Der ZENkämpfer

ZURUCK AUS DEM EXIL IM KLOSTER, VERÖFFENTLICHT LEONARD COHEN SEINE ERSTE PLATTE SEIT NEUN JAHREN

Er war der Held unzähliger Mädchenträume und füllte biblischen Horror in poetische Verse, er pokerte mit Phil Spector und zog Nick Cave in seinen Bann, er tourte in Kriegszeiten durch Israel und fragte einst sein Publikum im Berliner Sportpalast: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Jetzt tritt Leonard Cohen, 67 Jahre alt und ein bisschen weise, überraschend mit neuem Album an: „Ten New Songs“

Die Begrüßung ist unerwartet freundschaftlich, fast herzlich. „Good to see you again“, sagt Leonard Cohen. Dabei sind fast 17Jahre ins Land gegangen seit unserem letzten Gespräch. Kleiner scheint er seither geworden zu sein, schmaler und grauer. Das weiße Hemd muss sich schon eine Weile in seinem Besitz befinden, denn nicht einmal der Knoten der Krawatte vermag den Kragen an den Hals zu drücken. Der dunkle Anzug freilich sitzt, der Händedruck ist fest, die Stimme sonor wie eh und je.

In einem Kloster sitze er, nur soviel war jahrelang über Cohen in Erfahrung zu bringen. Und wenn die Nachricht so dürftig ist, dann wird sie auf ihrem Weg von Ohr zu Ohr mit Mutmaßungen angereichert, mit Gerüchten gewürzt Mit einigen der seltsameren davon konfrontiert, lacht Leonard Cohen. Das Bedächtige und Andächtige in Gestus und Ton fällt kurz von ihm ab, seine Heiterkeit ist ansteckend. Ja, sagt er, was ihm da so alles unterstellt werde, sei zuweilen schon komisch, zeuge aber immerhin von Phantasie. Für einen Augenblick ist er der Bohemien, der unrasierte Schöngebt, der Autor von Songs voll sinnlicher Poesie und Held unzähliger feuchter Studentinnenträume. „Let’s sing another song, boys“, zwinkern seine Augen,

„this one has grown old and bitter.“

Eine Illusion nur vermutlich, eine Projektion. Cohen schaltet zurück von dionysisch auf diakonisch, ohne moralinsauren Unterton indes, ohne eine Spur von Griesgrämigkeit. „Good to have you back on Boogie Street“, erwidere ich den Gruß, auf die in Cohens „Ten New Songs“ wiederkehrende Metapher anspielend. „I’m turning tricks, I’m getting fixed, I’m back on Boogie Street“, singt er in „A Thousand Kisses Deep“, und einer der Schlüsselsongs des Albums trägt sogar explizit den Titel „Boogie Street“. Eine bildhafte Umschreibung des Säkularen, der Geschäftigkeit, des Show-Business, so nahm ich an. Doch Leonard Cohen schüttelt milde lächelnd den Kopf. Nein, meint er, „Boogie Street“ sei überall. Auch das Kloster auf Mount Baldy, wo er fünf Jahre verbracht hat, als Gehilfe seines Zen-Meisters Joshu Sasaki Roshi, liege in unmittelbarer Nachbarschaft der Boogie Street. Völlig hinter sich lassen könne man sie nicht einmal in der Mediation. Also eine Falle? Eine Geisteshaltung? Cohen wehrt ab. Bei Interpretationen fühle er sich eher hilflos, er sei ja selbst ein Suchender. „There’s no one who has told us yet“, heißt es im Song, „what Boogie Street is for.“

Die Kunde von Leonard Cohens Rückkehr als Songschreiber hatte sich wie Lauffeuer verbreitet. Sicher, Skepsis schien angezeigt. Zu oft hatten irgendwelche Irren via Internet Lawinen losgetreten, zu oft erwiesen sich News im Netz als frei erfunden. Diesmal nicht, hallelujah. Schon Wochen später lag die Kassette von „Ihn New Songs“ vor, die Spannung wich und machte herber Enttäuschung Platz, trotz des sehnlichen Wunsches nach einem weiteren Beweis Cohenscher Größe und Genialität, vielleicht aber auch gerade deshalb. Wo bleibt die musikalische Exaltation, fragte ich mich noch nach wiederholtem Hören, wo die unwiderstehliche Sprachmacht, die geistvollen Lyrizismen, das mythische Dräuen und Wogen, die lange entbehrten literarischen Vexierspiele, die Radikalität, der Overkill, die gottverdammten Engelschöre?

