Die vier Aufrechten -Travis

Die ganz normale Gruppe für gewöhnliche Menschen: TRAVIS sehen sich gerne als Der immense Erfolg von "The Man Who" überraschte nicht zuletzt sie selbst. Nun lernte das ÜberfliegerQuartett aus Glasgow in L.A. das Landen. Auf den weichen Kissen Hollywoods, wo man sich gegen das Eitelkeits-Virus immunisierte. Und auf dem harten Studioboden, wo trotz enormen Erwartungsdrucks ein Album entstand, das kein "The Man Two" ist und doch alle Travis-Tugenden vereint.

Dublin Castle beherbergt eine schnöde Behörde, doch an seltenen Feiertagen drängen sich Menschen auf dem Kopfsteinpflaster des Innenhofs, die nicht für Formulare anstehen, sondern Kultur tanken. Popkultur mit Massenappeal, wie es scheint, denn ganze Familien drängen in Richtung Bühne. Väter mit kleinen Kindern auf den Schultern, Pulks pickeliger Teenager, Studenten, Senioren. Travis sei keine coole Band, sondern für alle da. Dieses Credo wurde wer weiß wie oft wiederholt von den vier Jungs aus Glasgow, nicht gebetsmühlenhaft, sondern mit messianischem Eifer. Wir sind niemand, nur unsere Songs zählen. Schaut man in die seligen, geröteten Gesichter singender Dubliner jedweden Alters, ist man fast geneigt, die hehre Selbsteinschätzung dieser Band zu teilen. „We’re a great band“, hatte Fran Heary jedem weisgemacht, „for ordinary people“. Und jetzt steht er da oben, umjubelt, und deutet aufsein T-Shirt. „Look“, sagt er, „Charlie Brown“.

Seit sieben Monaten sind Travis nicht mehr vor Publikum aufgetreten. Die Konventionen des modernen Musikbetriebs verlangten das. Alle zwei Jahre ein neues Album, fordern die ungeschriebenen Regularien. Ein paar Vfochen kreativer Hochspannung im Studio, dann die langen, strapaziösen Monate der Produktwerbung. Noch sind die Musiker heiß darauf, die neuen Songs zu testen. Danach, irgendwann und irgendwo, nach einem halben Jahr vielleicht, auf Tour in einem der so gtnanntensecondary markets wie, sagen wir, Belgien oder Italien, werden sie von der Routine eingeholt und übermannt werden. Kein Feuer wird mehr im Ofen lodern, ein wenig Glut wird allenfalls bewahrt werden können, ein Häufchen Asche wird zurückbleiben. „Oh no“, widerspricht Healy mit nachsichtigem Lächeln, und seine Mitstreiter schütteln entschieden den Kopf. Keinesfalls werde das passieren, nicht dieser Band. Gegen gewisse Ermüdungserscheinungen seien auch sie natürlich nicht gefeit, aber niemals würden sie weniger als alles aus sich herausholen. „Wir müssen uns nicht groß motivieren“, sagt Gitarrist Andy Dunlop, „weil wir wissen, dass da draußen andere Leute auf uns warten als gestern. Diese Spannung stellt sich immer ein, entspannt können wir nicht spielen“. Die Runde nickt. Dahinter, so Healy, stehe die Passion, Travis-Tunes zu verbreiten. Heiliger Hank, da ist er wieder, dieser Song-über-alles-Glaube, dieses Du-sollst-keine-Künstler-verehren-Gebot Eine Masche, behaupten Zyniker.

Koketterie, mutmaßen Skeptiker. Süß, sagen die weiblichen Fans. Von denen wieder etliche Regenschirme mitgebracht haben, die trotz eines Himmels ohne Wolken aufgespannt werden, als die ersten Akkorde von „Why Does It AlwaysRain OnMe“ über das weitläufige Areal schallen, von den altehrwürdigen Schlossmauern zurückgeworfen werden und in einen Massengesang münden, der meilenweit trägt. Gut möglich, dass Fran Healy eines Tages nur noch die ersten Zeilen seiner Lieder anstimmen muss und den Rest dann getrost dem Publikum überantworten kann. Die Beatles hatten seinerzeit den Konzertbetrieb eingestellt, weil ihre Musik im Wettkampf gegen das Kreischen der Girlies hoffnungslos unterlegen war. Dezibelmäßig.

