Ein komisches Gefühl

Geoff Travis, Chef der Londoner Plattenfirma Rough Trade, brachte Peter Doherty ins Studio - und hat jetzt Zweifel daran, dass das eine gute Idee war

Mr. Travis, sind die Libertines die schwierigste Band, mit der Sie als Label-Chef jemals arbeiten mussten?

Das Wort schwierig trifft die Sache nicht ganz, (lacht) Natürlich ist das fast eine kleine Tradition, dass wir die etwas… verrückteren Künstler anziehen. Morrissey war manchmal so ein Fall, auch William und Jim Reid(von The Jesus And Mary Chain). Das mit den Libertines ist sicher eine der schwierigsten Situationen, die wir je hatten. Die Situation, nicht die Leute, die sind wundervoll und haben die besten Absichten. Peter in diesem Zustand zu sehen, kann einem das Herz brechen.

Also kein Arger, eher Anteilnahme.

Ich frage mich manchmal, ob es überhaupt richtig ist, die Platte zu veröffentlichen. Ob es Peter gut tun wird. Möglicherweise wird die Platte ziemlich erfolgreich sein, und je mehr Erfolg sie hat, desto fester wird er sich in seiner kleinen, solipsistischen Welt einrichten. Weil er denken wird, dass ja alles gut läuft. Es könnte aber auch sein, dass er erst dadurch begreift, was er alles aufgegeben hat, was er verpasst. Das hoffen wir natürlich.

Haben Sie geahnt, dass es so weit kommen könnte mit Peter?

Nein. Wer ihn kennen gelernt hat, hat ihn als hoch intelligenten, unruhigen Menschen erlebt. Mit Gedanken, die mit hundert Stundenkilometern durch die Gegend zischen. Man hatte nie den Eindruck, man könnte ihn dazu bringen, sich aufs Sofa zu setzen und zu entspannen. Das kann er nicht. Vielleicht hat erdazu die Drogen gebraucht, um sich selbst ein bisschen ruhigzustellen.

Wie haben Sie ihn bloß dazu gebracht, mit den Libertines die Platte aufzunehmen?

Das ist ein Wunder, ein echtes Wunder. Zwei Wochen vor Beginn der Aufnahmen hätte man wetten können, dass sie nie zustande kommen. Das verdanken wir vor allem meiner Geschäftspartnerin Jeanette (Lee, ehemalige P.I.L.-Sängerin).

Sie hat mit Pete gesprochen und ihm erklärt, dass er seine Spur noch nicht tief genug gezogen habe, dass er in der Geschichte des Rock’n’Roll ein größeres Erbe hinterlassen müsse als nur eine einzige Platte. Und sie hat vorgeschlagen, wieder Mick Jones zu engagieren.

So konnten Sie ihn überreden?

Ja. Wir mussten seine künstlerische Eitelkeit wecken. Wir sagten zu Peter: Dass die Stone Roses nur anderthalb Alben gemacht haben, das war doch ein riesiger Fehler. Schau dir im Vergleich die Beatles, die Rolling Stones oder die Smiths an. Peter liebt die Smiths. Das Argument hat ihn erwischt. Es war natürlich nicht das einzige…

Hat Pete Ihnen gegenüber jemals für das, was er getan hat, Bedauern gezeigt?

Wie gesagt, er ist hoch intelligent und hat genau mitbekommen, was passiert ist. Aber offenbar hat er bisher nicht eingesehen, dass er sich mit seinem Lebensstil auf Dauer handlungsunfähig macht. Alle Drogen-Fachleute sagen, dass man erst ganz am Boden liegen muss, um das einzusehen und umzukehren. Aber man kommt eben nie ganz unten am Boden an, wenn man jede Minute berühmter wird und Leute um sich hat, die einem das einreden. Man darf nicht vergessen, er war dreimal in Therapie und hat dreimal abgebrochen.

Therapien, die Sie bezahlt haben.

Ja. Das habe ich gern gemacht.

Die Entscheidung, dass die Libertines zunächst ohne Pete weitermachen – wie schwer war die?

Das weiß ich nicht, das haben die Band und das Management entschieden. Sie wollen Peter damit wohl signalisieren, dass er nicht den gesamten Betrieb aufhalten kann. Ich verstehe das, aber ich habe ein komisches Gefühl dabei. Wenn man die Geschichte des Rock’n’Roll wörtlich nimmt, müsste man sagen: Sie sollten nicht ohne ihn spielen. Aber da sind ja noch drei andere Individuen mit ihren Bedürfnissen und ihrer Begeisterung. Für sie ist es vielleicht die letzte Möglichkeit, noch ein wenig Geld zu verdienen.

Sie haben bei Rough Trade ja auch Wolfman & Pete Dohertys „For Lovers“ und die „Babyshambles“-Single veröffentlicht (siehe links), sein Gegenprojekt. Kommt da bald noch mehr?

Das könnte sein. Könnte sein.

Wollen Sie nicht genauer werden?

Es könnte sein.

Für die „Babyshambles“-Single muss man schon jetzt gewaltige Sammlerpreise zahlen.

Sie ist kein Meisterwerk. Aber wenn Peter in dieser sonderbaren Zeit weiter Musik macht, dann werden wir sie veröffentlichen und ihm helfen, die Qualität so hoch wie möglich zu halten. Er hat so viel Talent, wir wollen ihm keinesfalls schaden. Vielleicht gibt es ja bald ein „Babyshambles“-Album… die Leute sollten ihr Geld lieber darauf sparen.

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