Der wilde, aber romantische Westen: „Der mit dem Wolf tanzt“

Kevin Costner wollte die Versöhnung mit den amerikanischen Ureinwohnern. Zumindest belebte sein 1990 erschienener Film das Western-Genre neu.

Als Kevin Costner ankündigte, einen Western drehen zu wollen, schüttelte man in Hollywood die Köpfe. Das sei doch ein Himmelfahrtskommando. Western galten Anfang der Neunziger als totes Genre. Das Sinnbild dafür lieferten auch gleich die ersten Szenen von „Der mit dem Wolf tanzt“. 1863, der verletzte Nordstaaten-Offizier John Dunbar (Costner) droht sein Bein zu verlieren. Weil er so aber nicht leben will, klettert er mit letzter Kraft auf sein Pferd – und reitet mit offenen Armen in den Kugelhagel des Feindes. Ein fast sicherer Ritt in den Tod.

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Am Ende erhielt „Der mit dem Wolf tanzt“ sieben Oscars, darunter für den „Besten Film“ und „Die Beste Regie“. Das ließ den erst 35-Jährigen Coster zu einem der jüngsten Filmemacher aufsteigen, die jemals mit dem wichtigsten Kinopreis ausgezeichnet wurden. Als dann Clint Eastwood 1992 mit dem Revisionismus-Western „Erbarmungslos“ ebenfalls in den wichtigsten Academy-Award-Kategorien gewann, erlebte das Genre seine Renaissance. Heute, in Zeiten von „True Grit“ und „Django Unchained“, bedeuten Filme über den Wilden Westen kein Risiko mehr.

Freundschaft mit den Sioux

Mit „Silverado“ floppte vor dem „Wolf“ zuletzt 1985 ein Vertreter dieser Richtung, Costner spielte darin mit. Vor Drehbeginn seines Regiedebüts vier Jahre später war er aber auch noch kein Superstar. Mit „The Untouchables“ hatte Costner erst einen einzigen Kassenhit im Rücken. Und am „Wolf“ war neben ihm kein weiterer A-Schauspieler beteiligt. Das bekannteste Crewmitglied dürfte noch Komponist John Barry gewesen sein, der nach einem lebensgefährlichen Speiseröhren-Riss 1988 sein Comeback feierte. Der „Wolf“ sollte ihm dann seinen vierten Oscar für seinen ebenso schwelgerischen wie furiosen Score bescheren.

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John Dunbar (Kevin Costner) und Strampelnder Vogel (Graham Greene)

Hollywood, die amerikanischen Kritiker und das weltweite Publikum liebten den Film sofort. Ein Ex-Soldat und Aussteiger, der Freundschaft mit den Ureinwohnern der Sioux schließt? Der unter dem Namen „Der mit dem Wolf tanzt“ selbst zum Indianer wird, mit ihnen gegen die verfeindeten Pawnees kämpft und sich am Ende gegen seine eigene Soldatentruppe stellt, die die Sioux vertreiben wollen? Das Werk lieferte einen Beitrag zur Versöhnung – jedenfalls aus Sicht der einstigen Siedler, die aus Europa gekommen waren und die amerikanischen Ureinwohner nahezu ausrotteten.

John Dunbar war ein Weißer, der die Menschen und ihre Natur schützen wollte, und der für die Fehler seiner Landsmänner nicht nur einsteht, sondern sich auch gegen seine eigenen Leute stellt. Ganz klar Oscar-Material. Da wundert es fast, dass Dunbar als Lebensgefährtin nicht eine gebürtige Ureinwohnerin erwählt, sondern mit „Steht mit einer Faust“ eine Siedlertochter, die jetzt Indianerin ist.

