Bundesliga boykottiert Til Schweigers Stiftung

Die gut gemeinte Maßnahme könnte scheitern: Weil ein Sponsor die Klubs mit dem Logo der Til-Schweiger-Stiftung auflaufen lassen will, regt sich Widerstand. Viele Erstligisten boykottieren die Aktion.

aus „Die Welt“, 5. April 2017.

von Jens Bierschwale, Lars Wallrodt

Die Maße sind genau festgelegt. 70 Quadratzentimeter darf das Logo auf den Trikotärmeln der 36 deutschen Fußball-Profivereine umfassen. Es ist ein relativ kleines Stück Stoff. Und doch sorgt es nun für großen Ärger.

Seit dem 1. Januar 2013 wirbt der Logistikdienstleister Hermes auf der Spielkleidung der Bundesligaklubs und der Zweitligisten. Sieben bis acht Millionen Euro lässt sich das Unternehmen sein Engagement jährlich kosten. In diesem Sommer läuft der Vertrag mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) allerdings aus – und vorher möchte Hermes mit einer besonderen Aktion noch einmal für Aufmerksamkeit sorgen.

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Ähnlich wie in der vergangenen Spielzeit will der Logistikdienstleister nach Informationen der „Welt“ am 32. Spieltag nicht mit dem eigenen Firmenlogo werben, sondern hat die sogenannten Ärmelbadges an die Til Schweiger Foundation vergeben. So weit, so schlecht, denn längst nicht jeder Bundesligaklub will der Aktion folgen, das kleine Logo könnte zum großen Politikum werden.

Alles klar, Herr Kommissar?

Die „Welt“ hat eine Umfrage unter allen 36 Profiklubs vorgenommen. Das Ergebnis ist eindeutig. An der freiwilligen Aktion wollen nur sieben Erstligisten teilnehmen, der Rest hat sich dagegen ausgesprochen, noch nicht entschieden oder nicht auf die Anfrage reagiert (siehe Grafik unten). Insgesamt haben sich bislang nur 13 Vereine aus der Ersten und Zweiten Liga vollumfänglich zu der Werbeaktion bekannt, 13 Klubs wollen hingegen am 32. Spieltag, der vom 5. bis 7. Mai ansteht, mit dem „normalen“ Hermes-Logo auflaufen. Hauptkritikpunkt: Es gebe andere karitative Organisationen, die eher für eine Unterstützung infrage kämen. So treibt Til Schweigers Stiftung einen Keil durch die Bundesligen.

Widerstand gegen PR-Aktion

Der VfL Wolfsburg zählt zu jenen Klubs, die sich der Aktion entziehen, weil sie letztlich vom Nutzen nicht restlos überzeugt sind. „Der VfL wird auch am 32. Spieltag das Hermes-Logo tragen, weil wir in unserem eigenen CSR-Engagement unseren erarbeiteten konzeptionellen Überlegungen folgen möchten und fest davon überzeugt sind, dass diese dann auch authentisch und stringent kommuniziert werden müssen“, sagte Wolfsburgs Geschäftsführers Thomas Röttgermann der „Welt“.

Eine Meinung, die viele andere Entscheidungsträger der Liga teilen. „Die Til Schweiger Foundation macht sicher eine gute Arbeit. Das aber machen viele andere Stiftungen und Einrichtungen hierzulande auch, denen weit weniger Prominenz zuteil wird als der Stiftung eines international bekannten Schauspielers“, sagt Christian Frommert, Mediendirektor der TSG 1899 Hoffenheim.

Lieber würde man daher für ein Projekt werben, in dem sich der Klub selbst engagiere. „Wir hätten es begrüßt, wenn es die Wahl gegeben hätte zwischen dem Tragen des Sonderbadges oder eben einer selbst zu wählenden Einrichtung. Alternativ wäre es auch möglich, für ein Projekt zu werben, das eine mediale Unterstützung weit nötiger hat als die Til Schweiger Foundation, die durch ihren Stifter ohnehin eine hohe Bekanntheit erfährt“, so Frommert. „Dass Hermes die Til Schweiger Foundation unterstützen möchte, respektieren wir, aber deshalb müssen aus unserer Sicht nicht alle Profiklubs diese PR-Aktion mittragen.“ Seine TSG werde daher am 32. Spieltag mit den normalen Hermes-Badges auflaufen.

