Buyer’s Guide: Die besten Alben von Aztec Camera und Roddy Frame

Der Kopf von Aztec Camera galt als Vorreiter des Post-Punk – und wurde zum Meister des Pop: Ein Überblick der Alben von Roddy Frame

Essenziell

High Land, Hard Rain (1983)

Das Wunderkind. Die Songs standen, als er 16 war; mit 19 veröffentlichte er das Debüt. Nur Schotten können über den Irrsinn lachen, schöne Strände, aber schlechtes Wetter zu haben, was zu sehnsuchtsvollen Blicken über das kalte Meer führt – auch so entsteht große Musik. Aus Roddy Frames Texten spricht eine seltene Mischung aus Weisheit, ohne dabei altklug zu sein, und Begeisterung darüber, noch jung zu sein: „Despite what they’ll say, wasn’t youth, we hit the truth.“

Die Glasgower Post-Punk-Szene versuchte den Gitarristen zu vereinnahmen, aber Frame interessierte sich für Latin, Jangle und Pop: „Ich habe mehr mit Paul Simon gemein als mit Bands wie The Birthday Party. Sollen so viele Leute wie möglich deine Musik hören, oder nicht? Ich würde lieber vor hunderttausend Leuten spielen als vor hundert. Simon & Garfunkel treten im Central Park auf und sind trotzdem keine Kompromisse eingegangen. Sie komponieren, was sie wollen. Zu solchen Musikern fühle ich mich hingezogen.“ Schottischer Wind durchpflügte Frames Gesicht. Aber wen kümmern graue Wolken und miese Brise bei solchen Melodien?

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Knife (1984)

Frame ließ die Produktion von einem Mann der Stunde, Mark Knopfler, betreuen. Nun sang er davon, die Nummer eins sein zu wollen, die Lieder tragen motivierende Titel wie „Still On Fire“. Frame experimentierte mit Songlängen und karibischem Flair und vertraute der Wirkung von nur acht Stücken. Doch im aufregendsten britischen Musikjahr des Jahrzehnts, dem Jahr junger Meister wie Morrissey oder George Michael, erlebte der 20-Jährige seinen ersten Misserfolg.

Der Schmerz prägt seine Karriere womöglich bis heute – und Frame wollte nun erst recht nicht mehr wie noch auf dem Debütalbum klingen. Doch das Wunderkind stand fortan unter strenger kritischer Beobachtung.

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Dreamland (1993)

Zum zweiten Mal ließ Frame sein Album von einem unerwarteten Mentor produzieren: diesmal Ryuichi Sakamoto. Der Yellow-Magic-Orchestra-Musiker erschuf weiche Soundwiesen, aus denen Songs wie „Valium Summer“ sprießen und in denen Frame, verewigt in „Birds“, endlich seine Meisterschaft der Zauberhaftigkeit erreicht. Jeder Ton schwebt wie eine Blase gen Himmel. Selbst Trompete und Geige verkünden Frieden. Die Folk-Skizze „Spanish Horses“ schafft es heute noch in seine Live-Sets.

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Roddy Frame – Seven Dials (2014)

Auf seinem bis heute letzten Album blickt Frame durchaus humoristisch auf sein Pech („Forty Days Of Rain“) zurück. Aber es überwiegt ein Gefühl der Nostalgie, vielleicht auch der Traurigkeit darüber, Amerika (also eigentlich die Welt!) doch nicht erobert zu haben. „What you gonna do about your life? Who we gotta sue to get it right? Anyway you choose, it’s just a ride“, singt er im kalifornischen „Postcard“ und spielt dazu sein Flamencogitarren-Solo aus dem Klassiker „Oblivious“. Als Musiker hat Frame mit 50 Jahren Vollendung erreicht. Er malt mit Instrumenten: Hier ein Strich, dort ein Tupfer – das Stück „Into The Sun“ ist ein Gemälde.

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Lohnend

Love (1987)

Das Amerika-Album. Frame rollte jedes R amerikanisch, engagierte Gospelsängerinnen, erweist Aretha Franklin mit „R.E.S.P.E.C.T“-Reverenz, orientierte „Working In A Goldmine“ an Dylans „North Country Blues“ und sang, in Anlehnung an Stevie Wonder: „Cause love is a giving with no need of return.“ Alles drin. Frame trug Tolle und Lederjacke und schrieb mit „Somewhere In My Heart“ tatsächlich einen Hit (Platz 3, aber nicht in den USA, sondern im UK). Er könnte das Vorbild für Arctic-Monkeys-Sänger Alex Turner gewesen sein, der sich optisch wie auch als Komponist vom britischen Street-Kid immer mehr in Richtung Rock’n’Roll-Epigone entwickelte.

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Frestonia (1995)

Aztec Camera war stets ein Soloprojekt – nach diesem Album trat Frame nur noch unter seinem Namen auf. Ein letzter Versuch mit größerem Budget, eine Art Americana-Album, erträumt in Frestonia in Notting Hill: „Well, baby, I never said I was gonna be Jesus!“, ruft Frame in „Rainy Season“ geradezu defensiv und startet die Reise Richtung Singer-Songwriter. „Life is a long walk home“, heißt es wiederum in „Phenomenal World“, was beides bedeuten kann: Glückseligkeit im hohen Alter – oder Glückseligkeit doch erst im Tod. Im Britpop-Jahr 1995 jedenfalls hatte der Mann, der mit 31 bereits ein Veteran war, keine Chance. Platz 100 in den britischen Album-Charts, sein bisheriger Tiefpunkt.

