Auch Udo Walz ist born to run: Bruce Springsteen triumphiert beim einzigen Deutschland-Konzert

Bürgermeister Klausi Wowereit und Haareschneider Udo Walz sitzen kaum einen Block von einander entfernt, doch es kommt nicht zum Zusammenschluss: Nur die reschen Leibwächter in gedeckten Anzügen eilen durch die Reihen, man kennt sich vom Küsschen hier und da. Claudia Roth, durch Ton Steine Scherben gestählt, wogt am Ende selig mit und wird am nächsten Tage sagen, der kämpferische Bruce Springsteen habe sie von der Notwendigkeit zum Kampf um Amt und Mandat überzeugt.

Nun war Springsteens Charisma schon an manchem Schuld, aber die Ermunterung der grünen Knalltüte ist ihm nicht anzulasten. Der Mann, der den Rock’n’Roll zwar nicht erfunden, aber ganz im Sinne Tom Pettys aus den Klauen von Profiteuren, Gschaftlhubern und Wichtigtuern befreit hat, weiß zum Glück nichts von der Entourage auf der Tribüne, die wiederum nichts weiß von den Hundertschaften, die seit dem Morgen vor der Radrennbahn-Arena Wache hielten, um zu den Glücklichen direkt vor der Bühne gehören zu dürfen. Italiener und Spanier sind wie stets darunter, die gerade noch in Barcelona jubelten.

Die Nachrichten von dort, auch via MTV übertragen, klangen erfreulicher als vorherige Meldungen von der Tournee in den USA. Springsteen hatte das starre Programm gelockert und bezwingende alte Kracher wie „The Promised Land“, „Prove It All Night“ und „Backstreets“ eingeworfen. Die europäischen Konzerte übertrafen alle Messen, die Springsteen und die E Street Band zur Wiedervereinigung 1999 abgehalten hatten. War Springsteen damals Zeremonienmeister, Gospel-Prediger und Zirkusdirektor in einer Person, so kommt er diesmal einerseits als empathischer Beschwörer von Liebe, Vergänglichkeit und Ewigkeit nach dem 11. September, andererseits als der cool rocking daddy, der er nach, „Born In The U.S.A.“ so lange nicht mehr war, also als Beschwörer von Liebe, Vergänglichkeit und Ewigkeit.

Und so nimmt der Tross, verstärkt von der Geheimwaffe Suzie Tyrell an der Geige, mit „Lonesome Day“ nur langsam Fahrt auf, taucht unvermutet ein in „The Ties That Bind“, inszeniert bei „Waiting On A Sunny Day“ das erste Mitsingen. Bruce macht die sogenannte Rutsche am Bühnenrand entlang, den fliegenden Steuermann am Mikrofonständer, den Gitarren-Überschlag, später bei „Mary’s Place“ die Polonäse über die gesamte Bühne. Bei „Badlands“ gibt es im Auditorium kein Halten mehr, „You’re Missing“ und „Empty Sky“ singt Bruce innig und ohne Band-Bombast. „Atlantic City“, „Night“ und „Two Hearts“ überraschen – wenngleich nicht so sehr wie „The Promise“ und „Incident On 57th Street“: Bruce am Klavier, der bewegendste Moment des Abends.

Leider ist es eine Unmöglichkeit zu beschreiben, was losbricht, als die Band nach „Into The Fire“ auf die Bühne zurückkehrt und „Dancing In The Dark“ als Rock-Brett heraushaut, „Ramrod“ als nicht enden wollenden Kindergeburtstag mit Orgel-Ringelpiez, „Born In The U.S.A.“ in einer trotzigen, krachenden Fassung, „Born To Run“ als Levitation. „Spiegel“-Kollege Hüetlin schießt mit den Fingern aus der Hüfte.

Beim Finale will die Band verzögern, während das Publikum mit dem Text vorauseilt. „Maybe we ain’t that young anymore.“

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