„Aus unserer Sicht eine Verwässerung“

So halten es auch zwölf andere Vereine aus den beiden höchsten deutschen Fußball-Spielklassen. „Wir haben großen Respekt vor den Initiatoren und Gründern der Til Schweiger Foundation, würden diese einmalige Gelegenheit aber lieber für unsere eigenen stiftungsähnlichen Initiativen nutzen“, sagt Leverkusens Sprecher Dirk Mesch. „Da wir versuchen, jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen, um die vereinseigenen sozialen Aktivitäten zu bewerben, wäre diese Ärmelaktion eine ideale Gelegenheit und perfekte Ergänzung, um aufmerksamkeitsstark und sinnvoll auf die klubeigenen Stiftungen hinzuweisen. Die einmalige Ärmelaktion zugunsten der TSF führt aus unserer Sicht zu einer Verwässerung. Der Nutzen ist auch aufgrund der fehlenden flankierenden medialen Maßnahmen aus unserer Sicht sehr überschaubar.“

Das sehen sie auf Schalke ähnlich: „Wir haben mit unserer Entscheidung keine Bewertung der Arbeit der infrage kommenden Stiftung vorgenommen, deren Engagement wir begrüßen“, sagt 04-Mediendirektor Thomas Spiegel. „In der Flüchtlingshilfe engagiert sich unser Klub jedoch schon lange selbst sehr aktiv mit seiner Stiftung ‚Schalke hilft!‘. Es erscheint uns daher wenig zielführend, aktiv auf unserem Trikot zusätzlich auf eine andere wohltätige Organisation hinzuweisen.“

Mit dem Hamburger SV hat sich ein weiterer Traditionsklub gegen ein Mitwirken entschieden. „Es erreichen uns wöchentlich und täglich Anfragen, gemeinnützige Aktionen zu unterstützen. In jedem Einzelfall gibt es sicherlich berechtigte Gründe, diesen guten Zweck zu unterstützen. Gerade deshalb müssen wir als HSV eine Abgrenzung definieren und uns nach klaren Richtlinien engagieren“, sagt Klubsprecher Till Müller. „Auf dieser Grundlage und auf der eines nachhaltigen sowie klubbezogenen gesellschaftlichen Engagements haben wir uns letztlich dagegen entschieden, an der freiwilligen Aktion von Hermes teilzunehmen.“

Andere Vereine wie Branchenführer Bayern München oder der so furios auftretende Aufsteiger RB Leipzig wollen dem Aufruf folgen und in einem Monat mit dem Logo der Foundation werben. Der Rekordmeister begrüße die Aktion, heißt es etwa aus München. Til Schweigers Zuneigung für den Klub dürfte den Entschluss sicher befeuert haben. Auch andere Vereine unterstützen das Vorhaben der Stiftung des 53-jährigen Schauspielers und Regisseurs. „Diese Foundation kümmert sich unseres Wissens nach um Kinder und Jugendliche, und auch unser soziales Engagement im Rahmen vom ‚Kleeblatt fürs Leben‘ setzt einen Schwerpunkt im Bereich Kinder und Jugendliche. Es gibt für uns daher keinen Grund, nicht dem Wunsch von Hermes zu entsprechen“, sagt etwa Immanuel Kästlen, Medienleiter beim Zweitligisten Greuther Fürth.

Große Uneinigkeit unter den Clubs

In der Tat setzt sich die im Sommer 2015 gegründete Stiftung in erster Linie für benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie für die Integration von Flüchtlingen ein. Nach eigener Auskunft hat sie das Ziel, „Kindern einen freien, geschützten Raum zu geben, um sich entfalten und entwickeln zu können“. Der Stiftungszweck werde verwirklicht insbesondere „durch die Unterstützung von Maßnahmen, die unter anderem benachteiligten Kindern und Jugendlichen Lebenshilfe und Orientierung bieten, die Flüchtlingen sowie aus anderen Gründen traumatisierten Kindern und Jugendlichen helfen, die sich gegen Rassismus und Gewalt richten und damit internationale Gesinnung und Toleranz fördern“.

Die Deutsche Fußball Liga hatte die 36 Profivereine am 27. März über die geplante Aktion zur Unterstützung der Stiftung informiert und ihnen ein Mitwirken freigestellt. „Es gibt keine Partnerschaft der Liga mit der Til-Schweiger-Stiftung. Die DFL ist lediglich dem Wunsch des Ligapartners Hermes nachgekommen und hat das Anliegen an die Vereine weitergeleitet. Die Teilnahme an der Aktion ist in Übereinstimmung mit Hermes freiwillig“, teilte ein DFL-Sprecher auf Anfrage mit.

Trotz der Freiwilligkeit herrscht aber große Uneinigkeit unter den Klubs. Bereits vor eineinhalb Jahren waren ähnliche Reaktionen zu erkennen gewesen. Damals hatten die Klubs nicht mit dem Hermes-Logo, sondern für die Flüchtlingsaktion „WIR HELFEN“ werben sollen. Einige Vereine wie der FC St. Pauli verweigerten die Unterstützung und verwiesen auf ihr ohnehin schon bestehendes Engagement in diesem Bereich.

Ärger um den richtigen Sponsor wird es zumindest ab der kommenden Saison nicht mehr geben. Dann dürfen alle 36 Profiklubs die Fläche auf den Trikotärmeln eigenständig vermarkten.

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Infografik / Die WELT
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