All das klingt an in den zehn Songs, musikalisch höflich, lyrisch moderat. Die Zehn Gebote waren gestern, heute sind es zehn Entwürfe. Religiös verbrämt, wo früher alttestamentarisches Feuer loderte. In Tönen, die sich bedeckt halten, nur untermalen und nur ausnahmsweise ein Eigenleben entfalten. Sharon Robinson hat die Musik geschrieben, gespielt und produziert.

Die Musikenn versteht ihr Handwerk. Bereits in den 80er Jahren hatte sie Cohen mit Melodien ausgeholfen, für die Songs „Everybody Knows“ und „Waiting For The Mirade“, hatte mit ihm gesungen und sich in die Lehren seines Gurus Roshi geschickt. Ihre Kompositionen auf „Ten New Songs“ wirken konstruiert, als ob sie sich vorgenommen hätte, archetypische Cohen-Tunes zu kreieren. Es sind Vehikel geworden, die Cohens Texte kommod befördern, aber keine Geheimnisse bergen, nicht eine Überraschung.

Andererseits: Leonard Cohens Worte üben ebenfalls Verzicht. Wo einst schöne Sentenzen kopulierten und neue gebaren, wo mit geistreichen Finten wider den Ungeist der Welt gefochten wurde, gern auch mal derb und unzweideutig, da ist sich Cohen selbst genug. Dun, dem nichts Menschliches fremd ist, gab das Menschsein Rätsel auf, machte ihn gemütskrank und unfähig, im gewohnten Rahmen zu funktionieren. Die Jahre der selbstgewählten Isolation oben auf dem Berg, im kalifornischen Mount Baldy Zen Center, in ausschließlich dienender Eigenschaft, haben ihn, wie er es ausdrückt, „aufgerichtet“. Was nicht heiße, dass ihm alte Ideale nichts mehr bedeuten würden oder dass er nun einen optimistischeren Outlook hätte auf die Konditionen des Lebens. Er habe nur gelernt, sie besser zu bewältigen, ihre Unausweichlichkeit zu akzeptieren. Glücklicher, sagt Cohen, mache ihn das nicht, doch sei Glück ohnehin kein Zustand, sondern währe nur für Momente. Die nächste Frage drängt sich auf: So how the devil are you?

I’m fine, thankyou. Es ist eine Weile her, dass ich hier in Berlin war, aber ich habe sehr lebendige Erinnerungen an verschiedene Aufenthalte. Viel ist seither geschehen, nicht alles davon war erfreulich.

Könnten wir den Faden nach der Veröffentlichung deines letzten Albums “ The Future“ auf nehmen und deine Aktivitäten danach beleuchten?

Gut, lass mich nachdenken. Ich ging damals auf eine lange Tour, was im Rückblick nicht unbedingt eine gute Idee war. Rund hundert Konzerte müssen das gewesen sein. Idrank a tot, sang a lot. Es überkam mich immer stärker das Gefühl, dass mich das nirgendwo hinführte. Mein alter Lehrer Roshi war fast 90, ich ging auf die 60 zu, als er an mich herantrat mit dem Vorschlag, ihm zur Seite zu stehen. Der Gedanke gefiel mir ausnehmend gut, denn so konnte ich unser Verhältnis erneuern und es gab mir Gelegenheit, meine Studien mit ihm zu intensivieren. Ich zog also zu ihm auf den Mount Baldy und lebte dort für längere Zeit mit ihm.

Wie darf man sich diesen Ort vorstellen?

Es ähnelt einem japanischen Zen-Kloster, steht in der Tradition buddhistischer Kloster, die Roshi modifiziert hat für seine amerikanischen Schüler. Man pflegt dort gewisse Eigenheiten, die es andernorts nicht gibt, fühlt sich aber der Lehre des Zen-Buddhismus verpflichtet.

