Auf die Plätze, fertig – Groove!

Gleiche Produktionsbedingungen für alle: Was passiert, wenn man 14 Kandidaten eine unbefangene Groovebox in die Hand drückt?

Das Musikgeschäft ist auch deshalb ein so illustres Geschäft, weil sich so manchmal auf wundersame Weise „das Eine aus dem Anderen ergibt“. Es gibt da also eine US-Firma namens Tannis Root, die eigentlich T-Shirts, Baseballkappen und anderen Merchandising-Wohlstandmüll herstellt, aber irgendwann mehr wollte als nur Fans einzukleiden. Und auf diesem Wege auch sich selbst – „denn schließlich sind wir auch Fans dieser Musiker“, wie Tannis Root-Sprecher Bill Mooney betont. Die Idee zu einem kleinen, ausgefallenen Projekt reifte heran. „Blut geleckt“, so Mooney, hatte man bereits Anfang der 90er, als die Firma mit dem Erlös der New-Wave-Compilation „Freedom Of Choice“ die US-Abtreibungsbefürworter unterstützte. Im Zuge der Jungfernfahrt trat indes zu Tage, „dass wir keine Zeit haben für den juristischen Kleinkram, für diese nervende Plattenfirmen-Hierarchie“. Also suchten sie sich diesmal lieber gleich eine: Grand Royal. „Ähnlicher Geschmack, gute Ideen“, attestiert man dem Beastie-Boys-Label. Und: Grand Royal passt ja schon phonetisch klasse zu Groovebox.

Groove was? Groovebox. Eine portable Synth-Maschine, in einschlägigen Katalogen für unter 1000 Dollar zu haben, randvoll mit populären Beats und Sounds der älteren und neueren Geschichte elektronischer Musik. Allen potenziellen Kandidaten spendierte Tannis Root eine davon – nur zwei Auserkorene mussten wg. anderweitiger Aktivitäten passen (Stereolab) bzw. antworteten gar nicht (Wendy Carlos). „Wir wollten herausfinden“, definiert Mooney Sinn und Zweck des Projektes, „wie sie mit den absolut gleichen Voraussetzungen ihre Ideen realisieren. Die unterschiedlichen Ansätze sollten sich herauskristallisieren.“

Das tun sie in der Tat auf der 14-Track-Sammlung „At Home with The Groovebox“. Und erfüllen damit das Verdikt von Money Mark, der sich mit seinem Instrumental „Insects Are All Around Us“ zwar funky-bedeckt hält, das Potential der Groovebox aber vor allem „jenseits von Dance-Tracks“ ortet. Man könne dieser Maschine, so der vierte (Ex-)Mann der Beastie Boys, „schon seinen persönlichen Stempel aufdrücken, wenn man ihr nicht gleich die ganze Arbeit überlässt“

Das haben Sonic Youth gewiss nicht getan. Sie wärmen sich am elektronischen „Campfire“, während Synth-Pionier Gershon Kingsley, der sein Brot heute mit Gameshow-Jingles(„Jeopardy“) verdient, seinen 70’s-Klassiker „Popcorn“ aufwärmt. Buffalo Daughter aus Tokyo schalten kurz zurück in die Acid-House-Saison ’88/’89, während Beck („Boyz“) der abgeklärte Eklektiker bleibt. Und „Bonnie Prince Billy“ natürlich kein anderer als Will Oldham: Selbst die Groovebox verleitet den großen Einsamen nicht dazu, aus einer Grabrede eine Sause zu machen selbst wenn sie diesmal „Today I Started Celebrating Again“ heißt. Der Titel „Robyn Turns 26“ firmiert zwar als Pavement, wurde jedoch von Steve Malkmus solo realisiert. „Gerade für Bands ist die Groovebox eine Herausforderung“, vermutet Mooney.

Was Money Mark nur bestätigen kann: „Du kannst das Ding nicht einfach anstellen – und schon läuft alles von selbst. Alle müssen sich einarbeiten, die Funktionen erlernen. Erst wenn die klar sind, kann man gemeinsam Ideen realisieren.“ Mooney: „Das war auch eine Prämisse dieses Projekts, die Frage: Kann elektronische Musik einen kollaborativen Charakter haben oder geht es immer um den einsamen Frickler im Schlafzimmer?“

Klar ist: So wie auf dem – US-Vorschulbüchern nachempfundenen -Cover läuft es schon mal nicht. Da fletzen vier fröhliche Norman Rockwell-Kids auf grüner Wiese in froher Erwartung um eine Groovebox herum. „Die müssen ein verdammt langes Kabel haben – oder aber gleich in den Baum einstöpseln“, kommentiert Money Mark. Er bevorzugt ohnehin ein Batterie-betriebenes, von Steckdosen unabhängiges Vintage Equipment aus den Jahren vor 1982 und nutzte die Groovebox hauptsächlich, um die Groovebox-Yersionen früherer Songs auf den Smart-Chips zu speichern. Also was denn nun: richtiger Sex oder doch bloß Onanie? Die Groovebox, urteilt Money Mark, sei doch eher was für Leute, „die sich gern stundenlang unterm Kopfhörer im Schlafzimmer vergraben und irgendwann eine Pizza kommen lassen.“ Und wenn Sugar Yoshinaga von Buffalo Daughter ihren Freund kommen lässt, darf er eins auf keinen Fall mitbringen: eine Groovebox! Ihr Rat: „Habt euren Spaß mit dem Gerät, wenn ihr allein in Eurer Bude seid.“ Jörg Feyer

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