Würze der Jugend

Sie stehen auf Techno, aber klingen rockiger denn je – und nebenbei lüften die Foals auch noch ein Pop-Geheimnis

Endlich haben wir Klarheit. Irgendwann spielten diese jungen Gruppen, die sich Indie-Bands nannten, alle mit den Gitarren knapp unter dem Hals. Das sah sehr seltsam aus. Die entscheidende Fährte führt nach Oxford, England. Die Band Foals kommt dort her, und auch sie spielt mit sehr hoch gehaltenen Gitarren.

Die Band ist bekannt für eine neue Interpretation des sogenannten Math Rock, der viel mit Akkuratesse und Geometrie zu tun hat, mit Spontaneität weniger. 2008 erscheint ihr Debüt „Antidotes“. Fortan singen die jungen Leute in engen Hosen und bunten Schuhen in den deutschen Indie-Diskotheken von „Cassius“, das war die zweite Single. Sie singen sehr affektiert, die Stimme geht spitz nach oben. Dazu ganz viele Triolen – und immer so tanzen, als würde man an Epilepsie leiden. Dann ein kleiner Punk-Teil mit Feedbacks und Trommelwirbel, und weiter geht’s. Lustigerweise wollten damals ganz viele deutsche Bands so klingen. Die Foals aber wiederum waren fasziniert vom deutschen Techno, von Ben Klock, Sascha Funke oder Ellen Allien. Irgendwie ist das schön, dass deutsche Kids englische Bands nachahmen, die wiederum den deutschen Techno nachahmen.

Yannis Philippakis, der Sänger und Gitarrist, gibt Interviews gern gemeinsam mit Jimmy Smith, der zwischen Keyboard und Gitarre wechselt. Yannis ist ein ziemlich verschlafener Mensch. Die Kekse vor sich rührt er nicht an. Er liegt hinten in der Ecke des Zimmers im Bett vor seinem Laptop. Jimmy ist ganz gut drauf, aber man merkt, dass Yannis das Sagen hat. Deswegen bleibt Jimmy höflich zurückhaltend. Yannis meint, dass die Deutschen total auf Swinger-Clubs und so abfahren würden – aber dann will er doch lieber über Musik reden. Also kratzt er sich seinen dunklen Bart und erzählt davon, dass Foals mit den Red Hot Chili Peppers getourt sind. Da hatten sie schon die meisten Songs für das neue Album „Holy Fire“ beisammen. Wenn die Chili Peppers einen Song schreiben, meint Yannis, dann dächten die wahrscheinlich nicht daran, was man reinstecken kann, sondern was man weglassen kann. So minimalistisch seien die, und interessant sei das.

Wenn die erste Foals-Platte die Tanzplatte war und „Total Life Forever“ die Ambient-Platte, könnte „Holy Fire“ jetzt die Rock-Platte werden. Foals spielen Songs wie „Cleaver“, der mit Gospel startet und dann in ein Kings-Of-Leon-Rock-Riff aus alten Tagen mündet. Bei „Inhaler“ könnte man sogar an die Black Keys denken.

Jimmy beschreibt diese neue Dominanz von verzerrten Gitarre als „jugendliche Würze“. Von einer Rock-Platte wollen beide nichts wissen. Aber diesmal komme die Musik aus dem Herzen und nicht aus dem Kopf. „Wir haben unsere uns selbst auferlegten Grenzen eingerissen“, beschreibt es Yannis. Die neue Energie der Platte jedenfalls sei der Tatsache geschuldet, dass sie „in einem Raum aufnehmen – fünf Typen, Instrumente, Schweiß und Asche“. Und weil der Raum so klein war, deswegen die Gitarre so hoch? „Ja genau, um Platz zu sparen“, nickt Yannis – und ohne es zu wissen, hat er eines der größten Geheimnisse der modernen Popmusik gelüftet. frédéric schwilden

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