Der Film endet damit, wie die Sioux ihr Territorium räumen müssen, es gibt kein Happy-End. Heute bezeichnen die meisten „Wolf“-Fanatiker allerdings eine andere Szene als die traurigste. Dunbars loyalster Freund, der titelgebende Lupus, wird von amerikanischen Soldaten erschossen, weil er seinem gefangenen Herrchen nicht von der Seite weichen will. Ein wirklich trauriger Moment. Aber Regisseur Costner dürfte damals wichtiger gewesen sein, dass andere Szenen in Erinnerung bleiben. Hier hat er seine Wirkung verfehlt.

Dunbar, der Ureinwohner-Verbesserer

Dafür hat John Dunbar auf der menschlichen Ebene ganze Arbeit geleistet. Er wird quasi zum Ureinwohner-Verbesserer, der Ex-Lieutenant bringt den Stammeskriegern neue Militärstrategien bei. Damit reiht sich „Der mit dem Wolf tanzt“ in die unglückselige Reihe von Filmen ein, in denen fremde, vom Untergang bedrohte Völker sich nicht selbst retten können, sondern erst der weiße Mann aus dem Westen kommen muss.

Im Tom-Cruise-Vehikel „Der letzte Samurai“ (2003) ist das etwa der Fall, am prominentesten noch in David Leans „Lawrence von Arabien“ (1962), der Brite führt hier – wenn auch auf wahren Ereignissen beruhend – die Araber gegen die Türken an, und auch in James Camerons „Avatar“ (2009). Darin werden die blauen Riesen manchmal dargestellt wie impulsive Dummköpfe; ein versehrter US-Marine, inzwischen selbst Na’vi, führt die Lendenschurzträger dann in ihre letzte Schlacht.

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John Dunbar (Kevin Costner) mit Steht Mit Einer Faust (Mary McDonnell)

Kritiker des „Wolfs“ führten an, vielleicht etwas penibel, dass die Sprache der Sioux von Costner und den anderen Darstellern, die überwiegend keine Wurzeln zu den Ureinwohnern hatten, schlecht ausgesprochen wurde. Andere verwiesen auf eine vermeintlich zu freundliche Darstellung des Sioux-Stammes, deren Lebensführung von Historikern als besonders brutal beschrieben wird.

So oder so ging das Bild des Costners im Indianer-Kostüm um die Welt, und bei den Academy Awards 1991 hatte der bessere Film, Martin Scorseses „GoodFellas“, keine Chance (es war die große Oscar-Ungerechtigkeit der Neunziger, neben der – ebenso absehbaren – Niederlage von „Pulp Fiction“ gegen „Forrest Gump“ 1995).

Für Kevin Costner begann damit die Zeit als Superstar, aber lange währen sollte sie nicht. Obwohl ihm mit „Der mit dem Wolf tanzt“ und danach „JFK“, „Robin Hood“ und „Bodyguard“ das seltene Kunststück von vier aufeinander folgenden Blockbustern in vier verschiedenen Genres gelang, manövrierte er sich bereits 1995 in eine Art ewiges Aus.

Bis heute werden ihm keine großen Rollen mehr anvertraut. Sein Endzeit-Epos „Waterworld“ geriet vor 20 Jahren zum Debakel, auch sein zweites Endzeit-Epos „Postman“ wollte keiner sehen. Für Costner, der mit Mitte dreißig den „Wolf“ gegen alle Genre-Wahrscheinlichkeiten zum Erfolg stemmte, muss das unbegreiflich gewesen sein.

In Hollywood hatte man sich ja vor seinem Western schon über ihn lustig gemacht – ein halber Star, der tausende Dollar seines Privatvermögens und fünf Jahre Planungszeit in seinen Traum von der Versöhnung mit den Ureinwohnern steckte. Und der ursprünglich gar nicht selbst Regie führen wollte, aber keinen geeigneten Filmemacher fand. Am Ende standen knapp 200 Millionen Dollar Einspielergebnis fest – so wurde „Der mit dem Wolf tanzt“ kurioserweise auch einer der erfolgreichsten Filme, die nie Platz eins der US-Box-Office-Charts erreichten.

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