Alles wird zum musikalischen Mischmasch: Die englischen Tüftler Rockers HiFi und ihre magischen Klangkulissen

Solche Menschen stehen normalerweise hinter dem Tresen gutsortierter Plattenläden. Dick Wittingham und Glynn Bush von Rockers HiFi haben alles gehört, sie waren irgendwie immer dabei. Der eine kam, wie so viele andere, kurz nach den Gründertagen des Punk zum Reggae, arbeitet seitdem als DJ, der andere spielte in diversen Bands diverse Stile, und gemeinsam erfuhren sie 1987 durch Acid House einen neuen Kick. Die beiden Männer aus Birmingham befinden sich in der zweiten Hälfte ihrer Dreißiger, da ergrauen die Haare, und gelegentliche Adrenalinschübe pumpen einen nicht mehr aus der Bahn. Aber sie zeitigen noch immer große Ergebnisse, wenn sie richtig gelenkt werden.

Enthusiasmus, Sensorium, Technik – das sind die Säulen, die die Kunst von Rockers HiFi tragen. Mit „Mish Mash“ hat das Duo jetzt sein Meisterwerk vorgelegt, einen Hybriden aus Dub und House. „Für mich hatten diese beiden Stile immer dieselbe Art von Flow“, erklärt Glynn Bush. Flow ist das Zauberwort, der Schlüssel, die Sehnsucht. Der Flow spült Rockers HiFi durch die Genres: von Dub zu House, und auf der Welle bremsen sie kurz auch mal bei HipHop oder Drum’n’Bass oderAmbient ab.

Wer sein Album „Mischmasch“ nennt – oder „Kraut und Rüben“ oder „Leipziger Allerlei“ -, der muß in der Hinterhand ein Rezept gegen Beliebigkeit haben. Das Kreuzüber als Selbstzweck ist keine Leistung. Die Tracks auf „Mish Mash“ sind im Gegensatz zu denen des Vorgängers „Rockers To Rockers“ im Zusammenhang ersonnen, ein ausholendes Schwingen hält alle zusammen. Der Flow, eben.

Als Sicherheit gibt es jedoch auch formale Verknüpfungen, die das Album vor dem Auseinanderfallen schützen: Das „Theme From Mish Mash“, in vier Episoden unterteilt, ist eine Mischung aus funkigen Suspense-Drums und Ambient-Klängen. „Die Serie ‚Starsky & Hutch‘ war wichtiger Teil meiner Jugend“, erklärt Bush ernsthaft. „So klänge der Soundtrack gelungen, hätten ihn Rockers HiFi komponiert.“

Bleiben wir beim Krimi. Einer der auffälligsten Songs heißt „Going Under“ und ist Beat Noir im Stil von Tricky. Gast-Rapper Patrick Plummer malt ein düsteres Szenario. Kokain, Regen, Lebensunlust, Sie wissen schon. Tatsächlich gießt es im deprimierenden Gleichmaß. Wittingham, der Gras dem weißen Pulver vorzieht: „Patrick hat sich den Text aus dem Stand ausgedacht, gleich der erste Take funktionierte. Magisch. Outside it pissed down like hell – Patrick hat bei den Aufnahmen einfach ein Fenster geöffnet“ Solche Improvisation lieben die Tüftler. Sie sehen sich als Workshop. Glynn Bush findet zwar die Vorstellung angenehm, daß sich nach der Gitarren-Euphorie der 80er Jahre die Menschen mit einem Sampler in ihr Schlafzimmer zurückziehen, trotzdem betreiben Rockers HiFi ihren Job nicht als Solitäre. Die Beats werden oft von einem Schlagzeuger geliefert, und die Bässe lassen sie live in den Sequenzer spielen. Stimmen engagieren sie bei Bedarf. Neben Plummer hat auch Phoebe Esprit einen festen Platz in den Credits. Für „Fuzzwalk“, den Hit des Albums, gaben sie ihr nur die unwalking bassline. „Auch Phoebe improvisierte. Sie beschrieb die Situation, den Vibe, die Leute um sie herum.“ Wichtig: das Aufgreifen und Abtasten von Klang. Regenschauer, Bachfugen, Easy-Listening-Obskura – im Prinzip ist alles nutzbar. Hauptsache, es fließt, egal aus welcher Quelle. „We use the sound for its own sake“, so Bush. „Die Erkenntnis, daß er irgendwo herkommt, ist aber schon wichtig. Schließlich arbeiten wir ja nicht digital, also nicht in einer Kunstwelt.“ Ein entscheidender Punkt für die beiden Analogfanatiker. „Es gibt digitalen Dub, der mit den gleichen Techniken wie klassischer Reggae arbeitet. Trotzdem können die Fans von jamaikanischem Reggae mehr mit unserer Musik anfangen. Wir sampeln originale Sounds, und das ist einfach wärmer.“ Rockers HiFi sagen deshalb entschlossen: Digital ist scheiße!

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