Der Rollenspieler

Du hast ja bis in die frühen Neunziger kleine Rollen in Filmen und Serien übernommen. Warum hast du die Schauspielerei danach nicht weiterverfolgt?

Ich weiß nicht, ob ich diese Sachen von damals Schauspielerei nennen würde. Zu der Zeit wurden im Ruhrgebiet öfter Jugendfilme gedreht, mit authentischen Figuren aus der Szene. Und wenn jemand gebraucht wurde, der um die Ecke läuft und schreit: „Sie kommen!“, dann haben die oft an mich gedacht. Das war zu einer Zeit, in der noch nicht jeder sofort wusste: Das ist der Sänger von den Toten Hosen. Irgendwann wurde es wegen meines Bekanntheitsgrads schwierig, den Campino von der Rolle so zu trennen, dass es für die Leute nachvollziehbar war. Ich hatte auch keine Lust mehr, immer wieder diesen jugendlichen Typen zu spielen, der auf der Schwelle zum Erwachsenwerden ist. Und da ich nur solche Rollenangebote bekam, war das Thema bald für mich durch – bis Klaus Maria Brandauer mich angerufen hat und fragte, ob ich mit ihm die „Dreigroschenoper“ machen wolle.

Ist das überhaupt zu vergleichen – Theater und Film?

Ja und nein. Man kann im Theater viel darüber lernen, wie man sich einer Rolle nähert und wie man sich mit einem Text auseinandersetzt. Aber weil man den Profis über die Schulter schauen darf, kann man das noch lange nicht verinnerlichen. Das zu behaupten wäre genauso schwachsinnig, wie wenn du dich eine Stunde neben einen Elektriker stellst, dem bei der Arbeit zuschaust und dann sagst, du kannst das jetzt auch. Trotzdem: Durch meine Theaterzeit verstehe ich ein bisschen, worum es geht. Und manches davon konnte ich auch beim Film verwenden. Und die Unterschiede? Theater ist im Gegensatz zum Film immer ein Live-Auftritt. Man kann mannschaftsdienlich spielen oder seinen Mitspieler böse foulen, da gibt es eine Riesenbandbreite. Du kannst deinem Mitspieler den Ball zuspielen, dass er den korrekt annehmen kann, oder du foulst ihn ganz gemein. Auf der Bühne ist man total abhängig von den Mitspielern und man kann an die Wand gespielt werden. Beim Film gibt es diese Form des Applausheischens nicht. Im Theater zieht jeder Schauspieler erst mal seine Kuh vom Eis, und dann kommen die anderen. Die Applausordnung ist sehr wichtig, jeder wird von den anderen genau dabei beobachtet. Daraus entwickelt sich dann eine Hierarchie. Es war eine sonderbare, aber gute Schule.

Was ist der Unterschied zwischen einem Live-Auftritt im Theater zu einem mit den Hosen?

Im Grunde ist das ja ein völliger Gegensatz. Das Publikum möchte, dass eine Band immer möglichst „authentisch“ wirkt. Man soll immer „man selbst“ sein. Was auch immer das sein soll. Beim Schauspiel bist du aber die ganze Zeit bemüht, jemand anders zu sein. Wenn wir mit der Band auf die Bühne gehen, fragen wir uns nicht, wie wir wirken oder wie wir uns bewegen sollen, wir sind dann einfach da. Wir sind zu Hause. Im Theater habe ich große Schwierigkeiten gehabt, diesen Zustand des Sich-Wohlfühlens zu erreichen. Ich war da nie zu Hause. An guten Abenden war ich vielleicht bei sehr bekannten Freunden im Wohnzimmer, aber ich war nie bei mir selber im Wohnzimmer.

Es gibt diese Szene in „Der Himmel über Berlin“, in der Nick Cave auf der Bühne steht und man seine Gedanken hören kann. Da wird klar, dass die Gefühlswelt des Songs, den er da gerade performt, nicht mit seinen eigenen Gefühlen übereinstimmt. Er spielt das alles nur.

Ich setzte mich gerade viel damit auseinander, was das heißt: ein bewusstes Auftreten. Inwieweit ist das korrekt, bewusst aufzutreten und eben nicht intuitiv. Überschreitet man dann die Grenze der Kredibilität oder hilft es einfach, die Ideen zu transportieren, die man im Kopf hat.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Auch in der größten Halle musst du eine Kraft entwickeln, die bis in die letzte Reihe reicht. Da kannst du keine langen Vorträge halten, du bleibst besser kurz, sprichst langsamer. Und allein dieses Wissen – ist das jetzt schon Manipulation oder darf man das anwenden und trotzdem ein gutes Gewissen haben? Ich bin der Meinung, es schadet nicht, sowas zu wissen.

Trifft dich eine Kritik an dir als Schauspieler härter als an dir als Musiker?

Als Musiker bin ich mir sicherer, was ich will. Da bin ich einfach standfester. Bei den Filmkritiken komme ich mir ungeschützter vor. Man geht schließlich nicht da raus und macht etwas, weil man scharf darauf ist, verrissen zu werden. Andererseits: Nur weil ich jetzt mal einen Ausflug in ein anderes Genre mache, muss ich nicht erwarten, dass mir die Welt dafür applaudiert. Das wäre ja auch lächerlich.

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