Wie verträgt sich das mit den Weisheiten des Talmud?

Oh, bestens. Ich war ja nicht auf der Suche nach einer anderen Religion. Ich war und bin glücklich mit meiner alten. Mein Interesse galt nicht neuen Grundlagen des Glaubens, dafür wäre dieses Kloster auch nicht geeignet. Die Lehre dort schert sich nicht um religiöse Dogmen oder religiöse Weltanschauung. Es geht nicht um eine Gottheit, nicht um die Anerkennung oder Ablehnung von Glaubensinhalten, es geht nur um das Wesen der Dinge, darum, welchen Wandlungen das Ich unterliegt Man studiert sozusagen die Mechanismen des Lebens. Es ist ein äußerst betriebsamer Ort. Die romantische Vorstellung, wonach in einem Kloster beschauliche Einkehr herrscht, Stille und Andacht, trifft auf Mount Baldy bestimmt nicht zu.

Hattest du Pflichten?

Oh ja, ich musste vielen Pflichten nachkommen. Die letzten Jahre oblag es mir, Roshis Essen zuzubereiten.

Du warst sein Koch?

Ja. Er ist ein alter Mann und auf Hilfe angewiesen. Zwei oder drei von uns sorgten für ihn, mit allem, was dazugehört. Waschen, putzen, kochen, was eben getan werden musste.

Wie ist es mit deinen Kochkünsten bestellt?

Nun, als Vater von zwei Kindern sollte ich in der Lage sein, ein Mahl zuzubereiten. Für Roshi musste ich mich allerdings schon deshalb umstellen, weil ein 90-jähriger Körper nicht mehr alles verträgt. Aber er aß gern, was ich kochte. Wenn nicht, war er zu höflich, es zu zeigen.

In buddhistischen Klöstern ernährt man sich wohl vegetarisch.

Ja, unbedingt. Tofu in allen Variationen. Und weil Roshis Ärzte es so wollten, gab es für ihn hin und wieder Fisch. Meine Spezialitäten waren Suppen und Gemüsegerichte.

Man munkelte, du hättest Erfüllung als Gärtner gefunden.

Richtig, das habe ich vergessen. Eine Zeitlang war ich zur Gartenarbeit eingeteilt. Sehr befriedigend, wenn man Zeuge wird, wie unter den eigenen Händen etwas wächst und gedeiht.

Wie hast du gewohnt?

Sehr einfach. Anfangs teilte ich einen Raum mit anderen Mönchen. In der Zeit, während ich für Roshi kochte, bewohnte ich eine Nische neben der Küche. Später bekam ich eine eigene Kammer zugewiesen. Das erschien mir wie Luxus.

Keine Entzugserscheinungen? Keinerlei Verlangen nach den Errungenschaften der Zivilisation?

Nein, ich war ja kein Gefangener. Ich war dort, weil ich es wollte, weil ich Roshi helfen konnte und weil es gut für mich war. Sehr heilsam. Im Übrigen war ich auch Roshis Chauffeur und hatte als solcher die Aufgabe, ihn zum Beispiel nach Los Angeles zu fahren, wenn er dort einen Vortrag hielt. Das hat mir dann für eine Weile gereicht, was das Zivilisatorische angeht. Gefehlt hat es mir nicht.

Hast du eine Robe getragen?

Sicher, es gab strikte Regeln, die jeder zu befolgen hatte. Dazu gehörte, sich den Kopf zu rasieren, die Kutte zu tragen und seine Arbeit zu tun.

Warum hast du dich erst so spät entschlossen, Mönch zu werden? Roshi war doch bereits seit Mitte der 70er Jahre dein Zen-Lehrer.

Sogar noch länger. Ich fühle mich dieser Gemeinde seit 30 Jahren verbunden. Ich habe immer wieder ein paar Tage oder Wochen dort hospitiert. Es war jedesmal eine Wohltat, doch es linderte meine Depression nicht nachhaltig. Ja, man könnte sagen, dass die Jahre auf Mount Baldy ein Rezept gegen Depression waren. Ein logischer Schritt, der Heilung versprach. Ganz pragmatisch gedacht. Hätte mich ein Physiker in Heidelberg fasziniert, dann wäre ich sicher dorthin gezogen und hätte Deutsch gelernt.

