CHRIS ISAAK – Interview

Er sieht aus ein ein angeknitterter, junger Elvis, der seine Klamotten von David Lynchs Schneider bezieht, und als er das Büro seiner Londoner Plattenfirma betritt – edler schwarzer Anzug, Gitarrenkoffer in der Hand – wirkt er wie der Held einer dieser Herz/Schmerz-Vorabend-Serien, den es in ein amerikanisches Road Movie verschlagen hat. Gerade hat er die Dreharbeiten zu einem neuen Film beendet (James Rowes „Shepherd“, Isaak mimt einen Polizisten), doch nun gilt es, die Trommel für ein neues Album zu rühren. Auf „Speak Of The Devil“ ist erstmals seit „Forever Blue“ von 1995 ausschließlich neues Material zu hören – und statt vor Hawaii durch die Brandung zu flitzen (er ist leidenschaftlicher Surfer und hat fünf Kilo nur deshalb abgespeckt, um seine Aerodynamik zu verbessern), spielt Isaak wieder in verrauchten Kaschemmen vor der versammelten Medien-Meute. „Vor einigen Tagen war ich in Deutschland, in einem Club, der gerade mal so hoch war, daß man drin stehen konnte. Mindestens 5000 Journalisten hatte man reingestopft – und alle rauchten! Nur ich nicht. Ein Wunder, daß ich überhaupt noch lebe…“

Dein Trademark sind die melancholischen Balladen, bei denen Mädchenherzen zu schmelzen pflegen. Dein neues Album aber scheint, wie auch die jüngsten Auftritte, eher den männlichen Teil der Bevölkerung ansprechen zu wollen.

„Ich habe nie, weder beim Schreiben noch im Studio, in Kategorien gedacht wie: ‚Das ist für Frauen.‘ Warum sollte ich!? Die Hälfte meines potentiellen Publikums würde ich damit doch nur vor den Kopf stoßen! Auch Männer mögen’s romantisch – schau nur mich an!

Aber zur Abwechslung macht’s auch Spaß, auf Platte so zu klingen wie auf der Bühne. Nach unseren Gigs hör ich immer: „Hätte nie gedacht, daß ihr so locker losrocken könnt“ – offensichtlich denken alle, ich sei eine tragische Figur, die auf die Bühne kommt und Gedichte von Sylvia Pladi vorliest.

Unterm Strich klingst Du diesmal positiver als je zuvor. Bist Du es?

Ich weiß nicht, manche der Songs sind doch eher düster. „Tell me mother, will I die? Yes, my child, and so shall I“ – das klingt nicht sonderlich glücklich, oder? Aber ein ganzes Album voll Trübsinn bringt’s auch nicht. Ich mag die gesunde Mischung: Meine Songs sind vielleicht schwermütig, haben aber genug Energie, um nicht in Selbstmitleid zu versumpfen. Und in diesem Album steckt definitiv mehr positive Energie als je zuvor. Es gibt schließlich schon genug deprimierende Sachen in dieser Welt.

Das Düstere in Deinen Songs erklärt sich also dadurch, daß die Welt schlecht ist – und nicht durch Deine schwermütige Ader?

Dunkle Aspekte gibt’s auch in mir, aber worüber ich schreibe, hat mehr mit der Außenwelt zu tun, die ja nicht gerade Anlaß zum Jubel gibt Wenn du nur für zwei Pfennig Grips hast, kommst du auch früher oder später drauf, daß erstens jeder irgendwann sterben muß, und daß zweitens im Unklaren bleibt, warum wir eigentlich hier sind und wohin wir danach gehen. Über diese Fragen haben eine Menge kluger Köpfe kluge Bücher geschrieben, und manchmal denk ich halt auch drüber nach. Nicht, daß ich neue Erkenntnisse anzubieten hätte! Im Gegenteil: Um zwei Uhr morgens würde ich alles geben, daß jemand kommt und mir sagt: „Chris, das Leben hat den und den Sinn und Gott erwartet das und das von dir“ – wenn es denn einen Gott gibt.

Willie Nelson hatte ein Schild an seinem Tour-Bus, auf dem stand: „He who lives by the song shall die by the road“. Wie siehst Du das Tour-Leben?

Vor kurzem traf ich jemanden, der ’ne Weile mit Willie gelebt hat – Amy Irving. Sie hat in diesem Film mitgespielt, „Die by the road“ oder so ähnlich. Ich hab mit diesem James-Dean-Syndrom nichts am Hut. Ich hänge am Leben und möchte mindestens 80 werden. Deshalb surfe ich und mache Fitneß. Vielleicht sterbe ich ja mal auf einer Tournee – einfach deshalb, weil ich ständig unterwegs bin -, aber symbolisch war das nicht. Keine Ahnung, warum das Leben on the road immer so romantisiert wird.

Weil es für den normalen Menschen ein unerfüllbarer Traum ist – meine Gang und ich, auf ins Abenteuer.

Ist es ja auch. Ich spiele seit 14 Jahren mit meiner Band, und selbst wenn es mal nicht gut läuft, kann’s eine positive Erfahrung sein. Weil wir Freunde sind. Trotzdem: Das Leben auf Tour ist merkwürdig. Man fühlt sich wie ein Geist: Du fahrst durch ’ne Stadt, es ist vier Uhr morgens, der Bus hält, du vertrittst dir die Beine, triffst jemanden an der Raststätte. Leute lernst du nur für einen Tag kennen. Du bist ein Reisender und hinterläßt in ihrem Leben keine Spur.

Und das beunruhigt Dich?

Man kann nicht wirklich mit einem Menschen zusammensein. Auf Tour denkst du: „Ich fühl mich so allein“, also gehst du mit jemandem ins Bett, und für eine Stunde ist’s vielleicht richtig, aber dann nicht mehr. Diese Beziehungen haben einen faden Beigeschmack. Ich mag keine Menschen zurücklassen. Wenn ich jemanden verletze, tut mir das genauso weh, weil auch die Illusion perdu ist, vielleicht doch so was wie ’ne gute Seite zu haben. Nicht, daß ich ein guter Mensch wäre – oft genug bin ich Hans Arsch -, aber ich bemüh mich zumindest weiterhin, einer zu werden.

Bist Du ein unheilbarer Romantiker?

Hängt von der Definition ab. Romantik hat nichts mit Sex zu tun, nur teilweise was mit einer Beziehung. Für mich ist Romantik der Wunsch, das Leben festzuhalten, diese schönen, flüchtigen Momente. Weißt Du, was mich wirklich sentimental macht? Wenn ich beim Trödler alte Porträtfotos finde. Ich kaufe sie, weil mir diese Leute, die einmal hier waren und nun nur noch auf vergilbten Papierfetzen existieren, leid tun. Ich finde es traurig, daß die Welt immer weiterläuft, daß man selbst so wenig Zeit hat. Das ist die Art Romantik, die ich meine.

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