John Lennon fand das frustrierend, Fran Healy genießt solche Liebesbezeugungen, weil er sie nicht auf sich selbst bezieht, sondern seinen Babies, den Songs, gönnt. Da trügt ihn allerdings die Wahrnehmung. Umfragen im United Kingdom zufolge ist er nicht nur ein allgemeiner Sympathieträger, sondern längst ein household name. Dessen neues Haus im Celebrity-Blatt „Heat“ abgebildet wird. Bevor er mit seiner Verlobten (nein: Fiancee klingt schöner) Nora überhaupt eingezogen ist Mit Adressenangabe. Worauf bei einer Serie von Einbrüchen so gut wie alles verschwindet, was nicht nietund nagelfest ist. Auch der Heiratsantrag selbst ging durch die Presse. Fran zuckt halb hilflos, halb entschuldigend die Schultern, Nora zeigt zuerst Verständnis für das Unwohlsein des Geliebten, dann den Brillantring von Tiffany. Die beiden lächeln, wissen aber wohl, dass sich das Private aus ihrem Leben bald vollends verflüchtigt haben wird. An guten Vorsätzen, die Vermeidung von Öffentlichkeit betreffend, mangelt es nicht, doch sind daran schon ganz andere gescheitert.

Bei Sony freilich sorgt man sich nicht um ein Zuviel an persönlichem Profil. Im Gegenteil. Der exorbitante Erfolg von „The Man IVho“ gibt den Marketendern, die für das Londoner Travis-Label Indepediente den weltweiten Umschlag organisieren, immer noch gewisse Rätsel auf. Man gab eine Untersuchung in Auftrag, deren Ergebnis in den oberen Etagen die Alarmglocken schrillen ließ. Anonym sei die Band, verrieten die Analysten. Nur den Sänger erkannten die Probanden, waren mehrheitlich aber der Meinung, er hieße Travis. Die Band konnte darüber herzlich lachen, das Marketing-Personal war weniger amüsiert. Das Cover von „The Man tVho“, wiewohl in Millionen von Haushalten heimisch, sei nun mal nicht Image-fördernd, wurde geklagt Vier entfernte Figuren, die in einer kargen, schneebedeckten Landschaft herumstolpern. Der Frontmann mit dem Rücken zur Kamera, die anderen schon auf dem LP-Format kaum zu erkennen, auf die Bierdeckel-Dimension einer CD geschrumpft jedoch ohne den geringsten Wiedererkennungswert „Genau das war ja unsere Absicht“, erklärt Bassist Dougie Payne, „zurückzutreten hinter die Musik und sie für sich selbst sprechen zu lassen.“ Ein Konzept, das nicht nur die Arbeit des Managements erschwert, sondern auch die Labour oflove: Dem digitaler Soundreproduktion abholden Autor und Travis-Fan WolJgang“Tbe VisibleMan“ Doebeling schenkte die Band ein Vinyl-Acetate mit selbstgemachtem Cover von Redakteuren, die mit Grellem und Schrillem allemal leichteres Spiel haben.

Doch wären Travis nicht Travis.

