A Man of Farne and Fortune

Der Mann auf der Treppe will nach Hause, schnell nach Hause. Ein Rest Höflichkeit nötigt ihm noch Einsilbiges für die späten Gratulanten ab, doch seine Mimik spricht eine andere Sprache, Als man ihm dann auch noch wohlgemeinte Geschenke in die Hand drücken will, entschwindet er flugs in die kühle Juni-Nacht Dabei hätte Fame allen Grund gehabt, gelassen hof zu halten, nachdem er sich selbst das schönste Geschenk zum 55. Geburtstag gemacht hatte: eine 19köpfige „Birthday Big Band“ liebevoll Jazz Rottweilers “ genannt -, die ihn mit Gästen und alten Weggefährten wie Zoot Money und Ben Sidran zwei kurzweilige Stunden lang durch die eigene Geschichte gefuhrt hatten – „A cool gig indeed“ („Mojo“-Magazin).

Im Auftrag einer Plattenfirma war ich nach London gereist Der zuständige Musik-Manager, Fame-Fan der zweiten Stunde, hatte angefragt, ob ich nicht Lust hätte, an einer geplanten Retrospektive mitzuarbeiten; es gebe im Archiv diverse, bislang unveröffentlichte Perlen aus den Sechzigern und vor allem Siebzigern – Jahre, die zweifellos seine fruchtbarsten waren.

Als Pianist bei den Blue Flames, zuvor Begleitband von Billy Fury, hatte sich Fame einen Namen gemacht. Im Londoner Jazzkeller „Flamingo“ spielte man zunächst eine bunte Mischung aus Blues, Jazz und Rock’n‘ Roll, bis Fame die Hammondorgel entdeckte und zu seinem Trademark machte. Wenn auch beeinflußt von Booker T. und Jimmy McGriff, entwickelte Fame schnell einen eigenen Stil und konnte Mitte der 60er Jahre ein halbes Dutzend Single-Hits landen; „Yeh eh“ und „The In Crowd“ waren die bekanntesten. Nachdem sich ein solistischer Exkurs in unkommerziellere Gefilde als Sackgasse erwiesen hatte, trommelte Fame 1974 die Blue Flames noch einmal zusammen, um seine unorthodoxe Melange aus Jazz und Pop wieder zum Leben zu erwecken.

An Material war also kein Mangel, als wir uns im Sommer ’97 auf den Weg nach London machten, um mit Fame die Details abzustimmen. Die Vorarbeit war zu diesem Zeitpunkt schon getan: Bänder wurden angefordert, kopiert, abgehört, für gut oder schlecht befunden – die Struktur der 3-CD-Box stand in groben Zügen. Fame trat an jenem denkwürdigen Abend mit Van Morrison auf- der auf der Bühne (!) seine halbe Band (nicht aber Fame) feuerte. Es wurde danach eine lange Nacht, in deren Verlauf Fame viele Käsebrote aß, viele Biere trank, viele alte Songs wiederhörte. Morgens um Vier torkelte er schließlich zum Taxi, auf den Lippen ein frohes „Dir müßt mich unbedingt zu Hause besuchen“.

Gesagt, getan. Der Mann aus Lancashire residiert heute auf einem Landgut, zwei Zugstunden südwestlich von London. Wo früher Viecher hausten, hängen jetzt Memorabilia aus fast 40 bewegten Musikerjahren an den Steinwänden. Viele Stunden hocken wir beisammen, hören Stück für Stück die Tracklist durch. Fame kramt in seiner Erinnerung – nach Anekdoten, Musikern, Querverweisen. Nur: Keine Fotos bitte! Seine Privatsphäre hütet er wie einen Schatz; Lebensgefährtin Suzy verrät uns, wie sehr wir uns geehrt fühlen dürften, überhaupt hier zu sein; seine Gastfreundschaft schließe Menschen aus Musikindustrie und Journaille gewöhnlich nicht ein. „The In-Crowd“, so heißt die nun komplette Dreier-Box, dokumentiert vor allem jene „lost Island years“ Mitte der 70er-Jahre, als Fame zwar mit Top-Musikern und Stilen von Brazil über Reggae bis Country rummachte, dann aber zusehen mußte, wie alles im Archiv verschwand. „Warum?“ – diese Frage versucht allein er selbst zu beantworten; andere Zeitzeugen bleiben leider stumm. Ex-Island-Chef Blackwell läßt Fax-Anfragen unbeantwortet; ärgerlicher noch ist das Schweigen des Produzenten Glyn Johns. Zwar gelingt es, Kontakt mit dem Studioveteranen aufzunehmen, doch auf mehr als zwei knappe Minuten zwischen Tür und Angel läßt er sich nicht ein.

Bleibt nur der langjährige Gefährte Colin Green. Der joviale Gitarrist heute „musical director“ für Shirley Bassey – redet offen über das Ende der Original-Blue Flames und alkoholisierte Auszeiten der Vergangenheit. Als wir vom anstehenden Geburtstagskonzert berichten, zeigt Green jedoch eine betretene Miene und gesteht peinlich berührt, daß er noch keine Einladung bekommen hat – und wohl auch keine bekommen wird. Fame braucht niemanden, der ihm die allzu verbrämten Erinnerungen geraderückt Er ist sich selbst zum strengsten Richter geworden.

Der Rest sei – eins seiner Lieblingswörter – „record Company politics“.

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