Die Online-Werbung ist tot, doch die Karawane zieht weiter. Nur: wohin?

Wenn die Nacht am tiefsten, der Cache voller MB und die Augen eckig, dann flitzen dem Surfer schon mal weiße Mäuse um den Bildschirm. Die Sucht der Net-Surfer wurde erwiesen, Klickgewohnheiten untersucht und von den Machern der New Economy umworben. Doch Dot-coms wurden zu Not-coms, die Wirtschaft ohne Waren zu einer unwahren. Gleichzeitig will kein Unternehmen die 600 Millionen User aufgeben, die sich im globalen Dorf tummeln. Ein Großteil der Etats für Online-Werbung fließt inzwischen an Betreiber von Suchmaschinen, die gegen bare Münze die Reihenfolge der click-rates bereitwillig manipulieren (Google ist da die rühmliche Ausnahme). Guerilla-Marketing in seiner zynischsten Form. Die anfangs so beliebten Banner sind eigentlich gar nicht vom Aussterben bedroht, sondern bereits weg vom Window. Das Gros der verbliebenen Banderolen verweist auf Partnerprogramme oder Gegengeschäfte – für die auch kein Rubel rollt. Das Geschäft mit den 234×60-Pixel-Rahmen ist nur noch eine Fußnote in der Net-Geschichte. Dass Online-Werbung spannend sein kann, merkt man, wenn das erste Mal ein kleines rotes Auto über den Monitor saust Fast wie eine weiße Maus, nur eben quietschrot. Das Ding will angeklickt werden, muss aber nicht. Pop-ups machen neugierig auf den nächsten Gag – nicht so sehr auf den Volvo S60 als vielmehr das dazugehörige Spiel. Sieht man Kampagnen wie diese, so fällt einem auf, wie selten sie einem unterkommen. Nichts von der Raffinesse guter Kino-Spots, nichts vom Anspruch der Benetton-Fotos von Oliviero Ibscani. Dass die Werbung im Internet noch nicht in der Postmoderne angekommen ist, mag der User ja als angenehm empfinden – für alle, die damit Geld verdienen wollen, ist es vor allem eins: peinlich.

Der Holzweg, den Agenturen auf dem Datenhighway beschriften, war der, dass sie aus dem Zwang zum Interaktiven nicht mehr ableiteten als die Möglichkeit des Hyperlinks. Auf den „Fake-Banner“, die vortäuschten, man habe Optionen, folgte unerwünschter Datenverkehr und am Ende die Frage nach der Bankverbindung. Bereits 1999 – als Online-Werbeeinnahmen die $4-Mrd-Mauer durchbrachen – rutschten Klickraten von 0,5% auf 0,15%.

Interstitials (wie die für Volvo) bleiben die Ausnahme. Oder aber der Flipper, den die Brauerei Dommelsch als kostenlosen Download anbietet. Bringt nicht unmittelbar die Kassen zum Klingeln, fordert aber immerhin die brand-awareness.

Wie ein Plakat nicht viele Motive braucht, bestehen die größten Chancen in originellen Kampagnen, über die geredet wird. Gemeint ist nicht, dass nun Getränke- und Turnschuhhersteller TV-Spots auf der Homepage präsentieren. Aufregender, da fürs Internet produziert und mit entsprechenden Extras auf Abruf, sind ganz andere Heimkino-Erlebnisse – nämlich die BMW-Filmvignetten illustrer Regisseure wie John Woo, Guy Ritchie und John Frankenheimer: U-Minuten-Filme mit viel Action, Cameos von Marilyn Manson und James Brown plus Kommentare der Regisseure.

Wie bei der ersten Kleinanzeige (anno 1631 in einer französischen Zeitung), wie beim Pirelli-Kalender und Musikvideos gilt aber auch bei den neuen Online-Angeboten: Take it or leave it.

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