Colin Farrell: Der Outlaw wird 40 Jahre alt

Der Alkohol hatte ihn aus der Bahn geworfen, jetzt arbeitet sich Colin Farrell wieder zurück an die Spitze. Dass das gelingt, wäre ihm zu wünschen.

Der Cop Ray streitet sich mit seiner Ex-Frau um das Sorgerecht für das Kind. Der Mann ist Alkoholiker, aber will das Herz des Kleinen gewinnen. Er ist mit ihm allein, und schon nach wenigen Minuten eskaliert die Situation, er schreit ihn an: „Hast Du verstanden, Du fettes Arschloch?“

Colin Farrell spielt den Officer, und den Anschiss des armen Sohns soll er der Legende zufolge am Set von „True Detective“ improvisiert haben. Dürfte gesessen haben, ein Wunder, wenn der junge Schauspiel-Kollege Trevor Larcom von dem Anfall nichts zurückbehalten wird. Farrell wollte vielleicht nicht gehässig sein. Er fordert bei Dreharbeiten nur alles von seinen Kollegen, egal wie jung und schutzbedürftig sie sind; nur das Ergebnis zählt.

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In der zweiten Staffel der Mystery-Serie (2015) stiehlt Farrell, der am Dienstag 40 Jahre alt wird, natürlich allen die Schau. Die Kollegen Vince Vaughn, Taylor Kitsch und Rachel McAdams versuchen angesichts des Hardboiled-Stoffs den Ernst der Lage so darzustellen: zusammengekniffene Augen, Sorgen-Stirnfalten. Farrell muss einfach nur sein von den Drinks aufgedunsenes Gesicht in die Kamera halten. Der Schnauzbart, die dicken Brauen, die eng anliegenden Knopfaugen, die ihn wie einen traurigen Bären aussehen lassen. Emotionen muss man hier nicht „suchen“ um sie im Gesicht „abzulesen“. Die Tiefen sind einfach da, in diesem Antlitz, wie Schauspieler es zuletzt in den Achtzigerjahren die Kamera hielten.

Farrell geht in Hollywood oft drauf

Dass Farrell heute kein Superstar ist, hat er sich selbst zuzuschreiben: vor allem Alkohol, er gilt als „schwieriger Charakter“, außerdem als Sturkopp-Ire. In seinen Rollen, ob als Sonny Crockett in Michael Manns eigenem „Miami Vice“-Remake, oder als antiker Welteroberer in „Alexander“, hat er einen Hang zur Gewalttätigkeit, bleibt aber einer Moral treu, sich für das Gute einzusetzen. Um ihn schwirrt ein nervös machendes Gefühl von verrinnender Zeit, als würde es seine Figur bald erwischen. Es ist schon kurios: Jemand wie Farrell, der so viele Staatsdiener oder Staatsoberhäupter verkörperte, schlug privat ständig über die Stränge.

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In Spielbergs „Minority Report“ feierte Farrell 2002 seinen Durchbruch; natürlich als Cop, der, blind vor Gesetzestreue, den Feind in den eigenen Reihen zu spät erkennt. Er stirbt in dem Film, lässt Tom Cruise verblassen, und seitdem gibt es – wie sonst nur bei Sean „Boromir“, „Ned Stark“ Bean – viele Statistiken, die eine Art Todesquotienten für Farrell-Filme zur Schau stellen. Der Mann geht in Hollywood oft drauf.

Oliver Stones „Alexander“ hätte 2004 den Durchbruch für den damals 28-Jährigen bedeuten müssen, leider war der Film ein ziemliches Kuddelmuddel. Es gab 18 offizielle Produzenten, also mindestens 18 Leute mit Mitspracherecht, aus den USA, Europa, Indien, versenktes Geld, „stupid money“. Farrell aber ist als Feldherr perfekt, er wirkt nicht größenwahnsinnig, sondern getrieben und orientierungslos, seine Augen springen vor Panik fast aus ihren Höhlen.

Ein Jahr später dann der nächste große Versuch, mit „Miami Vice“, er tritt als Sonny Crockett in die Fußstapfen von Don Johnson. Es würde nicht verwundern, wenn Farrell seinen Alltags-Look einfach zum ersten Drehtag mitgebracht hätte. Dessen Darstellung des Detective hatte nichts mehr mit dem schicken Don gemein, Farrell trug ja seine nach hinten gegelten, langen Haaren und den Schnauzer. Stilistisch die mutige Neu-Interpretation einer berühmten Figur.

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Der Film wurde als Enttäuschung wahrgenommen. Farrell, der von sich sagt, er habe im Alter von 14 Jahren mit dem Trinken angefangen, hat nach „Miami Vice“ mit einer Entziehungskur begonnen. Seit den Nullerjahren werden Hollywood-Stars die Eskapaden, ob durch Alkohol oder andere Drogen ausgelöst, immer weniger verziehen. Darsteller wie Mel Gibson und Shia LeBeouf mussten daraus lernen, indem sie kleinere Rollen erhielten. Mit Robert Downey Jr. gibt es derzeit nur einen einzigen Ex-Abhängigen, dem die Traumfabrik nicht nur verziehen, sondern zu einem Top-5-Verdiener innerhalb seiner Branche gemacht hat.

Der Zauber von Pocahontas

Seine vielleicht gelungenste Darstellung hatte Farrell, auch 2005, in Terrence Malicks Pocahontas-Erzählung „The New World“. Der Regisseur offenbart die Gedanken seiner Figuren in meditativ wirkenden Erzählungen im Off, für Farrells unbewegtes Gesicht ist das ideal – anders als für die Malick-Schauspieler Brad Pitt und Sean Penn („The Tree Of Life“), die ihr Inneres mit pathetischem Blick in den Horizont illustrieren. Es gab vielleicht keine schönere Szene in „The New World“, als die gerade mal einminütige, in der Farrells Captain Smith, von Pocahontas und der Wärme des Waldes für immer getrennt, an einer steinigen, kalten Küste seinen Job als zur See fahrender Entdecker weiter verfolgen muss – alles so sinnlos. Die Farben wechseln von waldgrün zu verwaschenem, polaren Küstengrau. Kino zum Hineinversinken.

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Es war bis heute seine letzte tragende Hauptrolle in Hollywood. Nach dem bewegenden Jahr samt Rehab kehrte Farrell zunächst in kleineren Produktionen zurück, und mit dem Golden Globe als bester Hauptdarsteller – seine erste große Auszeichnung – für das tragikomische Gangsterdrama „Brüssel sehen … und sterben?“ (2008) hatte vor Drehbeginn keiner gerechnet. In Peter Weirs Ensemblefilm „The Way Back“ (2010) über Kriegsgefangene in Sibirien übertrumpfte Farrell wieder einmal die anderen, Ed Harris, Saoirse Ronan, Jim Sturgess. Er spielte einen russischen Gulag-Häftling, so gefährlich aber ehrenhaft, dass man ihn, ohne einen einzigen russischen Häftling zu kennen, wirklich für einen russischen Häftling halten könnte.

In der Verfilmung von J.K. Rowlings „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ist Farrell in diesem Jahr erstmals wieder in einem potentiellen Blockbuster zu sehen. Die Chance nutzt er hoffentlich.

Hättes es auch anders für Colin Farrell kommen können? Er sang in den Neunzigern bei der Boyband Boyzone vor. Aber die wollten ihn nicht haben. Er wäre wohl auch nicht lange geblieben.

Twitter:@sassanniasseri

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