Was hast du während des Klosterlebens am meisten vermisst?

Schlaf. Egal, welchem der Mönche dort du diese Frage stellst, die Antwort wird stets dieselbe sein: Schlaf.

Wie sah ein typischer Tagesablaut aus?

Wecken um drei Uhr. Ich stand oft etwas früher auf, wenn ich für Roshi Kaffee brühen musste, so um halb drei.

Warum so schrecklich früh?

Das ist Tradition. Du wirst gezwungen, deine Reserven zu mobilisieren. Man vergisst schnell sich selbst, denn es hat keinen Sinn, sich zu beschweren. Selbstmitleid nützt auch nichts, denn du musst halt bereit sein, wenn die Glocke schlägt.

Was geschieht, wenn man verschläft?

Das ist nicht möglich – die anderen Mönche kommen und holen dich. In der Meditationshalle, wo man täglich vier bis fünf Stunden verbringt, achtet ein Aufpasser mit Stock darauf, dass du nicht einnickst.

Man wird sonst geschlagen?

Ja. Es kommt vor, dass man beim Meditieren eindöst. Wenn du dann mit dem Stock einen guten, kurzen Hieb erhältst, zwischen die Schulterblätter, tut das nur für einen Moment weh, es richtet dich jäh auf und stellt sicher, dass du dich darauf konzentrierst, wofür du da bist.

Also auf das Meditieren.

Richtig. Es ist keine Strafmaßnahme, sondern hilft dir, Haltung zu bewahren. Mir ist das einige Male geschehen, weil ich mich ablenken und meinen Geist schweifen ließ. Es kam vor, dass ich mich dabei ertappte, an meine Songs zu denken und daran zu arbeiten.I was a very bad monk.

Danach begann die Tagesfron?

Könnte man so sehen, ja. Harte Arbeit. Es war ursprünglich ein Pfadfinder-Camp, das wohl nur im Sommer genutzt wurde. Da es mehr als 2000 Meter hoch liegt, herrschen niedrige Temperaturen. Man hat das Gefühl, das ganze Jahr über ist Winter. Während sich die Leute in Los Angeles einen Sonnenbrand holen, schaufeln wir da oben Schnee. Und da alles aus Holz ist, gibt es viel zu tun. Rohre reparieren, schreinern, anstreichen, reinigen, bauen, graben. Was nicht leicht ist, denn der Boden ist aus Stein. Granit

Wie ließ sich unter diesen Bedingungen ein Garten anlegen?

Oh, es war ein kleiner Gemüsegarten im Innenhof. Um das Anwesen herum durfte man ohnehin nichts anbauen. Das örtliche Forstamt wollte verhindern, dass dort Pflanzen wachsen, die nicht hingehören, die von der Natur auf diesem Berg nicht vorgesehen sind. Fichten und Kiefern wuchsen dort hauptsächlich, für anspruchsvollere Gewächse ist der Felsboden zu karg. Wir arbeiteten viel im Wald, dann wurde wieder meditiert, dann zurück zur Arbeit. Wer abends noch Energie hatte, konnte tun, was er wollte. Eine Weile lesen war aber oft alles, wozu man sich noch aufraffen mochte. Ich schlief manchmal schon ein, bevor ich mich zum Bett schleppen konnte. Drei, vier, fünf Stunden Schlaf, dann läutete die Glocke zur Versammlung.

Du machst aber nicht den Eindruck, als würdest du die fünf Jahre auf Mount Baldy mittlerweile bereuen.

Nein, Reue ist ein sinnloser Luxus.

Ist das Suchen nach Wahrheit schon Teil der Wahrheit, ist der Weg das Ziel?

Das kann ich nur für mich beantworten und nicht einmal endgültig. Ich habe im Laufe meines Lebens schon sehr viele Pfade beschriften, die sich am Ende als Sackgassen erwiesen.

