e.s.t. Symphony in Wien: Die DNA der Symphonie

Im Wiener Musikverein feierte „e.s.t. Symphony“ die Musik des legendären Trios rund um den verstorbenen Pianisten Esbjörn Svensson.

Als Esbjörn Svensson 2008 auf tragische Art und Weise aus dem Leben schied, saß der Schock nicht nur in der Jazzwelt tief. e.s.t. waren musikalische Brückenbauer, verstanden es wie wenig andere aus dem Jazz-Biotop, Hörer aus allen erdenklichen Himmelsrichtungen ins Boot zu holen und sowohl mit ihren energetischen Liveshows als auch mit einer Reihe an brillanten Studio-Outputs zu begeistern. e.s.t. waren ein Trio, das wahlweise wie ein Orchester oder eine Rockband spielen konnte, eine einzigartige und festzusammengeschweißte Einheit, intelligent und eingängig in Komposition und Performance, experimentell aber nie unnötig ausschweifend.

Dass die verbliebenen Mitglieder– Schlagzeuger Magnus Öström und Kontrabassist Dan Berglund – gemeinsam mit dem Dirigenten und Arrangeur Hans Ek das Projekt „e.s.t. Symphony“ ins Leben gerufen haben, macht durchaus Sinn: den Orchestergedanken wollte man nämlich schon zu Lebzeiten Svenssons umsetzen. Aus traurigen Gründen ist der Orchestergedanke nun gleichermaßen zu einem Tribut an den verstorbenen Freund als auch eine Erinnerung und Weiterführung des eigenen Werks geworden – aber das ist nur ein Aspekt des Ganzen.

Mit „e.s.t. Symphony“ – das beweist der Abend im Wiener Musikverein gemeinsam mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich – ist Öström, Berglund und Ek ein Drahtseilakt gelungen: nämlich sowohl ein Tribut an Svensson und seine Musik zu erschaffen, aber auch die Stücke weiterzudenken, weiterleben und sich entwickeln zu lassen.

Es ist alles andere als eine reguläre Einbettung von bestehenden Stücken in ein Orchestergewand, das Hans Ek erarbeitet hat: „The DNA of e.s.t.“ heißt ein Stück Eks, bei dem Öström, Berglund sowie die Nicht-Orchester-Gastmusiker (Pianist Malcolm Braff, Saxophonist Marius Neset sowie – großartig! – Trompeter Thomas Gansch) die Bühne kurz verlassen. Der Titel trifft es gut: Anstatt die dynamischen Stücke Svenssons eins zu eins mit Klassik-Pathos darzubieten, hat man das Orchester diverse Aufgaben übernehmen lassen. Svenssons Klavierkompositionen – das Herz des Trios – werden aufgeteilt, das Orchester übernimmt gelegentlich die Funktion einer Big Band, agiert dann wieder symphonisch.

Man hat den Kompositionen eine große dynamische Spannbreite arrangiert, die oft auch improvisatorisch auf den Kern – Öström und Berglund – reduziert wird, in Soli und kleinere Jams übergeht, ehe der Orchestereinsatz die Stücke wieder in ganz andere Richtungen treibt. So bekommt „From Gagarin’s Point of View“ zu Anfang des Sets beispielsweise eine noch sphärischere, luftigere Substanz, „Seven Days Of Falling“ wiederum wird zur oppulenten Groove-Symphonie.

e.s.t. Symphony treibt Stücke wie „When God Created The Coffee Break“ oder „Elevation Of Love“ großartig in alle erdenklichen Himmelsrichtungen, setzt das Orchester als lebendiges Instrumentarium und nicht als hochkulturelle Veredelung/Verkitschung ein. Beinahe zwei Stunden dauert die Reise durch die e.s.t.-DNA – danach geht es für die Jazz-Fraktion des Projekts weiter in einen Club. Ein imposanter Abend und der Beweis: e.s.t. lebt.

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