Pop-Tagebuch

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Lustige und blaue Jungs im Memory-Radio

Unser Kolumnist hat einen neuen Spitzeneinfall: So finden Sie für ihr Kind einen Vornamen, den noch kein anders Kind in der Kita trägt. Man ist gut beraten, sich einfach an den Namen von Schlagersängern der 50er und 60er Jahre zu orientieren. Los geht's …

Folge 80

Wenn das Geknüppel des Geschicks es zwischendurch zulässt, kommt mir durchaus mal der ein oder andere gute Gedanke, wie man Menschen in Notsituationen hilfreich zur Seite stehen kann.

Ich möchte heute von einer Möglichkeit für junge urbane Biolimonadeneltern mit Namensfindungsstörung berichten. Man kennt das: Viele junge Eltern haben Freude daran, ihren Kindern altmodische Namen zu geben. Das ist gut und richtig und passt zu einem entschleunigungsgeilen Leben zwischen REWE-Biofleisch und Manufaktum-Rasierpinsel. Die Kinder dieser lieben Menschen heißen meistens Paul, Ludwig, Elisabeth oder Fürchtegott. Irgendwann aber, wenn das fünfte Kind anklopft, tut sich ein Problem auf: Die tollsten gestrigen Namen sind bereits an die anderen vier vergeben und in Fürchtegotts Kita gibt es schon sieben Hildes und vier Guntrams, was ja eigentlich die beiden bevorzugten Namen des Mannes gewesen wären. Gezänk, Streiterei und schwere Krisen sind die Folge. Nicht wenige Paare trennen sich in solchen Situationen. Die Folge sind lauter traumatisierte Guntrams und Elisabeths, die wegen ihrer Eltern’ Gezänk später auf dem Amt arbeiten und rechtschaffenen Langschläfern das Leben zur Hölle machen. Hier nun kommt mein Spitzeneinfall ins Spiel.

In einer solchen Krise ist man gut beraten, sich einfach an den Namen von Schlagersängern der 50er und 60er Jahre zu orientieren. Dort findet man eigentlich alles, was man braucht. Allen verzweifelten Eltern, die trotz ständiger Dauerentschleunigung und Mobilfon-Boykott keine Zeit haben, nächtelang Schlagersängernamen der 50er Jahre zu recherchieren, sei die folgende Liste empfohlen. Es war nicht schwer, sie zu erstellen; meine Kinder sind lange aus dem Haus, zwei besuchen das Henning-Wehland-Musikkonservatorium in Lettingen ob der Hopper. Einige der folgenden Namen wird der Freund scheppernder Nierentischschlager sicher kennen, andere dürften nur absoluten Connaisseuren bekannt sein. Etliche Namen sind Künstlernamen, andere echt. Einige der Genannten sind gar keine Schlagersänger im engen Sinn; manche sind gar Holländer! So oder so: Man kann mit der folgenden Liste nur gewinnen. Da brennt das innere Memory-Radio! Los geht’s …

Fred Bertelmann

Bibi Johns

Marika Rökk

Margot Eskens

Hazy Osterwald

Gitta Lind

Friedel Hensch

Liselotte Malkowsky

Rudi Schuricke

Corry Brokken

Jimmy Makulis

Fred Rauch

Heinz Woezel

Freddy Quinn

Trude Herr

Mieke Telkamp

Ernie Bieler (Frau!)

Wencke Myhre

Willy Hagara

Ach, jetzt habe ich keine rechte Lust mehr. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Orchesterleiter, Blechbläser und Unterhaltungsjazzer jener Tage noch weitaus faszinierendere Namen hatten. Es sei hier nur an Ilja Glusgal, Heinz Schachtner  oder Willy Schobben erinnert. Aber nur kurz, denn mir ist sehr wohl bewusst, dass ich Gefahr laufe, das Pop-Tagebuch (immerhin: Hochburg des unbestechlichen Avantgarde-Musikjournalismus mit permanent mitlaufendem Gender-Subtext) einer möglicherweise verstörenden Götzalsmannisiereung zu unterziehen.

Ich möchte interessierte Eltern lediglich noch darauf hinweisen, dass man natürlich immer nur den Vornamen verwenden und davon absehen sollte, sein Kind etwa Fred Bertelmann oder Corry Brokken zu nennen.

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Eine aktuelle Lieblingsplatte in diesem Haushalt ist das kürzlich erschienene Live-Album von Matthew Houck alias Phosphorescent. Eigentlich mag ich ja keine Live-Platten (ich finde es schlicht blöd, Menschen beim Klatschen zuzuhören), aber im vorliegenden Fall wird das ohnehin schon beachtliche Werk eines Musikers durch die Live-Darbietung noch mal ordentlich in höhere Regionen geschubst. Mich hat nur eins irritiert: An einer Stelle zieht Houck während einer Ansage sehr laut die Nase hoch. Ich täte mich als Künstler schwer damit, diesen Moment auf Platte gebannt zu wissen. Bei einem Livealbum von, sagen wir, G.G. Allin wäre das jetzt nicht so tragisch gewesen. In diesem weihevollen Kontext aber irritiert es mich. Ich habe mir daraufhin alle mir verfügbaren Live-Platten noch einmal durchgehört (Allman Brothers, AC/DC, Bob Seeger, The Band, Bob Dylan, Udo Jürgens): Da wird nirgendwo die Nase hochgezogen. Noch nicht einmal bei Bob Seeger. Wir können ja ein Preisausschreiben daraus machen: Vielleicht haben ja einige meiner Leserinnen noch tolle Live-Platten daheim herumstehen, auf denen Musiker die Nase hochziehen. Wer mir von einem besonders schönen Hochzieher berichten kann, gewinnt den Vornamen von Mieke Telkamp.

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Man kann seine Söhne aber auch Mannheim nennen. Alle. Dann kann man bei Vorstellungen sagen: Das sind meine Söhne Mannheim.

Entschuldigung.

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Noch toller als die Namen von Schlagersängern der 50er und 60er sind die Namen vieler Bands, die ebenfalls zu jener Zeit und in jenem Genre aktiv waren. Allen Eltern, die ihr Kind gleich nach einer ganzen Schlager-Band benennen wollen, sei also die folgende Liste ans Herz gelegt:

The El Dorados

Die Montecarlos

Die lustigen Jungs

Die Cyprys

Die singenden Gesellen

Die drei Travellers

Das Tom Dooley Trio

Die singenden Waldmusikanten

Hula Hawaiian Quartett

Geschwister Fahrnberger

Die Blauen Jungs

Für heute will ich es gut sein lassen. Bis zum nächsten Mal werde ich ermitteln, welche personellen Überschneidungen es zwischen den lustigen Jungs und den blauen Jungs gibt. Bis dahin: vermeiden Sie das Nasehochziehen – vor allem auf Liveplatten und nennen sie ihre Zwillinge Die Geschwister Fahrnberger, selbst wenn sie gar nicht miteinander verwandt sind.

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