„Bares für Rares“: Wieso schaut halb Deutschland Trödel-TV?

Die betuliche Plunderverkaufssendung „Bares für Rares“ im ZDF ist vor allem wegen Horst Lichter ein Erfolg. Er ist der Sozial­bär, der Makler und ganz Gemütsmensch, der den Groschen ehrt.

Horst lichter hat aus zwei Leidenschaften eine Fernsehkarriere gemacht: Er kocht gern Hausmannskost, und er sammelt Nippes. In seinem Lokal Oldiethek in Köln hatte er Anti­quitäten und Trödel gehortet, abends stand er selbst am Kohleherd und kochte, was ihm gerade so einfiel. Immer mit viel Butter. Immer mit Döntjes und Sprüchen. Und immer mit Zwirbelbart. So wurde das Fernsehen auf die drollige Plaudertasche aufmerksam: Der WDR drehte einen Film über die Oldiethek, im ZDF war Lichter bald Stammgast in den Koch-Shows von Johannes B. Kerner und später Markus Lanz, und von 2006 an moderierte er mit dem stoischen Steirer Johann Lafer die Nachmittagskocherei „Lafer! Lichter! Lecker!“. Markus Lanz schrieb ein Buch über ihn.

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Lichter ist ein gelernter Koch, aber im Kreis der sogenannten Starköche betonte er stets, dass er nur Einfaches, Rustikales und Bewährtes zubereitet. Umso eloquenter und jovialer parlierte er mit Kollegen und Publikum und wurde auch noch sporadischer Gastgeber beim mittäglichen Wettkochen von Amateuren im ZDF. Das Faible für Trödel etablierte er in einer anderen Sendung: „Bares für Rares“ wirkt wie eine betuliche Mitmachsendung im Sonntagnachmittagsprogramm des WDR – doch Lichters Krämerei, zunächst ein Füller im Mittagsprogramm, ist im ZDF der Renner an Samstag- und Sonntagnachmittagen (nach den Rosamunde-­Pilcher-Schmonzetten). Lichter leuchtet beim belanglosen Geplänkel, er ist der Sozial­bär, der Makler und ganz Gemütsmensch, der den Groschen ehrt.

Freude am Bizarren

Lichter empfängt Menschen, die Zeug etwas unterhalb von Antiquitäten veräußern wollen, von dem sie annehmen, dass es noch etwas wert sei, in einer Art Kontor. Die oft von fern Angereisten sprechen an einem Tresen bei einem Experten vor, der das fragliche Gut sichtet, erklärt und beurteilt und den Preis schätzt, woraufhin der Verkäufer eine „Händlerkarte“ bekommt und in einem höheren Stockwerk („Dann geh mal nach oben“) vor fünf potenzielle Käufer tritt: gewiefte Marke­tender des Schwerverkäuflichen, von angeditschten Spieluhren, Schmuck aus Nachlässen, alten Kommoden und Gemälden und Geschirr und Kerzenhaltern und Lampen und Kinderspielzeug, Kunsthandwerk und tausend skurrilen Gegenständen, bei denen zuerst die Frage geklärt werden muss, worum es sich eigentlich handelt. Hm, es könnte ein Bidet aus dem Jahr 1910 sein, in eine Sitzbank eingelassen und mit Vorrichtungen, die man nicht genauer erörtern möchte, skrupulös restauriert und neu gestrichen! Niemand weiß, was so etwas kosten und wer das kaufen könnte. Die Freude am Bizarren entspricht dem Zauber des Nutzlosen.

Das Bieten und Feilschen gehört etatmäßig dazu, und auch das Läppische der meisten Geldbeträge; Horst Lichter fragt jeden Vorsprecher, was er sich von dem Erlös kaufen würde, und nur selten wird man sich „oben“ nicht handelseinig. Der Verkäufer kann das Angebot natürlich am ­Ende ablehnen – zurück zu eBay. „Bares für Rares“ verbindet aufs Schönste Horst Lichters tutige kölsche Menschelei mit dem behaglichen Fluidum des alten Schamotts, das Erzählen von Geschichten aus vergangener Zeit mit der etwas mürben Spannung beim durchaus nicht hektischen Bieten auf den Plunder. Die Händler überlegen, ob sie Liebhaber finden können – wenn sie es nicht selbst sind. Die paar Scheine zahlen sie direkt aus dem Portemonnaie. Das Prinzip der Trödelei vom Flohmarkt ist hier ingeniös übertragen auf ein Schneckentempofernsehen, so gemütlich wie eine Grammofontruhe und so treuherzig wie Lichters Zwirbelbart­mimik. Ein gefilmtes Hochamt für Nippes und Nebbich.

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