Bandsalat: Wie man analoge Kassetten ins digitale Zeitalter rettet

Musikkassetten haben ein Verfallsdatum – so digitalisiert man seine analoge Lieblingsmusik am besten.

Man muss schon den Kontinent wechseln, um ihr mal wieder zu begegnen: der Kompaktkassette. Denn in Afrika und Südasien ist sie nach wie vor Tonträger Nummer eins. Das robuste Format trotzt Hitze und Staub, die Abspielgeräte sind billiger und lassen sich leichter warten als digitale Abspielgeräte.

In Europa sieht es ganz anders aus. Nach 40 Jahren Erfolgsgeschichte ging vor fünf Jahren auch in Deutschland die letzte Kassette vom Band. Seither wird der europäische Restbedarf von einer niederländischen Firma gedeckt, die Magnetbänder herstellt und aus ein paar davon Kassetten schneidet. Doch selbst wenn genug Material vorhanden wäre: Es fehlen die Abspielgeräte, spätestens seit Sony 2010 mit dem Ende seiner Walkman-Produktion ein Fanal setzte. Und die alten Geräte? Taugen so wenig wie die Bänder, sagt selbst Peter Dorscheid, Betreiber von Peter’s Werkstatt in Berlin: „Da ist einfach zu viel Technik drin. All die Zwischenrädchen, Antriebsriemen, Andruckrollen. Womit man auch ein Beschaffungsproblem hat: Frische Ware gibt es kaum.“

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Der Reparaturaufwand und die Kosten sind so hoch, dass die meisten lieber ihre Mixtapes, Konzertmitschnitte oder auch Super-8-Streifen digitalisieren – wenn das überhaupt noch geht. Denn selbst wenn man die Kassetten im kühlen, dunklen Keller gelagert hat, bröckelt die Beschichtung nach Jahrzehnten. Es droht Bandsalat oder mindestens altersschwache Tonqualität. Aber wenn die Bänder noch abspielbar sind, braucht man für die Digitalisierung nicht viel Geld, nur ein wenig Zeit: Die Kassetten müssen eins zu eins überspielt werden – also auch mal 45 Minuten pro Seite.

Vier Dinge sind zum Kassettenretten nötig, sagt Andreas Hentschel von der Fachzeitschrift „CHIP“: Tapedeck, Computer mit Soundkarte, Klinkenkabel und passende Audiosoftware. „Wer kein Tapedeck mehr hat, kann auch einen Kassettenrekorder nehmen und verbindet das Gerät im Zweifel über den Kopfhörerausgang mit dem Line-in-Eingang der Computer-Soundkarte.“ Als Kabel dient ein Cinch, die Stereo-Miniklinke sollte 3,5 Millimeter messen. Und wem die Qualität nicht reicht, der nimmt für die Umwandlung von analog zu digital einen externen USB-Audiowandler. Um hinterher Knacken, Rauschen und dumpfen Klang auszuradieren, empfiehlt Hentschel, sich die Gratissoftware Audacity herunterzuladen – „vorausgesetzt, man ist bereit, sich in englische Fachbegriffe reinzufuchsen und jeden Track extra auszuschneiden.“

Einfacher ist es, 15 Euro für eine Servicesoftware wie Magix auszugeben, die automatisch Pausen und Titel erkennt und Restaurierungstools bietet. In Technikmärkten findet man auch sogenannte Kassetten-Digitalisierer, die um die 20 Euro kosten und aussehen wie ein Walkman. Doch Hentschel rät ab: „Die Qualität ist oft lausig.“

Übrigens gibt es einen Trend zurück zur Kassette: Immer mehr kleine Labels, wie Greatberry Tapes, Kitchen Leg Records, TrimTabTapes und Hörsturz, bringen Liebhaberauflagen auf Magnetband heraus.

Ollie Millington/Redferns via Getty Images
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