Man hat dich eine Zeitlang mit Scientology in Verbindung gebracht.

Ja. Und mit der Kommunistischen Partei, mit wiedergeborenen Christen, Jesus-Freaks und anderen Heilsverkündern. Ich habe viele dieser Modelle studiert, weil ich verwirrt war, weil ich nach etwas suchte, das eine Bedeutung hat. Ich hatte meine angestammte Religion, in die ich geboren wurde. Und doch suchte ich nach Antworten, mein konkretes Leben betreffend. Gefunden habe ich sie in keinem dieser Konzepte, sondern nur in Menschen. In Roshi, denn er verkörpert Güte. Ihm zu dienen, seinem Beispiel zu folgen, hat mir mehr geholfen als seinen Worten zu lauschen. Ideas are irrelevant ifthey don ‚t soffen the heart.

Es spielt also keine Rolle, welcher Religion man angehört, oder ob man denn überhaupt eine Religion abonniert?

Es spielt eine Rolle, wenn du religiöse Antworten brauchst. Gibt es ein Leben nach dem Tod, Seelenwanderung, Erlösung, solche Ideen. I think everyone lives their life as an emergency, as a crisis. Existenzielle Nöte stehen im Vordergrund, all diese Gedanken zu Reinkarnation und Transzendenz lenken davon ab. I was trying tofindsome way to get through the day. Die Wahrheit ist, dass ich die meisten Philosophien und Religionen nicht verstehe, wenn sie als geschlossene Systeme auftreten und vorgeben, Antworten auf alle Fragen zu haben. Das ist anmaßend. Ich konnte mich mit derlei Konzepten nie anfreunden. Wenn ich ehrlich sein will, muss ich allerdings gestehen, dass ich vieles davon einfach nicht kapiere, rein intellektuell. Ich habe schon in meiner Jugend erkannt, dass mein Geist sich nicht dazu eignet, komplizierte Lehren und Theorien zu erfassen. Oft nicht einmal die einfachen.

Der Zen-Buddhismus gehört doch aber fraglos zu den komplexeren Gedankengebäuden.

Stimmt. Aber ich habe auch Roshi oft nicht verstanden. Manche seiner verwinkelten Vorträge waren mir einfach zu hoch. .Seine neundimensionalen Modelle der Realität blieben für mich Rätsel. Es war seine Güte, seine Wärme und seine Freundschaft, die mir Halt gaben.

Das Schöne an Menschen wie Roshi – und ich habe ein paar wie ihn kennengelernt – ist, dass dein Kopf aufhört, sich zu drehen, wenn du in ihrer Gesellschaft bist. Du stellst keine blöden Fragen, weil dir klar wird, dass es die Patentlösungen, die man dir vorgaukelt, nicht gibt. Andere Schüler empfinden diese Erkenntnis als sehr ernüchternd, ja als Niederlage. Ich

empfand sie als äußerst entspannend, sie nahm diesen Druck von mir, den ich so lange gespürt hatte. I learned that I have no aptitudefor this search, I have no giftfor these matters. I may not knowwhat“it“ is, but I know that I don’t have to lookfor it.

Atheismus und eine Portion gesunder Menschenverstand hätten dich zum selben Ergebnis geführt, und das ohne Umwege.

Schön möglich (lacht), aber beides stand mir nicht zur Verfügung. Wie gesagt, mein Verstand freundet sich mit analytischen Folgerungen nur schwer an. Deshalb die harten Proben.

Ein Purgatorium?

Ja, durchaus. Meine Zeit im Zen-Kloster hatte etwas Reinigendes.

Und warum nun der Weg zurück in den Schmutz des Materialismus, in den alten Trott der Boogie Street: Album, Interviews, Tour, T-Shirt?

Ich sehe das nicht so. Boogie Street ist keine Adresse, sondern die schnöde Wirklichkeit, der tägliche Kampf. Auch das Klosterleben ist ein Teil der Boogie Street, mehr sogar, als vielen Mönchen lieb ist.

Es muss doch aber einen Gegenpol geben, etwas, das nicht zur Boogie Street gehört, sonst wäre der Begriff doch bedeutungslos.

