Eine Fischvergiftung namens Wanda

"Bussi" ist ein neuer Meilenstein in Sachen Anti-Qualität. Der absolute Nullpunkt. Ideal für Menschen, die sich überhaupt nicht für Musik interessieren. Ein Beitrag zur hiesigen Wanda-Euphorie, von Wolfgang Zechner

ROLLING-STONE-Fundstück vom 23. Oktober 2015

Wie beginnt man einen Text, der von einer der schlechtesten Platten der jüngeren Musikgeschichte handelt? Vielleicht so: Die Musik von Wanda ist die Kirche von Satan. Und „Bussi“ ist ihr dunkler Gral. „Bussi“? Ja, „Bussi“. Wer sich so einen Namen ausdenkt, kann kein guter Mensch sein. Darüber sind wir uns wohl alle einig. In diesem Zusammenhang kann ich gleich mit einem weit verbreiteten popkulturellen Irrtum aufräumen. Böse Menschen haben keine Lieder? Stimmt nicht. Böse Menschen haben viele Lieder und füllen damit ganze Platten. Und diese tragen dann bescheuerte Namen wie „Bussi“.

Hört man das Album durch, drängt sich sofort eine Frage auf: Echt? So was ist im Jahr 2015 tatsächlich möglich? Und zwar ohne, dass irgendjemand dafür ins Gefängnis gehen muss, öffentlich ausgepeitscht oder zumindest mit einem lebenslangen Auftrittsverbot belegt wird? Dann gleich eine zweite Frage. Was ist eigentlich schlimmer? Die grausame Fahrstuhlmusik zum Schafott des guten Geschmacks oder das am Marketing-Reißbrett zusammengefakte Plastik-Image der Band, das irgendwo zwischen Wiener Zuhälterromantik, Tinder-Profilfoto-Elend und professionellem Autodrom-Einparker-Chic herumkrebst? Man weiß es nicht. Erst im Zusammenspiel von Musik und Optik offenbart sich die ganze Bandbreite des Schreckens. Sexismus mit menschlichem Antlitz trifft auf Malen-nach-Zahlen-Schlagerrock, der so klingt, als hätte Stefanie Werger in Ridley-Scott-Alien-Manier den leblosen Körper von fünf Wiener Würstchen befallen um fortan als symbiotisches Austropop-Monstrum eine ganze Generation von kritiklosen Formatradiohörern mit gefühligem Fremdschäm-Müll zu vergiften. Die Lyrics? Auch nicht besser. Hören sich an, als hätte der Songtexter von Hansi Hinterseer im zweiten Bildungsweg einen Grundkurs in „Wienerisch für Dummies“ absolviert um anschließend als Pressesprecher für die Berufsinnung der österreichischen Pick-Up Artists aktiv zu werden.

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Ja, das ist alles ganz, ganz schlimm. Aber das schlimmste an Wanda ist, wie die Band den eigenen Bekanntenkreis dezimiert. Es ist nämlich so: Eine erstaunlich große Zahl an Menschen findet diese augenzwinkernde Hallodri-Masche auch noch gut. Darunter einige, von denen man bisher vermutete hatte, dass die eigentlich okay wären. Klar, in drei Jahren werden sich alle für ihr damaliges, geschmackliches Totalversagen schämen und behaupten, nie dabei gewesen zu sein und das eh schon immer furchtbar gefunden zu haben. So läuft’s ja immer. Zum Glück habe ich die Namen aller Wanda-Apostelinnen in meinem Umfeld fein säuberlich notiert. Euch wird nicht vergeben! Wer Wanda cool findet, ist der Feind – causa finita!

Eine seltsame Rolle in dieser Tragödie spielt übrigens das bundesdeutsche Pop-Feuilleton, das von einer unerklärlichen austrophilen Geisteskrankheit befallen zu sein scheint. Die so aufgegeilten Pop-Kritiker benehmen sich dabei wie eine mit Kleinem Feigling abgefüllte Urlauberinnengruppe aus Castrop-Rauxel, die in irgendeiner gottverlassenen, österreichischen Apres-Ski-Hölle von einer Meute grindiger Skilehrer eingekocht wird.

Wanda live beim Appletree Garden Festival
Wanda live beim Appletree Garden Festival

Das klingt auf den ersten Blick alles ziemlich negativ. Aber ich bin ein Fanatiker der Fairness, ein Bannerträger der Bedachtsamkeit. Darum setzt es an dieser Stelle auch mal ein Lob: Es ist beeindruckend, wie sehr es Wanda gelingt, die restliche österreichische Musikszene in einem besseren Licht erstrahlen zu lassen. Ihre zynische Ich-singe-wie-mir-der-Schnabel-gewachsen-ist-Attitüde ist nämlich so ekelig, dass daneben sogar eine volkstümliche Knallcharge wie Andreas Gabalier beinahe wie ein hintersinniger Pop-Feinmechaniker aussieht.

Vielleicht darf ich zum Schluss noch was zum Thema Eskalationsbeschleunigung in Sachen Qualitätsverlust sagen. War das erste Wanda-Album nur grottenschlecht und peinlich, so unterbietet der Nachfolger den historischen Tiefststand mit Leichtigkeit. „Bussi“ ist ein neuer Meilenstein in Sachen Anti-Qualität. Der absolute Nullpunkt. Also der ideale Sound-Dreck für alle Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks. Ideal für Menschen, die sich überhaupt nicht für Musik interessieren.

Bleibt noch ein Blick in die Zukunft. Alleine der Gedanke an ein drittes Album der Wiener Wiedergeburt von Pur erfüllt mich mit Abscheu. Zu wie viel Niedertracht ist diese Band eigentlich noch fähig? Wird sie vielleicht eine Platte einspielen, die ausschließlich Nickelback– und Bon Jovi-Coverversionen enthält, die zuvor ins Wienerische übertragen worden sind? I leg’ di nieder in die Harpfen* voller Rosen? Oder werden sie die erste Falco-Platten neu aufnehmen und zu diesem Behufe Michael Niaravani, Mario Barth oder meinetwegen Gunter Gabriel als Gastsänger einladen? Nein, wahrscheinlich kommt alles noch viel schlimmer. Zum Glück werde ich es nie erfahren. Denn bevor ich mir eine dritte Wanda-Platte anhöre, entferne ich mir lieber alle Zehennägel eigenhändig mit einem Tortenheber. Nun drucke ich noch schnell dieses feinsinnige Thesenpapier aus und nagle es an die Kirchentür der Wanda-Sekte. Und zwar mit meinem Kopf. Hier stehe ich und kann nicht anders: Baut eine Mauer um Bologna! Schluss mit lustig! Nie mehr Amore! Bussi und Baba!

Wolfgang Zechner ist Journalist, Autor und Vortragender. Er lebt und arbeitet in Wien. Der Text über Wanda ist mit freundlicher Genehmigung seiner Homepage entnommen.

Gerrit Starczewski
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