Der RS-Report: Drogen und Musik in Deutschland. Interview: „Die Metalszene hat Ecstasy nicht berührt“
Drogen sind in der Musik allgegenwärtig. Joachim Hentschel sprach mit Heavy-Metal-Star Schmier von Destruction über Drogengenuss in der deutschen Musikszene.
Schmier, gehören Drogen und Musik zusammen?
Drogen gehören zur Gesellschaft. Wo gefeiert wird, werden Drogen genommen, ob in der High Society oder auf einer Technoparty. Am meisten gekokst wird in den Chefetagen, aber die hören keine Musik.
Wie haben Sie selbst Ihre ersten Erfahrungen gemacht?
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in der Nähe von Lörrach. Auch wenn die Großstädter das vielleicht nicht glauben: Da ging es drogenmäßig ganz schön ab. Einige Leute aus meinem damaligen Bekanntenkreis sind an den Folgen von Heroin gestorben. Ich selbst habe „Christiane F.“ gelesen und war eingeschüchtert genug. Heute haben die Kids viel weniger Respekt. Sie probieren zu viel aus, bekommen von niemandem ihre Grenzen gezeigt.
Welche Bedeutung haben Drogen heute in der deutschen Heavy-Metal-Szene?
Da wird vor allem gesoffen. Wenn die Polizei bei der Anfahrt zum Wacken-Festival die Autos kontrolliert, finden die vielleicht ein bisschen was zum Kiffen und ein wenig Koks, aber nichts Nennenswertes. Harte Drogen gibt es fast nicht.
Wurde früher mehr genommen?
Nein. Ich weiß noch, wie die große Ecstasy-Welle kam und viele meiner Kumpels aus anderen Kreisen da mitmachten. Die Metalszene hat es nicht berührt.
Dabei könnte man denken, dass Bands wie Led Zeppelin gut vorgelegt hätten.
Das war eine andere Zeit. Natürlich habe auch ich miterlebt, wie bestimmte Leute sich gegen die Sucht stemmen mussten. Man sagt ja immer, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Das betrifft auch einige sehr bekannte Musiker in Deutschland, aber das sind alles keine Geheimnisse. Jeder feiert schließlich gern mal – auch wir lassen auf Tour nichts anbrennen. Aber man muss die Grenzen kennen.
Wie ist das in anderen Ländern?
Es gibt Unterschiede. Am härtesten geht es in Spanien zu. Die haben alles. Wenn man da auf eine Party geht, wird auf dem Klo gekokst und ganz offen gekifft – das erschreckt sogar mich, und ich habe schon viel gesehen. Auch die Amerikaner sind extrem verdrogt. Die tun zwar oft so prüde, aber was da hinter der Bühne abgeht, ist erstaunlich: mehr Sex, mehr Drogen. Da sind die Europäer viel vernünftiger.
Sind Drogen gut für die Kreativität beim Musikmachen?
Leider stimmt das. Der Alltag ist oft so stumpf und auf Sicherheit hin angelegt – Drogen haben den Vorteil, dass sie deinen Kopf freimachen. Man wird offener, hat andere Gedanken. Auch die großen klassischen Komponisten waren ja meistens drogen- oder alkoholsüchtig. Aber das funktioniert eben nur für eine gewisse Zeit. Ein Musiker, der diesen Krieg im Kopf nicht durchhält, hat ein Problem.
Muss man dem Publikum eine Anti-Drogen-Botschaft bringen?
Die Leute in unserer Szene würden mich dafür auslachen – ich bin ja selbst kein Engel und feiere gerne mal. Dafür haben wir in unseren Songs andere Botschaften. Und ich finde auch nicht, dass unsere Gesellschaft ein Alkoholproblem hat. Alkoholausschank einschränken? Das kann man nicht machen. Damit zerstört man ein Kulturgut.
Ihr Lieblings-Drogensong?
„Brown Sugar“ von den Rolling Stones.
INTERVIEW: Joachim Hentschel