Das Gegenteil von Boogie Street ist das Paradies. Und das ist nur für Augenblicke zu erhaschen. Wie Roshi sagt: Im Paradies kann man nicht leben, es gibt dort keine Restaurants und keine Toiletten.

Okay, ich frage anders: Warum jetzt die Rückkehr in den Musikbetrieb? Immerhin hast du vor sieben, acht Jahren verlautbart, du hättest damit abgeschlossen.

Kann ich nicht sagen, eine Gewissheit gibt es nicht. Es ist wie im Song „That Don’t Make It Junk“: „I know that I’m forgiven, but I don’t know how I know/ I don’t trust my inner feelings, inner feelings come and go.“ Ich empfand die Arbeit an dem Album in gewisser Weise erlösend. A great relaxation from both doubt and jear. No needto believe, no needto disbelieve.

Die Texte entstanden also im Kloster. Waren es zunächst nur Gedichte, die dann zu Songs ausgestaltet wurden, oder waren sie von vornherein als Songs angelegt?

Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Einige waren fast fertig, andere mussten überarbeitet und melodischen Strukturen angepasst werden. Es war ein langer Prozess, aber ich habe das Songschreiben stets als langwierige, schwierige Sache erlebt.

Wieso hast du die Musik zu deinen Texten nicht selbst geschrieben?

Es hat sich nicht ergeben. Sharon und ich kennen uns schon lange und

sehr gut.

Ich hatte früher schon mit ihr gearbeitet und empfand es als sehr fruchtbar. Als ich sie wiedertraf, erinnerten wir uns daran, dass wir zwar schon öfter die Absicht geäußert hatten, miteinander zu arbeiten, dass aber immer etwas dazwischen gekommen war. Diesmal schien die Zeit reif zu sein.

War sie die treibende Kraft?

Nein, manchmal war sie es, manchmal ich. Meistens ließen wir uns treiben, akzeptierten, was geschah. Anfangs war uns beiden nicht klar, wo genau uns das hinführen würde. Wir beendeten einen Song, begannen den nächsten, und igendwann ließ sich nicht mehr leugnen, dass wir an einem Album bastelten. Sharon legte viel Energie, Intuition und ihre erstaunliche Musikalität in diese Arbeit. Ich weiß nicht, aber ich glaube, ohne sie wären viele dieser Songs nur Worte auf Papier geblieben.

Von außen könnte man den Eindruck gewinnen, dass sie dich gekidnappt hat. Musik und Produktion lagen in ihren Händen, die meisten Instrumente hat sie auch gleich übernommen.

Sharon ist die Bescheidenheit in Person. Tatsächlich war es eine sehr freundliche, gebende Art von Kollaboration. Sie tat viel mehr als nötig, präsentierte mir immer verschiedene Möglichkeiten der Komposition, des Arrangements oder der Instrumentation, unter denen ich dann auswählte. Einiges haben wir auch gemeinsam erarbeitet. Oder wir werkelten jeder für sich in unseren Heimstudios und tauschten dann unsere Files aus. Und so nach und nach nahm das Ganze eine Form an, die mir gefieL Sharon spielte etwas auf ihrem Synthesizer, schickte es dir auf deinen Computer und du hast es verwendet oder verworfen?

Das klingt simpel, ich weiß, aber „Ten New Songs“ ist ein simples Album. Die Komplexität liegt in der Stimme und wie sie sich zum Setting verhält.

The voke is carrying a lot of interesting data. Ein überladenes Backing wäre da verfehlt, deshalb halte ich diese schlichtere, ohne großen Aufwand produzierte Musik für sehr passend.

Ich vermisse richtige Streicher, Resonanz und Dynamik. Das Album klingt wie ein perfektes Demo, dafür gemacht, im Studio mit musikalischen Finessen und atmosphärischen Klängen versehen zu werden. Sich von der Festplatte zu emanzipieren.

Sehr schön ausgedrückt (lacht), aber Du willst nicht dieses Album, du willst ein anderes. The Intention was to feature, as I call myself, the velvetfrog. Darauf wurde der Sound abgestellt. Im Prinzip muss ich Dir ja Recht geben.

