Darum zertrümmert Jan Böhmermann den „Struwwelpeter“

In einer Sonderfolge des „Neo Magazin Royale“ gibt es „Dr. Böhmermanns Struwwelpeter“ zu sehen. Eine Neufassung des Kinderbuchklassiker von Dr. Heinrich Hoffmann - mit mahnendem Zeigefinger.

Eine modernisierte Fassung des Struwwelpeters passt natürlich genau ins ideologische Programm des Suppenkaspers Jan Böhmermann. Geboren im Jahr 1981, dürfte er von seinen Eltern den „Struwwelpeter“ vorgelesen bekomme haben, aber auch die zentrale Kritik an dem Werk, die seit Ende der 70er-Jahre propagiert wird, mitbekommen haben.

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Seit dieser Zeit wird dem Kinderstubenklassiker vorgeworfen, einen autoritären Erziehungsstil zu propagieren. Man kann sich vorstellen, wie der ZDF-Moderator, der mal auf der Welle der political correctness surft, um sie dann wieder gekonnt auseinander zu nehmen, genau diesen Umstand genüsslich in seine „Neo Magazin“-Neuinszenierung einfließen lassen wird. Das dürfte zwar den Pudelkern treffen. Es reißt aber bei den Zuschauern der Sendung, die wohl so gut wie nie in Kontakt mit solch einem autoritären Erziehungsstil gekommen sind (und schon deshalb laut darüber lachen können), offene Türen ein. „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer hat recht: „Wer Böhmermann schaut, der schaut in dem Bewusstsein, politisch korrekt zu lachen.“

Satire als Feigenblatt

Möglicherweise besteht der Witz nicht nur im Fall des modernisierten, parodisierten „Struwwelpeters“ gerade darin, dass die Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen Welt, in der es Sendungen wie „Wetten dass…?“ gab, Samstagabendunterhaltung noch keimfrei war, Rapper noch witzig und subversiv (statt antisemitisch und geil auf Berühmtheit) sein durften und Kinderbuchliteratur nicht auf möglicherweise problematische Inhalte abgeklopft wurde (Stichwort: „Sensitivity Reading“), gerade durch die ironisierte Reinszenierung ihre volle Wirkung entfaltet.

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Das satirische Element wäre dann nur ein Feigenblatt für eine im Grunde reaktionäre Geisteshaltung, in der sich der Clown geradezu wünscht, für seine Provokationen mit voller Härte bestraft zu werden („Erdogan-Gedicht“). Dann kann er später behaupten: Seht mal her, ich habe es doch immer gesagt – die Menschen sind reaktionär, dumm und wollen im Grunde jeden gesellschaftlichen Fortschritt in die Tonne treten. Satire richtet sich aber nicht gegen die Dummheit der Menschen, sondern gegen verkrustete, krankmachende Systeme und zerstörerische Diskurse.

Oder möchte uns Böhmermann in Wahrheit einfach nur davor warnen, dass auch mit der Stärkung einer rechtspopulistischen Partei wie der AfD die Rückkehr des Autoritären in der Gesellschaft auf dem Vormarsch ist? Das dürften die Zuschauer seiner Sendung, die zumeist einen akademischen Hintergrund haben oder gerade dabei sind, einen zu erwerben, auch so wissen.

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