Der „Musicathon“ von SEAT: In drei Tagen um die Welt

Beim "Musicathon" von SEAT treffen sich Musikschaffende in Berlin

Niemand weiß genau, wie man „Musicathon“ ausspricht: vielleicht wie „Marathon“, bestimmt englisch, vielleicht das „th“ wie das spanische „c“, und überhaupt kommt einem so vieles, hola: spanisch vor. Der Autohersteller SEAT hat 14 Kandidaten, ausgewählt aus 2000 Bewerbern, zu einem Workshop nach Berlin eingeladen – sie sollen ein Sound-Logo von 35 Sekunden für einen Werbefilm und ein knappes Musikstück zur Stadt Barcelona komponieren. SEAT ist eine spanische Automarke mit Sitz in Barcelona, aber in den Autos ist viel Volkswagen. In den Werken sind 9000 Beschäftigte, erzählt Katharina, eine Deutsche, die bei SEAT arbeitet und an diesem Wochenende im nhow-Hotel an der Oberbaumbrücke, wo die Sause an drei Tagen stattfindet. Firmenbusse holen die Mitarbeiter in Barcelona immer von zu Hause ab, um sie zur Arbeit zu bringen. Hm, das ist Unternehmenskultur. Es gibt manchmal Schnee in Barcelona, sagt Katharina, aber den sieht man nicht in dem Film, in dem ein Auto durch die Stadt fährt, noch lautlos.

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Die Kandidaten kommen aus sieben Ländern, man sagt hier nicht „Märkte“, und man meint auch nicht „Märkte“, obwohl man die Märkte auch nicht wegdenken kann. Eine Spanierin mit Brille sieht im Vorstellungsvideo und in Wirklichkeit aus, als könnte sie gewinnen, die Französin ist drollig, ein Holländer nennt sich Jack Shirak, ein schwarzer Engländer ist lustig, eine Engländerin wirkt schrullig, eine Mexikanerin ist apart und mexikanisch, die beiden deutschen Teilnehmer sehen bodenständig aus, wie man so sagt, und wie Musiker. Es gibt einen Arbeitsbereich, in dem Tische mit Computern stehen und ein paar Keyboards, aber hier wird wahrscheinlich nicht viel gearbeitet – man geht dann aufs Zimmer, wenn man nicht auf der fußballfeldgroßen Dachterrasse sitzt oder am Buffet steht. Es gibt einen großen Kaffeeautomaten. Es gibt Panna Cotta in Gläsern, Burger, Curryzeug auf Reis, Apfelstrudel, Cheesecake und Häppchen.

Die zuvorkommende Pressebetreuerin Halima (übrigens eine Deutsche mit tunesischem Hintergrund), bekleckert sich, Daniel von der Autozeitschrift hat einen Splitter im Finger, weil die Tische aus unbehauenen Holzplatten gemacht sind. Am Abend spielen einige Teilnehmer, die hier „Talents“ genannt werden, spontan in der Galerie, „Rolling In The Deep“ und „Somebody That I Used To Know“, solche Sachen; die Mexikanerin singt, dann spielt sie Schlagzeug. Die Talents sind talentiert.

Es gibt sogenannte Markenbotschafter, das sind die Profis, sie machen auch einen professionellen Eindruck, sie sind lässig; der Produzent Martin Eyerer trägt kurze Hosen, er reist viel in der Welt herum. Verkehrssprache ist Englisch, die Engländer können es am besten und lassen es alle merken. Es gibt einige Workshops, am Sonntag ist eine Bootstour durch die Kanäle von Berlin. Die Organisationsdamen sind überall und sprechen immerzu schnell in Smartphones, sie tragen Mappen und Ordner. Männer mit Kameras schleichen herum, die Bühnenauftritte werden in Echtzeit im Netz gesendet. Die SEAT Alhambras parken vor dem Hotel, man wird in ihnen zum Flughafen gefahren oder nach Hause, wenn man in Berlin eines hat. Schiebeverdeck, viel Platz, viel Kofferraum. Aber eigentlich möchte man auf der Dachterrasse sitzen, wo der Kellner immer alles abräumt, was man noch gar nicht ausgetrunken oder aufgegessen hat, wo der Wind lau weht und der Himmel blau ist und man auf die Spree schaut, als wäre für immer Muttertag – und hey, es ist ja Muttertag!

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Die Beiträge sind dann richtig gelungen: Sie klingen nach Spanien, manchmal sind synthetische Trompeten zu hören, viel Schlagwerk, Kastagnetten-Anklänge, Flamenco-Gitarren, die elektronischen Entwürfe gleiten mit dem Auto, manches ist Klischee, wenig neben der Spur. Die geistige Spanierin mit Brille gewinnt, ein Italiener – und der deutsche Musiker Christian Wierczimok, der in drei Bands spielt, darunter eine Prog-Rock- und eine Stoner-Band, der Gitarre und Bass beherscht und es mit akustischen Mitteln geschafft hat. Er war kein Favorit – aber weshalb sollen auch die Favoriten gewinnen? Man hört viel „amazing“ und „awesome“, doch die jungen Leute sind einfach gut, sie können das, sie haben es hingekriegt. Es ist nicht wie Autos bauen, man weiß nicht, wie es geht, man kann nicht zuschauen. Aber man kann es dann hören, das Auto surrt durch Barcelona, es ist Tag und dann Nacht, man sieht Meer und Strand und Ballspieler und Parks.

Katharina sagt, dass sie in Barcelona bleiben wird, obwohl Mutter in München ist. Sie muss noch zum Muttertag anrufen.

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