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Burt Bacharach im ROLLING-STONE-Interview: „In Berlin hatte ich das schönste Konzert meines Lebens“

Burt Bacharach ist tot. Im großen ROLLING-STONE-Interview von 2019 sprachen wir mit ihm über seine besondere Beziehung zu Marlene Dietrich, den Preis des Musikerlebens, den größten Moment seiner Karriere und Barack Obama.

Aus dem Archiv, Juli 2019:

Als wir Burt Bacharach (91) um 12.50 (Ortszeit) in seinem Haus in Los Angeles erreichen, hat er schon eine knappe Stunde am Klavier gesessen.

Mit ‚Live To See Another Day‘ haben sie einen Song gegen die Gewalt an US-Schulen geschrieben. Das ist weit weg von ihren Love-Songs. Entdecken wir jetzt den politischen Burt Bacharach?

Nein. Ich habe damals schon einen Song gegen den Vietnamkrieg geschrieben. Es ist eine Pflicht für jeden Künstler, seinen guten Namen im Kampf gegen Ungerechtigkeiten einzusetzen. Ob Gewalt an den Schulen oder Klimawandel – wir müssen jetzt kämpfen, um unseren Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.

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Wie komponiert man einen Millionenhit?

Spielen im besten Sinne des Wortes: improvisieren, sich treiben lassen, ausprobieren. Dann ist plötzlich eine Melodie da, die einen nicht mehr loslässt. Das ist immer wie ein Fund, verbunden mit einem großartigen Glücksgefühl.

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Entstand so auch „Raindrops Keep Fallin‘ On My Head?“

Da hatte ich den Schauspieler Peter Sellers vor Augen, der im Film ‚What’s New, Pussycat?‘ einen durchgeknallten Psychiater spielte. Sie inspirierte mich zu dieser schwungvollen Melodie.

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Vor ihrem Durchbruch waren sie ab 1957 mit Marlene Dietrich auf Tour.

Sie rief mich 1956 an, lud mich zu einem Konzert nach Warschau ein, erwartete mich am Flughafen im Schnee. Sie trug einen Dior-Schal und goss mir einen Wodka ein…

Sie wurden ihr musikalischer Leiter, es wird gemunkelt, dass da noch mehr war.

Stimmt nicht (lacht), ich habe mich auf die Musik konzentriert.

Sie hat sie in ihrer Biographie ‚Nachtgedanken‘ als ihren wichtigsten Mann bezeichnet.

Das finde ich wunderbar.

Burt Bacharach (1975)
Burt Bacharach (1975)

Musik ist ihre Passion und kostet dementsprechend viel Zeit. Kann man da einem Menschen, den man liebt, noch gerecht werden?

Das ist nicht leicht. Als Musiker leben sie allein auf einer Insel, in sich versunken wie bei einem Gebet. Sie kommen ständig zu spät zu Verabredungen – ob es nun das Abendessen mit der Familie ist oder ein wichtiges Date…

Sie sind drei Mal geschieden worden – war das der Preis?

Es könnte sehr dicht damit in Zusammenhang stehen. Aber ich kann Ihnen versichern: Heute weiß ich sehr gut, wie viel es wert ist, Frau und Kinder zu haben.

Wer Klavier spielt, dem fliegen die Herzen der Frauen zu – stimmt das?

Es wertet auf. Ein Beispiel: An der Highschool war ich ein wirklich schlechter Football-Spieler. Da fiel ich bei den Girls durch. Aber ich hatte eine kleine Band – schon stiegen die Chancen wieder…

Sie haben in Ihrem Leben mit so gut wie allen Weltstars zusammengearbeitet – gibt es eine Begegnung, die besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja. Und sie gilt nicht einem Profi-Musiker sondern einem sehr musischen Menschen. Die Verleihung des Gershwin-Preises an meinen Partner Hal David und mich am 8. Mai 2012 im weißen Haus war der größte Moment meines Lebens. Ich bitte Sie: Sie sitzen neben dem Präsidenten der USA und Künstler wie Stevie Wonder spielen ihre Musik! Mehr geht einfach nicht!

Wie musikalisch ist Barack Obama?

Er kennt sich in der Literatur aus, hat Gefühl für Takt und Rhythmus, swingt sofort mit – ich glaube, er könnte ein wunderbarer Musiker werden.

Barack Obama und Burt Bacharach
Barack Obama und Burt Bacharach

Wissenschaftler wollen nachgewiesen haben, dass Klavierspielen vor Demenz und Alzheimer schützt. Was halten Sie davon?

Das stimmt! Klavierspielen ist hervorragend, um sich geistig fit zu halten. Und allen, die glauben dass man jahrelangen Unterricht brauchte, rate ich einfach einmal herum zu klimpern und das Instrument spielerisch zu entdecken. Wir hatten jüngst hier in L.A. ein Projekt, bei dem Menschen, die unter Alzheimer litten, an das Klavierspielen heran geführt wurden. Es brachte ihre Erinnerungen zurück. Das Spielen kann also ein tolles Mittel gegen Alzheimer sein kann.

Sie sind 91 Jahre und treten immer noch auf. Woher nehmen Sie die Energie?

Ich habe mit meiner Musik etwas, was mir unglaublichen Spaß macht und was mich antreibt und meine Leidenschaft ist. Diese Leidenschaft hält mich geistig fit und meine Seele in der Balance. Es ist übrigens ganz egal, was sie tun, ob sie ein Instrument spielen, aufräumen oder etwas reparieren – lieben sie das, was sie tun, ist es das richtige und wird Ihnen Glück schenken.

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Sie spielen in wenigen Tagen in Hamburg und in München. Wie bedeutet es für Sie, in Deutschland aufzutreten.

Sehr viel. Das letzte Mal war ich 2018 in Berlin und es war wirklich das schönste Konzert meines Lebens. Jedes Konzert ist anders, manchmal muss man um das Publikum werben und Zurückhaltungen auflösen, vielleicht sogar kämpfen. Aber in Berlin waren wir – das Publikum und ich, verbunden durch die Musik – von Anfang an eine Einheit. Zum Schluss sangen wir alle „Raindrops keep falling on my head“, das war unglaublich. In Hamburg und München werde ich alles dafür tun, dass es wieder solch unvergesslichen Momente gibt.

Das Gespräch führte Volker Tackmann. Dieser Artikel erschien zuerst in BILD am Sonntag. 

Burt Bacharach auf Deutschland-Tour 2019: Termine

  • 07.07. Hamburg, Elbphilharmonie
  • 09.07. München, Philharmonie
Richard Davis Redferns
BRENDAN SMIALOWSKI AFP/Getty Images
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