Eine Erinnerung

Als ich ihn 1978 bei einem ausverkauften Konzert in Mailand zum ersten Mal erlebte, da geschah ein Wunder: FABRIZIO DE ANDRE sang und spielte mit einer derartigen Intensität, daß sich mir, der ich glaubte, als alter Branchenhase alles gehört und gesehen zu haben, buchstäblich die Nackenhaare sträubten. Die 8000 italienischen Fans im Saal dürften ähnlich empfunden haben. Jedem Song des geliebten Cantautore lauschten sie in andächtiger Stille, um ihn danach, ihre brennenden Kerzen schwenkend, frenetisch zu bejubeln. Obwohl Andre auf jede Show-Geste verzichtete, übte er allein durch seinen leidenschaftlichen Vortrag auf mich eine solche Faszination aus, wie ich sie seitdem nie wieder erleben durfte. Nach dem Auftritt traf ich Fabrizio hinter der Bühne, und obwohl ich kein Wort seines italienischen Dialekts verstand (und er kein Wort Deutsch), unterhielten wir uns prächtig. Daß ich dann ein Jahr später die zehn Konzerte seiner ersten und einzigen Deutschland-Tour veranstalten durfte, empfinde ich noch heute als große Ehre. Fabrizio war ein Anarchist, dazu noch von der verrückten Sorte, aber seine Lieder machten ihn zur Stimme aller Außenseiter und Gescheiterten. Mit Fabrizio, der am 11.Januar im Alter von 58 Jahren einem Krebsleiden erlag, verlor Italien ein inbrünstig geliebtes, aber scheues, widerborstiges Idol – und ich einen guten Freund.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates