17 knallharte Fakten zu John Carpenters „Escape From New York“ – „Die Klapperschlange“

„Escape from New York“ alias „Die Klapperschlange“ war John Carpenters ambitioniertester Film. Wie gut kennen Sie ihn?

Mit „Die Klapperschlange“ (Original: „Escape from New York“) veröffentlichte John Carpenter 1981 zwar nicht seinen erfolgreichsten, aber seinen vielleicht am innigsten geliebten Film. Mit geringem Budget – der Streifen kostete sieben Millionen Dollar, Werke dieser räumlichen Dimensionen, New York vor der Apokalypse, wären heute nicht unter 200 Millionen Dollar zu haben – realisierte der Regisseur eine Zukunftsvision.

Mehr zum Thema
50 Jahre 'Dark Star' – Interview mit John Carpenter: „Dude. Das Alien war doch nur ein Gummiball mit Farbe drauf“

Ganz Manhattan ist ein Gefängnis, von Mauern umringt, nur von außen von Polizisten überwacht, innen herrscht Anarchie. Als der US-Präsident, unterwegs auf einer Mission, den Dritten Weltkrieg zu beenden, ausgerechnet dort notlanden muss, kann es nur einen geben, der ihn befreit: Snake Plissken. Der Mann ist selbst ein Verbrecher, der die gelungene Rettung als Freifahrtschein aus dem Knast nutzen darf – der Deal mit dem Gesetz: Kriegt er den POTUS, entgeht er der Todesstrafe. Falls Snake am selbst ernannten „Duke von New York“ vorbeikommt, der die Stadt beherrscht.

17 Fakten zur „Klapperschlange“:

01. Wer den besten Carpenter-Score nennen müsste, würde wohl zuerst bei „Halloween“ landen. Aber dicht darauf folgt die „Klapperschlange“. Kaum vorstellbar, aber der Regisseur komponierte seine Filmmusik stets nur deshalb selbst, weil er Kosten sparen wollte.

Mehr zum Thema
John Carpenter: alle Filme im Ranking, von Flop bis Top

Nach dem Erfolg von „Escape from New York“ würde dieser Score für verhältnismäßig lange Zeit sein letzter eigener bleiben. „The Thing“ übernahm 1982 Ennio Morricone, „Christine“ bestand 1983 fast nur aus Songs, und „Starman“ schrieb Jack Nietzsche.

https://www.youtube.com/watch?v=f1JYDmo19to

2. Apropos „Klapperschlange“: Deutsche Verleiher genießen für ihre recht eigenwilligen Neu-Betitelungen fremdsprachiger Filme weltweit einen gewissen Ruf. Das Tattoo Plisskens (Kurt Russell) zeigt in Wirklichkeit keine Klapperschlange – sondern eine Kobra. Wie konnte man damals mit diesem Fehler bloß durchkommen?

Außerdem kann es nie schaden, Rollennamen richtig zu schreiben. Auch, wenn’s nur der Nachname ist. Viele Grüße an Snake, äh, PLESSKEN:

19279268

3. Der „Duke von New York“ (Isaac Hayes) ist eine coole Sau. Wenn er sich durch die Straßen Manhattans kutschieren lässt, sitzt er dabei nicht, wie bei Bossen üblich, auf der Rückbank.

Nein, er wählt, als wohl erster Bösewicht der Geschichte, den Beifahrersitz. Hinten sitzt Handlanger Romero, seine Nummer zwei. Der Duke will also alles sehen, aber selbst nicht Hand anlegen.

4. In der Special Edition (DVD) war erstmals die Bankraub-Szene zu sehen, die Plisskens Vorgeschichte erzählt – warum er im Knast gelandet ist, und dass er eigentlich ein gutes Herz hat. Nur, weil Snake auf seinen Räuberkumpel wartete, trotz nahender Polizeitruppen, wurde er festgenommen.

