Chart-Analyse: Teesy, Al-Deen und Co? Wie Phil Collins‘ „Easy Lover“ mit mehr Sahne

Top Ten Club: Ein Hauch von Kuschelpop weht durch Urlaubsdeutschland. Mit Schmalz, Kitsch und einer Picknickdecke voller Gefühle geht's rauf auf den Showbiz-Olymp.

Laith Al-Deen, Teesy und Alvaro Solér – ein mittsommerlich bunter Früchtekorb auf den Plätzen eins, zwei und drei der offiziellen Midweek Charts, die nach unserer Erfahrung seit ihrer Einführung die gesamte Wochenauszählung der Album-Hitparaden locker vorwegnehmen. So sehen die schnellen Helden der KW 29 aus: Ein Crooner aus Karlsruhe mit Wohnsitz Mannheim (bekanntlich das neue Jerusalem). Ein bunter Hund vom Stuttgarter Cro-Erfolgslabel Chimperator und ein butterweicher Deutsch-Spanier aus Berlin mit barcelonesischen Wurzeln (wie der rheinische Schauspieler Daniel Brühl).

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Diese fabulösen Drei brechen also durch die rock-und-rollende Charts-Phalanx der letzten Wochen. Stilistisch ein deutlicher Wachwechsel. Allein deshalb, weil gerade keine harten Gitarrengranaten erscheinen. Dafür gibt es weiterhin Siegerpunkte für Musikprojekte aus heimischer Produktion. Und Ende des Jahres dürfte dann die „Deutsch-Quote“ in den Albumcharts wieder über 50 Prozent liegen. Erfolg per Eigenbau.

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Der Sohn Baden-Württembergs, Laith Al-Deen, ist in diesem Triumvirat natürlich das größte Kaliber. Nach zig hunderttausend verkaufter „Einheiten“, Edelmetall-Trophäen und Schmusenummern wie „Wenn Du Dich Traust“ (im Duett mit Chansonette Annett Louisan) braucht der Mann jetzt wieder Bewegung: „Bleib Unterwegs“ heißt folgerichtig sein neuntes Studio-Opus seit 2000.

Kein Problem, Alter

„Mir ist wieder bewusst geworden, dass das Unterwegssein das Brot des Künstlers ist, deswegen habe ich mich entschlossen, wieder viel mehr auf der Straße zu sein. Schon vor zwei Jahren habe ich die „live acoustic“-Tour gestartet, die keine Tour im eigentlichen Sinne ist, sondern eine nie endende Konzertreise“, verrät er sein Faible für ein Endlostouren nach Bob-Dylanscher Manier. Die leeren Stiefeletten auf dem Cover signalisieren dann wohl seine kreative Rastlosigkeit. Balladen und funky stuff für gemeinsame Stunden beim Sonnenuntergang am Mannheim-Ludwigshafener Rheinufer oder am Sprungturm im Neuköllner Columbia Bad. „Was Wenn Alles Gut Geht“ singt der südwestdeutsche Philosoph noch ein wenig zweifelnd. Kein Problem, Alter. Der Start in den Charts ist schon mal geglückt.

Gegen soviel Wortgewalt kommt natürlich Àlvaro Soler („Aus dem Hörsaal auf die Bühnen der Welt“ – Der Stern) nicht ganz an. Zwar konnte der schmusige Bartträger bereits in Italien, der Heimat großer Operndramen, große Erfolge mit seiner Klampfe feiern. Doch für eine Langstrecken-Karriere muss sich das multikulturelle Stimmwunder noch ein paar Ecken und Kanten, wie es so schön heißt, draufschaffen. Nur schön ist wenig haltbar.

Naja, und Teesy? Man will dem Bundescontest-Berliner ja nix böses. Und ein Platz zwei ist ein schöner Etappenerfolg. Allein das Songmaterial des Paradiesvogels ist n bissl flau. Und sein Knüller „Elisabeth“ klingt wie aus der Northern-Soul-Manufaktur von Phil Collins: Einmal „Easy Lover“ mit Sahne bitte. Viel Spaß noch beim Eisbechereisessen am Baggerloch!

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