würden sie einlenken und faule Kompromisse schließen. Es ist nicht kolportiert, wie die Verantwortlichen bei Sony reagierten, als ihnen der Titel des neuen Albums mitgeteilt wurde und sie einen ersten Blick auf das Cover warfen, doch man wäre gerne dabeigewesen. „The Invisible Band“ wird die LP heißen, gewandet in ein Suchbild. Die Bandmitglieder inmitten eines Pflanzendickichts und überhaupt nur bei genauerem Hinsehen auszumachen. „Als wir erfuhren, dass bereits zwanzig Prozent der Leute auf der Straße wussten, wer wir sind und wie wir aussehen, musste schleunigst etwas geschehen“, grinst Healy maliziös, „es musste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir so unseren Bekanntheitsgrad nicht senken könnten.“ Die unsichtbare Band. In Healys Träumen verschwindet sie vollends. Jlch stelle mir vor, in zehn oder zwanzigjahren in einer Pizzeria zu sitzen, mit Dougie, Andy und NeiL Es läuft unsere Musik, die Leute singen und summen mit, während sie an ihrer Pizza nibbeln. Und wir sind mittendrin, werden aber nicht erkannt Das wäre doch großartig. Da wollen wir hin.“

Aufgenommen in Los Angeles, abermals unter der Ägide von Nigel Godrich, ist „The Invisible Band“ ein erneuter Quantensprung für Travis, in Sachen kompositorischer Reife, musikalischer Brillanz und Arrangierkunst so weit vor „The Man JVho“ wie der Superseller vor dem Debüt-Album „GoodFeeling“. Aus dem noch rabaukigen Britpop mit Soul-Intensität der Anfangszeit wurden Himmelsstürmer, die zu ambienten, beinahe amorphen Backing-Tracks hymnisierten. Und nun: Acelebrution ofsong. Ohne vereinheitlichende Sound-Signatur, ohne diese gleichförmig fließende, klangliche Geschlossenheit. Stattdessen entwickeln die Songs mehr Eigenleben, das dramaturgische Moment wird wichtiger, die Reihenfolge entscheidend. Godrich, erschöpft von monatelangen Studio-Sessions mit Radiohead, stellte von

Anfang an klar, dass er an einer Fortsetzung von „The Man JVho“krin Interesse habe. Kein Sequel, keine Wiederholung, überhaupt kein Schielen auf den Vorgänger.

„It was hard“, berichtet Fran Healy, „nichts schien ihm gut genug zu sein. Er lehnte diese melodische Idee ab, kritisierte jenen Gesangspart, wir kamen nicht von der Stelle.“ Dougie Payne bekundet Nferständnis für die Situation des Produzenten: „Nigel war ausgebrannt und nichts lag ihm ferner, als das noch mal zu absolvieren, was wir schon hinter uns hatten. Das Problem war, dass auch er kein Konzept hatte und sich der Klang dieser Platte erst während der Sessions entwickelte. Also hörten wir des öfteren das Wort ,crap‘ aus seinem Mund, ohne dass er uns hätte schlüssig erklären können, worauf alles hinauslaufen solL“ Trialanderror, tagelang. „Yeah“, meint Healy, „es zehrte an den Nerven. Nigel sagte etwas wie ,don’t do that again‘, wenn ihm etwas missfiel, und wir saßen daraufhin herum, die Gesichter in den Händen vergraben, bis uns ein zündender Gedanke kam. Zuvor waren wir noch bei .Black Market Music‘ gewesen, einem berühmten Laden in L.A., wo wir uns mit allerlei seltsamen, exotischen Instrumenten eindeckten, die uns zum Teil später wertvolle Dienste leisteten. Wenn wir etwa ein bestimmtes Dröhnen brauchten. Es war zu Beginn irre anstrengend, aber auch recht abenteuerlich.“