Carpenter schnitt die Szene aus der Kinofassung heraus, weil er den Grund für Plisskens Inhaftierung im Unklaren lassen wollte. Die „Bank Robbery“ enthielt auch Musik Carpenters, das französische Horror-Electro-Duo Zombie Zombie hat es später auf ihrer EP „Plays John Carpenter“ gecovert.

efnybankrobbery3

5. Es gibt nur zwei Szenen, die in New York gedreht wurden: Aufnahmen vor Liberty Island mit der Freiheitsstatue, es war die erste Dreherlaubnis dort überhaupt; sowie eine Einstellung, die einen Polizisten vor der Skyline Manhattans zeigt. Der Mann passiert eine Polizeiwache, es folgt ein Dolly Shot im Dunkeln …

tumblr_lrw34nATI81qfcpsho1_500

6. … und heraus kommt er in St. Louis. Dort wurde „Escape from New York“ gefilmt. Carpenter hatte vor Beginn der Dreharbeiten seinen Setdesigner mit den Worten losgeschickt: „Such mir den dreckigsten, heruntergekommensten Ort in Amerika.“ Im Osten von St. Louis, Illinois, wurde man fündig.

Dort gab es leer stehende, verwilderte Viertel, das Ergebnis eines Stadtbrands von 1976. Anscheinend hielt der Bürgermeister diese Kieze selbst für derart unwichtig, dass das Filmteam ihn überzeugen konnte, nächtelang den Strom in zehn Blocks abzuschalten. Dort möchte man während der Dreharbeiten nicht gewohnt haben.

Carpenter kaufte in St. Louis, für den symbolischen Preis von einem Dollar, die 69th Street Bridge, auf der es zum Finale kommt. Nach Ende der Dreharbeiten gab Carpenter die Brücke für einen Dollar zurück.

escape_from_NY4

7. Für unfreiwillige Komik sorgte der Auftritt des Präsidenten-Bodyguards, der mit seinem Maschinengewehr-Kolben das Cockpit der Air Force One aufschlagen will – dass das in Zeitlupe nicht geht, hat ihm wohl keiner verraten. Bei dem Schauspieler handelt es sich um Steven Ford – dem Sohn des ehemaligen Präsidenten Gerald Ford.

600px-ENY-M16-2

8. Carpenter schrieb das Drehbuch zu „Escape From New York“ unter dem Einfluss verschiedener politischer Krisen, darunter dem Watergate-Skandal und die Geiselnahme in der US-Botschaft in Tehran. Der Regisseur traut der amerikanischen Staatsführung zu keiner Zeit über den Weg.

Portrait de Richard Nixon

9. Zu welcher wichtigen Mission, um den Dritten Weltkrieg mit China und Russland zu beenden, war der POTUS eigentlich unterwegs – welches Geheimnis enthielt seine Kassette? Das wird nicht geklärt, wir hören lediglich Snippets, in denen es um Kernenergie geht.

Polizist Hauk (Lee van Cleef) fragt Snake, ob er Ahnung hätte von „kalter Fusion“. Hat er nicht. Wir haben nachgeschlagen: „Cold Fusion“ beschreibt die theoretische Möglichkeit unendliche Energie zu erzeugen.

Klar, mit DIESER Waffe gewinnt man jeden Krieg, oder?

Underwater Explosion.

10. Für seinen Score beim Flug Snakes über Manhattan benutzte Carpenter Debussys „Engulfed Cathedral“, in einer wunderschönen elektronischen Version.

Warum? Carpenter zu ROLLING STONE: „Mir gefiel das Stück, und ich hatte Lust es auf dem Synthesizer zu spielen.“

escape460

11. „Escape From New York“, erschienen 1981, reiht sich ein in die Riege von Filmen – „Zurück in die Zukunft II“ von 1989 ging mit diesem Thema 2015, 26 Jahre nach seiner Entstehung, viral recht steil –, die eine Zukunftsvision entwerfen, die von der Gegenwart längst eingeholt wurden.

„1988“, heißt es bedrohlich im Vorspann, „ist die Verbrechensrate um 400 Prozent in die Höhe geschnellt.“ Dann kommt das schwer verdauliche: „1997“, und, in Versalien, „NOW“.

Klingt heute lustig, wir leben ja alle noch, kein Dritter Weltkrieg, aber: Rechnen Sie mal diese 16 Jahre auf 2019 drauf. 2035. Wie hört sich das an? Vorfreude auf jene Zeit? Wohl eher Bammel.

nyst01

12. Der Film stellt einige verstörende Verbindungen zum Elften September her. Terroristen lassen die Air Force One in einen Wolkenkratzer krachen; Snake Plissken fliegt mit seinem Segelflieger später an den Twin Towers vorbei.

escape_new_york02
13. Für die Rolle des Snake wurden ursprünglich „in Betracht gezogen“ (muss nichts heißen, kann aber was heißen): Clint Eastwood, Charles Bronson, Tommy Lee Jones, Nick Nolte, Jeff Bridges, Kris Kristofferson und Chuck Norris.