Es stimmt, dass diese Aufnahmen zuerst als Demos gedacht waren. Eigentlich war es unsere Absicht, die einzelnen Parts mit natürlichen Instrumenten nachzuspielen. Ein richtiges Schlagzeug anstelle des Drumcomputers, ein echtes Orchester. Sharon wollte ihre eigenen Backing Vocals durch die anderer Sängerinnen substituieren. Ich war es, der darauf bestand, nichts dergleichen zu tun, sondern alles so zu belassen. Was als Demo begann, war am Ende genau das, was ich angestrebt hatte. Eine präsente Stimme, die Musik fahrt nirgendwo dazwischen, drängt sich nicht auf. Du kannst an der Oberfläche bleiben, you can go with the groove. Oder du kannst die Ebene der Songs betreten und dort fündig werden. Es ist, soweit ich das beurteilen kann, ein gutes und auch vielschichtiges Album. Ich liebe diesen synthetischen Klang, er ist so unaufwändig herzustellen. Versteh‘ mich nicht falsch, ich scheue keinen Aufwand, wenn es der Sache dienlich ist. Die Produktion auf „The Future“ war sehr elaboriert. Es ist also nicht so, dass ich produktionsästhetischen Herausforderungen aus dem Weg ginge. Oder etwa Zeit sparen wollte. Wir haben immerhin über ein Jahr daran gearbeitet. Es gibt auf „Ten New Songs“ keinen Ton, kein Wort und keine Wendung, die ich nicht verteidigt hätte und jederzeit verteidige.

Wirst du damit auf Tour gehen?

Vielleicht, aber ich habe diesbezüglich keine Pläne. Zuvor möchte ich das Buch herausbringen, dem auch die Texte zum neuen Album entstammen.

A book ofpoems?

Iwouldn ‚t dignify it with ,poems‘, but: pieces.

You can be too modest, you know.

No, I don ‚t think so (lacht). These are jokes, a lot ofthese are really just jokes.

Weitere Pläne?

Ja, eine neue Platte. Einige Songs dafür sind bereits fettig. Es wird aber völlig verschieden sein von „Ten New Songs“, eine ganz andere Sorte Album.

Oh, qood.

Yes (lacht). Good.

Früher schien es dir schwerer zu fallen, Songs zu verfassen. Es sei ein schmerzvoller Prozess, hast du ein- mal formuliert.

Ist es prinzipiell immer noch. Ich registriere allerdings kleine Schübe von Arbeitseifer bei mir. Eine insgesamt freundlichere Disposition, was musikalisches Schaffen betrifft.

Es gibt Songwriter – und nicht die schlechtesten -, denen die Songs zuzufliegen scheinen. Bob Dylan etwa sagt, er habe etliche Songs in einer Stunde oder weniger geschrieben.

Ich weiß, er hat es mir selbst gesagt. Ich sprach mit ihm Vorjahren in Paris, nach einem seiner Konzerte. Er hatte einen meiner Songs im Repertoire, „Hallelujah“, und ich war zufallig in Paris und wurde Zeuge davon. Nach seinem Auftritt kamen wir ins Gespräch, unter anderem über das Songwriting. Er lobte „Hallelujah“, dann fragte er mich, wie lange ich daran gearbeitet hätte. Ich log und sagte: zwei Jahre.

Es hat länger gedauert?

Oh, mehr als doppelt so lang; Ich hatte ganze Notizbücher damit gefüllt.

Wie hat er reagiert?

Er verdrehte ungläubig die Augen. Als dann später die Rede auf seine

Songs kam, nutzte ich die Gelegenheit, einen meiner Lieblingssongs von ihm, „I And I“, zu loben.

Von „Infidels“.

Genau. Ich fragte ihn, wie lange er dafür gebraucht habe. Er sagte: 15 Minuten. Und ich glaube ihm das. Er ist ein unglaublich produktiver Songschreiber. Was umso verblüffender ist, als sein Level keinen besonderen Schwankungen unterliegt. Er schaffte es, über die vielen Jahre nahezu gleichbleibend gut zu schreiben. Das habe ich ihm aber an dem Abend nicht gesagt Hörst du derzeit überhaupt Musik außerhalb deiner eigenen?