Einmal in Fahrt gekommen, vertiefen die Aufnahmen zügig. Zwei Tage pro Track nur hätten sie gebraucht, teilt Drummer Neil Primrose mit. Da bereits das Einstellen und mehrspurige Aufzeichnen des Schlagzeugs diverse Stunden verschlingt, ist das kein übler Schnitt. Der spätere Mix nahm noch mal so viel Zeit in Anspruch, weil in London aufgenommene Streicher-Parts hinzugefügt wurden, etwa für „Indefinitely“ oder „The Humpty Dumpty Love Song“. Travis legen Wert darauf, dass nirgendwo billiger Synth-Schrott zum Einsatz kam. Und so flirrt und vibriert ein echter, orchestraler Klangkörper, schwillt und schwelgt, bis er am Ende abgewürgt wird wie popelige Elektronik. „Nigel spielte mit dem Tape herum“, erinnert sich Healy, „weil er befand, dass ,Humpty Dumpty‘ etwas anderes brauchte als einen majestätischen Schlussakkord oder ein simples Verklingen“. So drehte Godrich am Regler, bis das Ende des Albums so unzeremoniell und versponnen eintrat wie die einzelnen Songs miteinander verbunden wurden. Durch Geräuschbrücken, in die der perfektionistische Tüftler viel Mühe investierte, und die deshalb so organisch wirken, weil sie es sind. Anstatt sie nämlich später einzubauen, bestand Godrich darauf, sie bereits bei den Aufnahmen mitzudenken und zu spielen. Nigels Dialektik, so diffizil wie umwegig.

Was dann doch noch zu Verzögerungen führte, war die schmerzliche Erkenntnis zwischendurch, dass man mehr Songs brauchte als Fran Healy im Gepäck hatte. „Ich hatte schon genug Songs im Vorfeld geschrieben“, beeilt sich der Komponist zu versichern, „aber da gab es einen, der Nigel nicht gefiel, andere wollten sich einfach nicht ins Album einfügen lassen. Also musste ich neue liefern.“ Aus dem Stand. Eine Erfahrung, die er im Nachhinein nicht missen möchte, die ihn aber scheußlich unter Druck setzte. Während also die Kollegen in Familie machten oder Urlaub, saß Franny Blut und Wasser schwitzend in Los Angeles, mit nichts weiter als Gitarre, Papier und Bleistift. „Mit einer Deadline zu arbeiten, war eine radikal neue Erfahrung für mich. Anfangs ging gar nichts. Als ob alle zerebralen Register gelöscht worden wären. Aber je näher der Abgabetermin rückte, desto besser ordneten sich meine Gedanken, und am Ende, kurz vor zwölf, war ich richtig glücklich mit dem Resultat.“ Kein Preis für die korrekte Antwort auf die Frage, ob der Rest von Travis mit Frans Zugaben zufrieden war.

Witzige Widersprüche tun sich auf, wenn diejungs auf den Freizeitwert von Los Angeles angesprochen werden. Oh, beteuern sie tapfer, da wäre wenig Zeit gewesen für Ablenkungen jedweder Art. „Wir haben uns voll auf unsere Arbeit konzentriert“, sagt Dougie, „zeitweise haben wir sogar ganz verdrängt, wo wir waren.“ Erst Stunden später, privatim, berichtet Payne von Beobachtungen jenseits der Mauem des Ocean Way Studios am Sunset Boulevard. „Hollywood ist nur Fassade“, hat er erkannt, „darunter gärt es.“ Seine Faszination für den „underbelly“ der Stadt, wie er die Schattenseite der Glitzerwelt nennt, wird auch von den anderen geteilt. Vier Jungs aus Glasgow, aus bescheidenen bis ärmlichsten Verhältnissen, am Nabel der Show-‚Welt Angewidert und zugleich angezogen wie Motten vom Licht Selbst der bodenständige, ruhige, sich selbst als lakonisch einstufende Primrose kam verschiedentlich ins Staunen.

Aus der Ferne, wie er verlegen grinsend versichert. Dunlop, versiertester Travis-Musiker und personifiziertes Rock-Gewissen der Band, machte sich zum Narren, als er im Hotel-Lift nach unten fuhr und, nach Öffnen der Tür, sich plötzlich Auge in Auge mit Lou Reed sah. Eine Schrecksekunde später war er wieder auf dem Weg nach oben. „Es war ein Kurzschluss“, grummelt er, „als er plötzlich vor mir stand, drückte ich auf den nächstbesten Knopf.“ Wie Lou Reed reagierte, als sich die Aufzugtür vor seiner Nase wieder schloss, wissen wir nicht, doch hat der Mann ja überhaupt nur zwei Gesichtsausdrücke im Repertoire: düster und dünkelhaft.

