverbot, Lärmschutz, Clubsterben – reguliert die Politik das popkulturelle Leben zu Tode?
Auf der einen Seite gibt es etwa die Anwohner in Großstädten wie Berlin, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlen. Auf der anderen Seite das vitale und für die Stadt – im Übrigen auch wirtschaftlich – attraktive Clubleben, das mittlerweile fester Teil unserer Kultur ist. Wichtig finde ich deshalb Initiativen wie die Clubkommission in Berlin und anderen Städten, die sich gegenüber der Politik für ihre Belange einsetzen und bei Problemen, wie den genannten, vermitteln helfen.

Kultur ist in Deutschland weitgehend Ländersache. Sollte sich die Bundesregierung dort mehr engagieren?
Die Zuständigkeit sollte dort liegen, wo Kultur stattfindet – also in den Kommunen und Ländern, die auch jeweils ca. 44 Prozent der öffentlichen Kulturförderung tragen. Gleichwohl trägt auch der Bund Verantwortung, wenn ein Bundesinteresse (bspw. bei der Gedenkstättenförderung) besteht. Allerdings gibt es Förderstrukturen, bei denen die Verantwortung des Bundes kaum zu erklären ist. Gleichzeitig sind die Länder mit Aufgaben wie beim Denkmalschutz konfrontiert, die sie allein nicht stemmen können. Ein Beispiel für neue kulturpolitische Ansätze von kooperativem Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen ist unser Gutachten zur Musikförderung des Bundes.

Muss das Urheberrecht in Deutschland gestärkt oder gelockert werden? Welche Maßnahmen kann die Politik ergreifen?
Wir wollen einen gerechten Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern auch in der digitalen Welt. Konkret heißt das: gewerbsmäßig betriebene Urheberrechtsverletzungen bekämpfen. Nicht, indem wir Inhalte aus dem Datenstrom filtern oder Internetsperren einrichten. Solche Eingriffe in Grundrechte lehnen wir ab. Wir setzen da an, wo professionelle Anbieter ihre Geschäftsmodelle gezielt auf Urheberrechtsverletzungen aufbauen und so Millionengewinne erzielen. Zudem wollen wir die Position des Urhebers stärken. Dazu wollen wir das Urhebervertragsrecht evaluieren und gegebenenfalls nachjustieren.

Wie viel Freiheit, wie viel Kontrolle braucht das Internet?
Wir müssen das Internet als freies und offenes Medium erhalten und sichern. Deswegen müssen alle staatlichen Eingriffe verhältnismäßig sein, sich auf konkrete Einzelfälle beschränken und rechtsstaatlich abgesichert sein. Das gilt auch für die Rechtsdurchsetzung im Internet bei Urheberrechtsverletzungen. Modelle zur verbesserten Rechtsdurchsetzung können nur dann nachhaltig Probleme lösen, wenn eine flächendeckende Inhaltefilterung ausgeschlossen wird und die Grundrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis, gewahrt bleiben.

Es gibt kaum Dirigentinnen, kaum Intendantinnen:  Braucht der Kulturbetrieb eine Frauenquote?
Neben Maßnahmen wie Equal Pay, einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, einer gesetzlichen Quote, einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau der Kinderbetreuung, die Optimierung des Elterngeldes und einem geschlechtergerechten Steuersystem muss der Bund auch in der Kultur aktiv werden, um die tatsächliche Gleichstellung in Kunst, Kultur und Medien zu fördern. Wir fordern, die Datenerhebung zur Situation von Frauen im Kunst- und Kulturbetrieb zu verbessern und die Gleichstellung in den vom Bund finanzierten Programmen und Projekten umzusetzen.

Viele Künstler, Musiker, Schauspieler leben in prekären Verhältnissen. Planen Sie Veränderungen in der sozialen Absicherung (Künstlersozialkasse)?
Die SPD setzt sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Künstlersozialkasse (KSK) ein. Immer mehr selbstständige Kultur-, Medien- und Kreativschaffende versichern sich in der KSK – jährlich sind es etwa 4.500 zusätzliche Versicherte. Wir wollen diese einzigartige kultur- und sozialpolitische Errungenschaft stabilisieren. Hierzu gehört auch, dass alle abgabepflichtigen Unternehmen tatsächlich ihre Abgaben zahlen, damit der Satz für die beitragsehrlichen Unternehmen nicht steigt. Zudem wollen wir Selbständige ohne obligatorische Altersvorsorge in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen und den Erwerb von Anspruch auf Arbeitslosengeld I vereinfachen.

Wenn Sie sich einen Song aussuchen könnten: Welcher wäre der richtige für Ihren Wahlkampf?
„Are you going with me?“ – Pat Metheny Group

Wer ist Ihnen lieber: Rolling Stones oder Beatles?
Ich gehörte und gehöre zur „Stones-Fraktion“.

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