Der Chef des Labels FAT POSSUM, MatthewJohnson, über Blues, alte Säcke und neue Chancen

Wenn Matthew Johnson guten und schlechten Blues definieren soll, dann ist nicht von einem Gitarren-Solo oder diesem und jenem Song die Rede, Der 32-jährige Chef von Fat Possum Records will einfach diesen „howl“ hören. So wie damals, als er – ermutigt vom Ex-„New York Times“-Kritiker und Buchautoren Robert Palmer („Deep Blues“) – den jetzt 75-jährigen R.L. Burnside aus der Obskurität der Juke Joints im Mississippi-Delta ins nationale Rampenlicht holte. Wo der verurteilte Mörder bald mit den Beastie Boys und auf Richard Geres Geburtstag spielte.

Doch das aus Schmerz und Agonie gespeiste Heulen der letzten Hill-Country-Bluesgeneration wird zunehmend schwächer. Junior Kimbrough, der andere Protagonist der ersten Label-Stunde, ist längst tot Seine 32 (!) Kinder balgen sich auch mit Fat Possum ums Erbe und drohen Johnson schon mal mit der finalen KugeL Der hofft noch auf ein (letztes?) Album des höchst freundlichen Psychopathen T-Model Ford und „ein paar unbekannte Typen. Aber ich weiß noch nicht, ob sich das lohnt“. Ansonsten hat die junge Crack-Generation die alte Juke Joint-Kundschaft längst in die Flucht getrieben. Johnson: Fat Possum werde sich zwar „weiterhin über diesen Hardcore-Country-Blues definieren“, aber „wir wären dumm, wenn wir jetzt nichts anderes versuchen“.

Der Stagnation soll neuerdings Widespread Panic-Keyboarder John Hermann als Roots-Songwriter vorbeugen, demnächst werden Little Axe die Fat Possum-Palette um Dub-Blues erweitern. Nicht zu vergessen: Mit Solomon Burke zog man gerade eine leibhaftige Soul-Ikone fürs große Comeback mit prominenter Unterstützung von Dylan bis Costello an Land „Der Unterschied zu den Blues-Typen ist: Er war schon vor seinem 60. Geburtstag erfolgreich“, scherzt Johnson über den Coup, der wesentlich dem Fat Possum-Mutterschiff Epitaph zu verdanken ist. Als Vertrieb und Finanzier garantiert die erste Punk-Adresse Kaliforniens heute eine geschäftliche Solidität, von der der notorisch klamme Theken-Charmeur Johnson lange nur träumen konnte. Mit einem Studentenkredit über 4000 Dollar hatte er Fat Possum 1991 aus der Taufe gehoben, fünf Jahre später – nach einem langen Rechtsstreit mit Ex-Partner Capricorn – war er vorübergehend pleite.

Im „totalen Desaster“ endete vor zwei Jahren auch der Versuch, mit alten Bluesern aus dem Sampler eine Brücke zur HipHop-Generation zu schlagen. „New Beats From The Delta“ verkaufte lausige 600 Kopien. Auf der anderen Seite ist die Front zur großen Blues-Rock-Gemeinde über die Jahre nur leicht aufgeweicht. Woran auch ein prominenter Emissär aus dem Norden nicht viel änderte: Mit Buddy Guy marschierte im letzten Jahr eine Chicago-Gallionsfigur in Oxford/Mississippi ein. „Ich hatte eher mal ’ne Rockband erwartet, und nicht noch einen anderen alten Blues-Typen“, spöttelt Johnson. Aber man nehme „jede Hilfe, die wir kriegen können“.

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