Lauscht man den Abenteuern der vier Aufrechten in der Society von Bei Air und Beverly Hills, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, als hätten sie die Party-Tortur nur widerwillig auf sich genommen. Doch hat das prüfende Hineinschnuppern in die Welt des Silikon und Mammon durchaus Spuren hinterlassen. Tricky, der im selben Studio aufnahm, lud sie zu Alanis Morissette ein, einer weiteren Kundin von Ocean Way. „David Duchovny war da und Ally McBeal“, erfahren wir, Interessant Nicht etwa: Mulder und Calista Flockheart. „Es war unwirklich“, meint Fran, „du stehst da mit einem Glas in der Hand und schaust nach links in ein Gesicht, das du vom Fernsehen kennst, zu dem dir aber der Name nicht einfällt Dann drehst du dich um und siehst Dougie, wie er mit Jim Carrey schäkert.“

Aber da Fran nun mal nicht anders kann, hat er sich auch für dieses Phänomen eine Theorie zurechtgelegt. So, wie er sich ausufernd über die Relevanz seines kleinen Kopfes äußern kann (dafür fehlt nicht nur hier der Platz), so genau glaubt er zu wissen, warum der Umgang mit Filmstars gewöhnungsbedürftig ist „It’s because they’re not two-dimensional“, fabuliert er mit großem Ernst „Du kennst sie vom Bildschirm oder von der Leinwand, also flach. Und plötzlich kannst du um sie herum gehen, sie anfassen.“ Die flächige Filmrealität werde abgelöst von einer anderen Realität, weshalb letztere als surreal empfunden werde. Soweit das sehr geraffte Resümee.Surrealer erscheint uns folgende, von Fran nicht minder detailiert geschilderte Episode.

Es begab sich in der Hotel-Lobby.

Ein Mann sprach Healy an, den der sofort erkannte, der sich nichtsdestoweniger artig vorstellte: Michael Stipe. Ein kleiner Plausch folgte, von dem nicht viel bei Fran hängenblieb, weil er immer an seinen Lehrer denken musste, der ihm einst die R.E.M.-LP „Green“ gab, mit dem aufmunternden ja mahnenden Hinweis, dass er, Francis Healy, eines Tages genauso großartige Songs schreiben werde, wenn er sich nur ordentlich reinhänge. Immerhin verstand Fran, dass Stipe mit Travis wohl vertraut war, die Schotten sogar schon live erlebt hatte. Abends, so der amerikanische Rockstar mit Mut zur Häuslichkeit zum britischen Songschmied mit alberner Frisur (Nora gefallt sie, und Nörgler, sagt Fran, könnten ihn mal), abends also werde er sich mit Morrissey treffen und ob Healy nicht Lust habe, sich den beiden anzuschließen. Fuck, das darf doch nicht wahr sein, dachte Fran. Und sagte: Mal sehen, ruf mich an.

„Es ist gar nicht schwer, cool und abgeklärt zu wirken“, grient Healy, „das sind alles ganz normale Leute. Ich meine, ich bin auch nichts weiter als ein KerL der halt Songs schreibt Kein Grund, eine Spezialbehandlung einzufordern.“ Die halbe Wahrheit nur, denn den ganzen Abend lang sitzt der gute Fran im Hotelzimmer, wartend. Alle anderen Anrufer werden abgewimmelt. Erst kurz vor Mitternacht, Healy hat die

Hoffnung schon aufgegeben hört er die Worte aus der Muschel: Hi, this is Michael…

Das Treffen des Triumvirats bleibt dann hinter den Erwartungen zurück, erschöpft sich in mehr oder minder unterhaltsamen Belanglosigkeiten. Egal, ein neuer Qub, in dem Fran Healy Mitglied wurde, ohne Aumahmeantrag. Have sonp, will travel hätte früher einmal auf seinem Guitar-Case stehen können. Inzwischen hat der ehemalige Kunststudent genug Sprossen auf der Leiter zum Ruhm erklommen, um zu wissen, was er nicht will und was ihm zusteht. Als ihn Julia Roberts anruft und ihn bittet, die Hotelsuiten zu tauschen, lässt er sie abblitzen. „Ich hatte mich breitgemacht, meine Sachen überall verteilt und wollte genau dort bleiben, wo ich war“, erklärt er achselzuckend,“.da bin ich stur.“

