Clean Bandit live: Mozart auf dem Gameboy

Die britischen Newcomer Clean Bandit mischen Dance mit Klassik – und fiedeln sich mit dieser Mixtur in die Charts. Ob sie Avantgardisten sind, wie von vielen Kritikern bezeichnet, wird das Debütalbum zeigen müssen.

Es ist schon bemerkenswert, wie Clean Bandit es schaffen, elektronische Musik live so makellos umzusetzen, als ertöne aus den Boxen ein perfekt abgemischtes Studioalbum. Technik: klare Sache, Inhalt: Geschmackssache. Die einen feiern die Band als unkonventionelle Neuentdeckung, für die anderen klingt ihr Sound eher wie „BRAVO“-Clubhits meets David Garrett.

Clean Bandit wurden 2009 irgendwo zwischen Vorlesung und Feierabendbier an der Uni Cambridge gegründet, zur Formation gehören die Brüder Jack Patterson (Bass, Saxophon und Decks) und Luke Patterson (Schlagzeug), sowie Grace Chatto (Cello und Gesang) und Neil Amin-Smith (Violine). Das Quartett hat sich spätestens seit dem UK-Top-20-Hit „Mozart’s House“ einen Namen damit gemacht, Dance mit Klassik zu koppeln, manche nennen sie die „elektronischen Kammermusiker“.

Im Berliner Lido stellten Clean Bandit nun die Songs ihres Debütalbums „New Eyes“, das am 2. Juni erscheint, vor. Der Opener „A&E“, mit dem sie 2012 den Durchbruch schafften, markiert den Stil der folgenden Stunde: Pop mit Synth-Blupps wie aus dem Gameboy und mit Steel Pan gesprenkelt. Die beiden Sängerinnen Florence Rawlins, blonder Pferdeschwanz und Leder-Mini, und Elisabeth Troy, lange blaue Haare, gehören zwar nicht zur Stammbesetzung, fungieren live aber als Frontfrauen: Sie animieren die Menge, sie sagen die Songs an. Grace Chatto wirkt neben den zwei Rampensäuen am Bühnenrand eher wie die schüchterne Ministrantin, die stimmlich nicht richtig zum Zug kommen darf und deren ohnehin sporadische Celloeinsätze von der Partymusik meist übertönt werden. Hätte man Chatto unterwegs an der Autobahnraststätte vergessen – es wäre vielleicht keinem aufgefallen. Ihr bleibt das Tanzen und Mitklatschen, ebenso wie ihrem Kollegen Amin-Smith, der hin und wieder geigt und sonst groovt wie ein Boyband-Mitglied. Die klassischen Instrumente, eigentlich das Alleinstellungsmerkmal der Clean Bandits, gehen live zu sehr unter.

Das junge Publikum, wie frisch von einer Studenten-WG-Party hereingestreunt, stört sich nicht daran. Man klatscht, jubelt und freut sich. Vor allem bei Amin-Smiths Violinsolo und Pattersons Gesangspart kreischt die Menge. Die Seemannslied-Interpretation „UK Shanty“ ist mit Rhythmen aufgemotzt, die an Balkan-Beats oder Reggaeton erinnern, bei „Nightingale“ rummst es, bei „Dust Clears“ pustet ein Mädchen Seifenblasen.

Höhepunkt des Sets ist „Mozart’s House“, bei dem nachvollziehbar wird, warum die vier Musiker als Avantgarde gefeiert werden: Bei diesem Track ist die Fusion zwischen Klassik und Dance ausgewogen, zudem sind hier Violine und Cello präsent. Nach dem Klassiker „Show me love“ von Robin S. als Zugabe, folgt unter dem Geschrei des Publikums zum Abschluss der Nummer-1-Hit „Rather Be“, der bis jetzt am schnellsten verkauften Single 2014.

Streng gesehen kleckern Clean Bandit über Schon-mal-da-gewesen-Dance ein paar Streichinstrumente. Mit ihrem Debütalbum wird sich zeigen, ob sie die Genies sind, für die sie gehalten werden.

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