Eine Rose und ein Goldener Bär für die Filmleute

Dem iranischen Regisseur Jafar Panahi ist für seinen Film »Taxi« der Goldene Bär für den Besten Film verliehen worden. Die Jury zeichnet damit ein unter widrigen Umständen gedrehtes Porträt einer Gesellschaft im ständigen Ausnahmezustand aus. Panahi gewann bereits 2006 mit seinem Film »Offside« den Großen Preis der Jury. Auch bei den Silbernen Bären zeigte sich, dass die Berlinale das politischste unter den internationalen Filmfestivals ist.

Er steht unter Berufsverbot und Hausarrest, doch einen wie den iranischen Regisseur Jafar Panahi hält das nicht davon ab, dennoch einen Film zu drehen. Wovon es ihn allerdings abhält, ist es, Preise entgegenzunehmen. Deshalb war es nicht Panahi selbst, sondern seine Nichte, die den Goldenen Bären für den Besten Film, der ihm an Abend verliehen worden ist, für ihn entgegennahm. Diese spielt auf eine berührend natürliche Art eine der wichtigsten Rollen in seinem neuen Film, war vor dem Galapublikum im Berlinale-Palast dann aber sprachlos. »Ich bin nicht in der Lage etwas zu sagen, ich bin zu ergriffen«, sagte die Elfjährige weinend.

Ginge es nach der iranischen Regierung, gäbe es den Film gar nicht. Panahi aber gelang es mit einfachsten Mitteln, dieses Wunderwerk nicht nur zu drehen und zu schneiden, sondern such außer Landes zu schaffen. Das Umgehen der iranischen Zensurbehörden gelang dem einfallsreichen Regisseur auch schon in der Vergangenheit (»Dies ist kein Film«, »Closed Curtain«). Jeder weitere Film, den er aus dem Iran schmuggelt, ist eine Ansage an das Mullah-Regime, dass er sich nicht unterkriegen lässt. Insofern ist die Auszeichnung der Jury auch ein politisches Signal.

Für seinen diesjährigen Wettbewerbsbeitrag hat er sich als Fahrer in ein Taxi gesetzt und eine kleine schwenkbare Kamera – eine »Alarmanlage«, wie es zu Beginn ironisch heißt – auf dem Armaturenbrett installiert. So konnte er sowohl die Begegnungen und Gespräche in seinem Taxi als auch die Geschehnisse vor der Frontscheibe einfangen.

Zu Beginn sieht man, wie das Leben im Iran eine Minute lang an der Windschutzscheibe des an einer Ampel wartenden Taxis vorüberzieht. Dann steigen ein Mann und eine Frau ein, die miteinander über die Frage zu streiten beginnen, ob angesichts der allgegenwärtigen Kriminalität nicht einfach mal ein paar Diebe gehängt werden sollten, um als abschreckende Beispiele zu dienen. Am Ende stellt sich heraus, dass der Verfechter der vorauseilenden Todesstrafe selbst ein Straßenräuber ist. Es sind Absurditäten, die Panahi hier einfängt und die seine Filme ausmachen.

Danach fährt ein kleiner, untersetzter Geschäftsmann mit Panahi mit, der illegale Filmkopien vertickt. Er macht den Regisseur kurzerhand zu seinem Geschäftspartner, weil er dann mehr Filme verkaufen könnte. Dann folgen zwei verrückte Frauen, die ihr Leben von zwei Goldfischen abhängig und den immer freundlichen Regisseur und Fahrer verrückt machen. »Taxi« ist der satirische Kommentar des iranischen Regisseurs auf die ihn umgebenden Verhältnisse.

Der Film ist aber auch eine Reflektion darüber, wie man als Künstler im Iran arbeiten und ernsthafte Kunst machen kann, wenn man sie denn zeigen möchte. Dafür holt Panahi seine Nichte nun auf die Bühne. Sie unterhält sich mit ihm über ein Schulprojekt, bei dem sie einen »zeigbaren« Film machen soll, der die strengen Vorgaben des iranischen Staats einhält. Gesellschaftliche Probleme darf ein solcher Film nicht zeigen, die islamischen Regeln muss er einhalten und Beziehungen zwischen Männern und Frauen sind auch tabu. Was an Sujets bleibt, hat nichts mit der Wahrheit zu tun, die sie umgibt, stellt Panahis Nichte enttäuscht fest. Deshalb muss man »unzeigbare Filme« wie den Panahis sehen, will man etwas über die innere Verhasstheit des Iran zu erfahren.

Am Ende liegt »eine Rose für die Filmleute« auf der Ablage des Autos, in das zwei Geheimdienstler einbrechen, um die Kamera zu entwenden. Die Speicherkarte jedoch bekommen sie nicht. Der Film bleibt erhalten, hat den Weg aus dem Land gefunden und nun den wichtigsten Preis bei den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gewonnen.

Die weiteren Preise

Der Silberne Bär Großer Preis der Jury ging an den chilenischen Film »El Club« von Pablo Larraín, in dem eine Gruppe Priester, die ihr Amt nicht ausüben dürfen, porträtiert werden.

Der Silberne Bär für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet, der sogenannte Alfred-Bauer-Preis ging an den Film »Ixcanul« aus Guatemala, der Einblicke in das Leben einer Kleinfamilie auf einer Kaffeeplantage eröffnet.

Der Silberne Bär für die Beste Regie wurde zweimal verliehen, sowohl an die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska für ihren Film »Body«, als auch an den rumänischen Regisseur Radu Jude für seinen Schwarz-Weiß-Western »Aferim«.

Auch der Silberne Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung wurde doppelt vergeben, sowohl an den norwegischen Kameramann Sturla Brandth Grøvlen für seine beeindruckende Leistung eines 140-minütigen Nonstop-Drehs in dem deutschen Beitrag »Victoria« von Sebastian Schipper als auch an die beiden Kameramänner Evgeniy Privin und Sergey Mikhalchuk für ihre Leistung in dem russischen Beitrag »Under Electric Clouds«.

Die Silbernen Bären für die Beste Darstellerin und den Besten Darsteller gingen an Charlotte Rampling und Tom Courtenay, die in dem britischen Beitrag »45 Years« ein in die Jahre gekommenes Paar spielen, das noch einmal auf die Probe gestellt wird.

Der Silberne Bär für das Beste Drehbuch ging an den chilenischen Filmemacher Patrizio Guzmán und seinen wunderbaren Dokumentarfilm »Der Perlmuttknopf«. Der Preis für den Besten Erstlingsfilm ging an den mexikanischen Film »600 Miles«, der in der Sektion Panorama gezeigt wurde.

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