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Roddy Frame – The North Star (1998)

Das „Solodebüt“ ist sein am schwersten erhältliches Album und geprägt von Kämpfen – die geplante Single „Sister Shadow“ etwa blieb unveröffentlicht. Zehn superbe Songs über den Blick in den Rückspiegel, wenn auch seine Stücke zum ersten Mal so klangen, als wären sie an keine Zeit gebunden. Der Musiker Frame, immer noch jung (erst 34), wurde als historische Person gewürdigt, etwa in der BBC-Reihe „Songwriters’ Circle“. Mit „Autumn Flower“ eröffnete er seine Spaziergänger-mit-dem-Notizblock-Phase; es gehört unzweifelhaft in den Kanon der ewigen Lieder über Naturbeobachtungen.

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Roddy Frame – Surf (2002)

Ein zwiespältiges Erlebnis, wie jedes grundsätzlich gelungene, solo nur mit Akustikgitarre eingespielte Album: Songs wie „Big Ben“ und gerade „Small World“ sind derart überwältigend, dass man ihnen den dramatischen Nachdruck durch ein Band-Arrangement wünschen würde, das auch deutlichere Tempowechsel mit sich gebracht hätte. Frame kann sich den Luxus des Verzichts dennoch leisten.

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Roddy Frame – Western Skies (2006)

In Trio-Besetzung nahm Frame ein gegenüber „Surf“ nur leicht angespecktes Album über falsche Träume („Rock God“) auf. Flankiert wurde es jedoch von zwei Live-Platten mit ihm als Sologitarristen („Ronnie Scott’s“, „Osaka“), die sein damaliges Bedürfnis nach Reduktion unterstreichen.

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Schwächer

Stray (1990)

Unter Mithilfe von Clash-Gitarrist Mick Jones („Good Morning Britain“) entstand ein zu aufgedrehtes Britrock-Album mit gelegentlichen Text-Ausrutschern: „Life’s a one take movie“ – er hat’s halt mit „Life is“-Vergleichen. Frame trug nun Mopp-Frisur und Tarnjacke. „The politicians gaze across it’s slime/ I need another way to waste my time/ Get outta London, get outta London.“ Er war im Fluchtmodus. Er war nicht ganz bei sich.

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Buch

The Lyrics

Frames schönste Zeilen sind „Who needs the movie?/ You can see the music anyway“ aus „Stray“. Von fast genialischer Prägnanz ist sein melancholischer Blick auf die Unberechenbarkeit des Alterns: „Life is -strange/ Things change“ („In Orbit“). Und schon mit 16 Jahren war ihm klar, dass gerade Anmut die größtmögliche Angriffsfläche bieten kann: „What do you mean by beauty?/ I -hope you know the consequences.“ („Orchid Girl“).

Preziosen

Raritäten und Obskuritäten

„Real Tears“

Orange-Juice-Drummer Steven Daly bezeichnete das erste Aztec-Camera-Demo als „Patchwork aus Joy Division und The -Cure“ – leider hat er recht.

„The Spirit Shows“

Schon besser: 1980er-Demo vom unveröffentlichten „Green Jacket Grey“-Album. Reife und Melancholie – alles bereits angelegt im Teenager Frame.

„Just Like Gold“

Die erste Single von 1981 ist bis heute nicht auf CD oder als Download erschienen.

„Jump“

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1984 der Grundstein für den bis heute gültigen Indie-Band-covert-Popsong-Trend. Hinter der Fanfare ein Lied über Selbstaufgabe.

„The Red Flag“

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Die Hymne der Sozialisten beruht auf Melchior Francks „Ach Tannenbaum“ aus dem 17. Jahrhundert, das später zu „O Tannenbaum“ wurde. Frames Version erschien 1987.

„Hot Club Of Christ“

Weihnachten, die Zweite: Im gelegentlichen Rockabilly-Stil des „High Land“-Debüts spielte er „White Christmas“ neu ein.

„True Colors“

Frame reihte sich 1990 in die Riege der Musiker ein, die den unseligen Kitsch des von Tom Kelly und Billy Steinberg komponierten und 1986 von Cyndi Lauper veröffentlichten Songs coverten.

„In My Life“

Beatles und Frame – klingt wie eine zwangsläufige Verbindung. Aber bis auf diese Akustikgitarren-Interpretation ließ er das Werk der Fab Four unangetastet.

„All My Days“

Frame gastiert so gut wie nie auf fremden Alben – für Edwyn Collins, seinen Freund aus Postcard-Tagen, machte er auf dessen „Losing Sleep“-Platte eine seltene Ausnahme. Die Kooperation hat eine besondere Bedeutung: Es war Collins’ erstes neu eingespieltes Werk nach seinen zwei Schlaganfällen, und Frame veröffentlichte später sein Album „Seven Dials“ auf Collins’ gerade gegründetem Label AED.

„Hungry Ghost Eyes“

Die B-Seite der 1998 unveröffentlicht gebliebenen „Sister Shadow“-Single.

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