Ja sicher, allerdings nicht sehr häufig und nicht immer mit der Aufmerksamkeit, die sie verdient. Es ist, muss ich gestehen, meist Musik, die keine Überraschungen mehr für mich bereit hält. Alte Stücke, die ich noch immer mit Freude höre. Diese berühmte Aufnahme von Charlie und Inezz Foxx “ „Mockingbird“?

Richtig. Neuere Musik höre ich so selten wie beiläufig. Ich kann nicht behaupten, dass viel davon bei mir hängenbleibt. Doch, eine Platte fallt mir ein. Das letzte Album von George Jones. Wirklich beeindruckend, welche Breite von Ausdrucksmöglichkeiten seine Stimme noch immer hat. Hinzu kommt, dass die Geschichten, die er erzählt, an Glaubwürdigkeit gewinnen, je älter er wird. Mir gefallt diese Idee: an oldguyteUingstories. So, dass sie dich berühren.

My all-time favourite singer.

Mine, too.

Was halten deine Kinder von ihrem Vater? Wie haben sie es aufgenommen, als du dich hinter Klostermauern zurückgezogen hast?

Ihre Reaktion war eine sehr gelassene: „That’s dad“, so ist er nun mal. Seit sie erwachsen sind und eigene Wege beschreiten, sind sie aufmerksamer geworden, glaube ich. Adam ist mittlerweile 28, Musiker, und es kommt durchaus vor, dass er mich um Rat fragt. Vor zehn Jahren war das eher die Ausnahme. Und meine Tochter Lorca ist 26, bewohnt die Wohnung unter mir, und so sehen wir uns ständig.

Riss die Verbindung vorübergehend ab, als du im Kloster warst?

Nein, nie. Es ist nicht diese Art Kloster. Wir bekamen häufig Besuch, waren nicht aus der Welt. Kinder verbinden mit dem Begriff Kloster oft Vorstellungen von gebeugten, bärtigen alten Männern, die einem Schweigegelübde unterliegen. Einige meiner Besucher haben sich gewundert, wie laut und umtriebig es auf Mount Baldy zugeht. Ich fiel dort durch ruhige Zurückhaltung auf, weshalb mich die anderen Mönche Jikan nannten, the silent one.

Könnten wir uns abschließend darüber unterhalten, welche Erwartungen du mit “ Ten New Songs“ verbindest?

Gern, doch sind meine Erwartungen so bescheiden, fürchte ich, dass wir schnell zu einem Ende kommen. Es gehört zu den Dingen, die ein langes Leben lehrt, dass Enttäuschungen nicht ausbleiben. Was jedoch nicht heißt, dass man gut beraten ist, sie herbeizureden.

Je niedriger die Erwartung, desto geringer die Enttäuschung?

Ich weiß, dass es eine Anzahl von Menschen gibt, die in dem Album etwas von dem finden werden, was sie vermissen. Dafür bin ich dankbar. Ich weiß natürlich auch, dass bestimmte Kanäle genutzt und bestimmte Kontakte gepflegt werden müssen.

Du drehst eigene Videos. Ich weiß noch, mit welchem Stolz du mir 1984 diesen wunderschönen Clip zu „Dance Me To The End Of Love“ vorgespielt hast mit diesem hinreißenden Mädchen, Susan Hauser. Gedreht, um die Verkäuflichkeit von “ Various Positions“ zu verbessern, eines Albums, das dein US-Label Columbia dann nicht einmal veröffentlichte.

Ich erinnere mich. Es war aber weniger Stolz als Wohlgefallen (lacht), was den gesamten Vorgang indes in kein freundlicheres Licht taucht.

Im Radio spielt man dich kaum mehr als George Jones, welche Kanäle bleiben denn, um diese Musik zu verbreiten?

Es war schwer und wird schwerer. Deshalb mache ich Interviews wie dieses. I have to alert people that this record exists. Otherwise it would have nolifeatalL

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