Wahl 2013: Politiker beantworten unsere Fragen zur Kulturpolitik. Teil 2: Jürgen Trittin (Die Grünen)

Wir wollten wissen, was unsere Politiker über das Clubsterben denken und warum viele Menschen gar nicht mehr wählen. Im zweiten Teil beantwortete der Fraktionsvorsitzende der Grünen Jürgen Trittin Fragen über politische Ziele und musikalische Vorlieben.

Wir haben die Wahl – am 22. September stimmen wir über die nächste Bundesregierung ab. ROLLING STONE hat für die aktuelle Ausgabe Fragebögen zur Kulturpolitik an Vertreter der wichtigen Parteien geschickt.

Rauchverbot, Lärmschutz, Clubsterben, Kontrolle des Internets – es gibt da vieles zu klären.

Im zweiten Teil unseres Wahl-Specials beantwortet Jürgen Trittin von den Grünen Fragen zu den drängendsten Problemen der Kulturpolitik:

Welches Konzert oder welches Musikalbum hat Sie zuletzt beeindruckt?

Patti Smith hat mir vor ein paar Wochen wieder gut gefallen.

Wie hören Sie überwiegend Musik privat? Mit dem MP3-Player, als Download oder Stream, mit dem CD-Player oder Plattenspieler?

MP3 über meine Teufel-Anlage.

Was sind für Sie die drei drängendsten Probleme der Kulturpolitik?

1. Finanzierung von Kultur in Zeiten knapper Kassen.

2. Fairer Ausgleich zwischen KünstlerInnen und NutzerInnen.

3. Prekäre Arbeitsbedingungen für Kulturschaffende.

Sollte Popkultur ähnlich gefördert werden wie etwa Oper oder Theater?

Wir wollen Kultur fördern. Dabei unterscheiden wir nicht zwischen Hoch- und Subkultur. Wir unterstützen die Initiative Musik, die Popkultur fördert. Allerdings halten wir die Initiative Musik als einziges Förderinstrument für neuere Musik im Rahmen der Bundeskulturförderung für nicht ausreichend. Wir fordern deshalb zusätzlich die Einrichtung eines Fonds „Neue Musik“.

Rauchverbot, Lärmschutz, Clubsterben – reguliert die Politik das popkulturelle Leben zu Tode?

Das Clubsterben und -öffnen hat vielfältige Ursachen und Lärmschutzregulierungen sind der geringere Teil davon. Und es ist nicht eine ferne Politik, die Regeln setzt: In Bayern wurde das Rauchverbot beispielsweise von den BürgerInnen selbst durchgesetzt.

Kultur ist in Deutschland weitgehend Ländersache. Sollte sich die Bundesregierung dort mehr engagieren?

Der Bund muss den Ländern neue finanzielle Spielräume verschaffen, damit Länder und Kommunen ihre kulturellen Aufgaben erfüllen können. Auch das ist ein Grund für unsere Steuerreform-Ideen. Die Bundeskulturförderung, die immerhin 13 Prozent der staatlichen Kulturausgaben ausmacht, braucht klare Kriterien. Wir haben in einem Antrag aufgezeigt, wie das Geld transparent, gerecht und zukunftsgerichtet verteilt werden kann.

Muss das Urheberrecht in Deutschland gestärkt oder gelockert werden? Welche Maßnahmen kann die Politik ergreifen?

Wir wollen das Urheberrecht an die neuen Realitäten des 21. Jahrhunderts anpassen. Für uns Grüne liegt die größte Stärkung des Urheberrechts in einem echten und fairen Interessensausgleich. Der Zugang zu und die Teilhabe an kulturellen Gütern ist gleichermaßen schützenswert wie die Rechte von Kreativen an ihren Werken. Dabei haben wir die gesamte Nutzungs- und Verwertungskette im Blick, von den Urheberinnen und Urhebern über die Verwerter bis hin zu den Nutzerinnen und Nutzern. Rechnung tragen wollen wir dabei auch den zunehmend komplexer werdenden Wechselbeziehungen, wo klare Abtrennungen zwischen Nutzerinnen und Nutzern, Urheberinnen und Urhebern und Verwertern zunehmend schwieriger werden. Konkret wollen wir das Abmahnunwesen eindämmen sowie das von der Bundesregierung geplante Leistungsschutzrecht stoppen. Beim Urhebervertragsrecht fordern wir Auskunftspflicht seitens der VerwerterInnen und VermittlerInnen über den Umfang und die Erträge durch Werknutzungen und verbindliche Gültigkeit von Schlichtungsverfahren. Außerdem stehen dringend Regelungen des sogenannten „Dritten Korbes“ für den Wissenschafts- und Bildungsbereich aus.

Wie viel Freiheit, wie viel Kontrolle braucht das Internet?

Der Ausspähskandal zeigt, dass die Freiheit des Internets gefährdet ist. Wir wollen die Freiheit sichern, die Privatsphäre schützen und die gleichberechtigte Teilhabe an der digitalen Welt ermöglichen. Warnhinweismodellen, Ent-Anonymisierung, Sperrung von Internetseiten oder Internetanschlüssen und der Filterung von Inhalten erteilen wir eine Absage.

Es gibt kaum Dirigentinnen, kaum Intendantinnen: Braucht der Kulturbetrieb eine Frauenquote?

Ja, wir fordern eine paritätische Geschlechterverteilung bei allen vom Bund finanzierten Projekten und Institutionen und die Aufhebung struktureller Hürden für Frauen im Kulturbetrieb.

Viele Künstler, Musiker, Schauspieler leben in prekären Verhältnissen. Planen Sie Veränderungen in der sozialen Absicherung (Künstlersozialkasse)?

Wir haben in dieser Legislaturperiode ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Kulturschaffenden aufgelegt. Wir fordern: Anspruch auf Arbeitslosengeld für alle, die innerhalb von zwei Jahren mindestens vier Monate in die Arbeitslosen­versicherung eingezahlt haben. Außerdem soll eine befristete Vermittlungspause ermöglicht werden. Anspruch auf Krankengeld muss wieder ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit gewährleistet sein (statt ab der 7. Woche). Mindestabsicherungen und Honoraruntergrenzen für die Dienstleistung aller ausgebildeten InterpretInnen, BühnendarstellerInnen und Lehrenden ohne Festanstellung, auch an Musikhochschulen.

Wenn Sie sich einen Song aussuchen könnten: Welcher wäre der richtige für Ihren Wahlkampf?

Franz Ferdinand: „Matinee“

Rolling Stones oder Beatles?

Talking Heads.

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