Was nicht so recht zum überaus relaxten Umgang mit anderen Banalitäten passen wilL Besagte Frisur, ein urbaner Mohikaner, verdankt Fran demselben Hairdresser, der ihm den berühmten Flossen-Schnitt verpasst hatte. Healys einzige Regieanweisung: Mach mal was anderes. Einen ähnlichen Wundertüten-Charakter haben Travis-Videos. „Wir lassen uns überraschen“, meint der Sänger, „unser Kontroll-THeb beschränkt sich auf die Musik.“ Und auf die Texte, die von den anderen zwar nicht in Frage gestellt werden, deren philosophische Implikastionen aber nur von Fran vertreten werden. Dafür umso ferventer. Eine Grundkonstante dieser Lyrik ist ihm offenbar besonders wichtig, denn sie zieht sich wie ein roter Faden durch seine Songs. Eine gewisse Schicksalsergebenheit, die Furcht, sich festzulegen. „Life is both a major and a minor key“, heißt es noch unverbindlich in „Side“, dann reimt Healy: „There is no wrong, there b no right/ The circle only has one side“. Schlüsselstück für das Verständnis von Healys Weltsicht ist indes „Pipe Dreams“, dessen Arbeitstitel nicht von ungefähr „Shut The Folk Up“ war. „It all boDs down to the same old pain“, singt der Dichter hier, nachdem er die Abwesenheit Gottes konstatiert hat, „whether you win or you lose isn’t gonna change a single (hing“. Das hat etwas Defätistisches, was Fran freilich abstreitet. Bis fünf Uhr früh, auf dem Boden des Hotelzimmers liegend. Bis die Augen zufallen.

Soviel zur Genese jener Platte, der Arne Willander auf Seite 91 mit Recht fünf Sterne zuspricht und sie somit ins Pantheon großer Popkunst aufnimmt. Eine LP, die man Jahre und Jahrzehnte wird hören können und wollen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Songs melodische Wunder sind, aber auch weil die Band ihr musikalisches Potenzial erstmals ganz ausgeschöpft hat, weil alle, Nigel Godrich inklusive, an die Grenze dessen gegangen sind, was noch geht in Sachen süßer, saftiger, satter Harmoniekost. Mit mehr als genug kleinen, versteckten Finten und Finessen, die ihre Wirkung erst sukzessive entfalten.

Happy, wenngleich erschöpft, hängen Travis in den Seilen. Das Abenteuer Los Angeles ist nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Growing up in public. Auf Dauer dort leben könnten sie ohnehin nicht. Sie haben die „Offenheit“ der Kalifornier, wie Healy ironisch anfügt, zu schätzen und zu fürchten gelernt. „Disneyland“, schnaubt Payne verächtlich.

In New „York City ließe es sich, so Travis unisono, allerdings eine Weile aushalten. Der Big Apple hat es den Lads angetan. Doch ist NYC ja bekanntlich nicht Amerika. Fran würde gern eine Zeitlang in Hamburg wohnen. Mit Nora natürlich, deutsch lernen womöglich. Dougie zieht es nach Berlin, obwohl er nicht so recht weiß, was ihn dort erwarten würde. „It’s the Bowie thing“, vermutet er. Gestern, auf der Bühne des Dublin Castle, hat Dougie Payne den Bowie gegeben. Und den Ian Hunter. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen war sein Gesang angesiedelt, als Travis für eine ihrer Zugaben ein Stück auspackten, das nicht nur die Show perfekt beendete, sondern auch im Kontext der Bandgeschichte eine Menge Sinn macht: „All The Young Dudes“.

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