Chuck Norris
Chuck Norris

14. Natürlich sind die Action-Szenen innerhalb Manhattans legendär. Aber eine tolle, nicht weniger spannende Mythologie wurde im „Cold Fusion“-Dialog zwischen Plissken und Hauk entworfen, die sich im Konferenzraum wie zwei Cowboys duellieren, nur mit Worten.

Was für Szenarien aus dem Dritten Weltkrieg, nur um den Häftling für die Sache einzuspannen!

Hauk: „You flew the Gullfire over Leningrad. You know how to get in quiet. You’re all I got.“ Der Schriftsteller William Gibson bezeichnete diese Art „Throwaway Line“ als prägend für Science Fiction im Allgemeinen und für seine eigene Arbeit im Speziellen: „Dieser eine, kurze Moment war bestes Beispiel für gelungene Sci-Fi: Dass eine nebensächliche Referenz unglaublich viel implizieren kann.“

So wie in Battys legendärer „Tears in Rain“-Rede („Blade Runner“) mit dem „Tannhäuser Gate“ ist es gerade diese Nebensächlichkeit, die Andeutung, die unsere Fantasie auf Reisen schickt.

Nicht weniger beeindruckend die Vita Plisskens, sie erscheint wie aus einer anderen Welt, Hauk – einst bei den Special Forces „Texas Thunder“ (die Namen!) – liest sie vor:“ American, Lieutenant: Special Forces Unit „Black Light“. Two Purple Hearts, Leningrad and Siberia. Youngest man to be decorated by the President. Then you robbed the Federal Reserve Depository… life sentence, New York maximum security penitentiary. I’m about to kick your ass out of the world, war hero!“

9f1c73b08694476696fb46c93a4df6b9

15. Das Filmplakat warb mit der umgefallenen, mitten in Manhattan gelandeten Freiheitsstatue. Im Film steht sie noch an ihren Platz, aber die Produzenten wollten mehr Dramatik und Aufmerksamkeit um die Leute ins Kino zu holen.

In „Cloverfield“ landete dann 27 Jahre später zumindest der Kopf der Statute of Liberty zwischen den Wolkenkratzern.

escape_from_new_york_41626

16. Der Filmtitel auf den Plakaten wird in der Schriftart Dafont ausgespielt, die militärisch wirkende Typografie ist in den Polizeistationen zu sehen:

9f48f92829d93d9059c6174a3f50ce42.117518

Die Schrift im Vorspann wurde nach „Escape from New York“ zu Carpenters Markenzeichen – Albertus:

escape-from-new-york-hd-movie-title

17. Wow!  In seiner Nebenrolle als Romero lieferte Frank Doubleday eine der wohl unheimlichsten Darstellungen eines Psychopathen überhaupt ab. Viertel Kinski, Viertel Ghul, Viertel Pazuzu, Viertel Pantomime. Perfekter Kumpane des hühnenhaften, glatzköpfigen, mit Brummbär-Stimme gesegneten Isaac Hayes.

Sogar im Sterben sieht sein Romero unfassbar abscheulich aus; seine Bewegungen sind echte Kunst. Auch hier haben die Deutschen in ihrer Bearbeitung eine recht eigensinnige Wahl getroffen, diesmal betrifft es die Synchronisation: Mit Messer im Bauch quietscht Romero wie ein Schwein auf der Schlachterbank. Im Original kratzt er, viel wirkungsvoller, einfach nur ab, atmet seinen letzten Hauch aus und klingt wie eine leise weinende Katze, mit einer Grimasse, die Munch gefallen hätte.

Carpenter benannte die Figur des Schauspielers, der nach seinen Leinwandauftritten passenderweise als Schauspiellehrer und Regisseur fürs Theater arbeitete, nach Horror-Regisseur George A. Romero. Doubleday, der laut „imdb“ zuletzt 1997 in einer Rolle zu sehen war (in „X-Factor“) beeindruckte bereits in Carpenters „Assault On Precinct 13th“, als „White Warlord“. Wer ihn in beiden Filmen gesehen hat, wird ihn nie wieder vergessen.

giphy

Twitter:@sassanniasseri

Keystone-France Gamma-Keystone via Getty Images
Universal History Archive UIG via Getty Images
Boris Spremo Toronto Star via Getty Images
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates