„Fackeln im Sturm“: Die Schmonzette des Bruderkriegs

Vor 32 Jahren verklärte "Fackeln im Sturm" den amerikanischen Sezessionskrieg zur sentimentalen Seifenoper

„Er gehört meinem Vater“, sagt Orry Main, Sohn eines Plantagenbesitzers im Süden. Ein Sklave ist entflohen. „Kein Mensch kann Eigentum sein“, sagt George Hazard, Sohn eines Eisenhüttenbesitzers im Norden. Das ist der erste Dialog in „North And South“, in der deutschen Fassung blödsinnigerweise „Fackeln im Sturm“, der Großverfilmung der Romane von John Jakes. Im Jahr 1985 war diese Fernsehserie ein Triumph des Schlockfabrikanten David L. Wolper, der nach Elvis Presleys Tod dessen Leben von Elvis aus dem Off, ja Jenseits selbst erzählen und Szenen nachspielen ließ. Bei „North And South“ ließ er Szenen aus dem amerikanischen Sezessionskrieg (und die Jahre davor und danach) nachspielen. Sechs Teile 1985, sechs Teile 1986 – und drei weitere erst 1994 mit verheerenden Reaktionen.

Lincoln war ein großer Mann, aber der Süden war nicht verkehrt

Patrick Swayze, der Orry als schmalzigen Südstaaten-Sentimentalisten mit wallenden Haaren gibt, begann eine erstaunliche Karriere. George Read begann eine erstaunlich erfolglose Karriere. James Stewart, Robert Mitchum, Elizabeth Taylor, Jean Simmons und Gene Kelly beschlossen in Nebenrollen ihre großartigen Karrieren. Olivia de Havilland spielte mit, die zweite Frau in „Vom Winde verweht“ und Partnerin von Errol Flynn (nicht nur!) in so vielen Abenteuerfilmen. Johnny Cash interpretierte einen, jawohl: Rebellen, der die Schwarzen anführt.

„North And South“ ist eine Familiensaga, denn anders ist der amerikanische Bürgerkrieg nicht zu erzählen. Er ist anders zu DOKUMENTIEREN: Ken Burns‘ Dokumentarfilm „Civil War“ besteht aus neun Teilen und dauert 22 Stunden, er arbeitete fünf Jahre daran, länger, als der Sezessionskrieg währte. Wer diesen Krieg verstehen will, der muss Burns‘ Film sehen. „North And South“ sagt wie „Vom Winde verweht: Es war einmal. Das Leben ging weiter. Die Zeit war schrecklich. Die Menschen litten. Abraham Lincoln war ein großer Mann. Der Süden war nicht verkehrt. Es gab gute Sklavenhalter. Es war alles nicht so einfach.

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Orry Main (Patrick Swayze) und seine große Liebe, Madeline Eugenie Fabray (Lesley-Anne Down)

Aber es muss einfacher gemacht werden. Deshalb sind Orry und George zwei Edelmänner, die an der Militärakademie Westpoint zu Freunden wurden und sogar im Bürgerkrieg zusammenhalten. Deshalb gibt es einen üblen Schinder, der sie in Westpoint schikaniert und Orry im Mexikanischen Krieg kujoniert, weshalb der hernach am Stock humpeln muss. Deshalb gibt es David Carradine als Jake LaMotte, den Schurken schlechthin, der die ephebenhafte Lesley-Ann Down heiratet und prügelt, bis sie von Orry gerettet wird, der sie immer geliebt hat. Deshalb gibt es Kirstie Alley als Abolitionistin und Schmerzensfrau, die einen Schwarzen liebt, einen geilen alten Faun heiratet und dann aus Rache tötet. Und deshalb gibt es Terri Garber als Luder und Giftspritze Ashton, die stärkste Figur im Ensemble, deren Intrigen alles in Bewegung halten.

Scharmützel repräsentieren den Krieg

Man sieht zwei, drei entscheidende Momente, die zum Ausbruch des Krieges führten, das immerhin. Es war ja nicht die Auseinandersetzung um die Sklaverei, die zur Gründung der Konföderation führte, sondern der Protest der Südstaaten gegen die Erhebung von Schutzzöllen. Der Norden hatte Industrie, der Süden nicht. Sie dachten, sie würden Weihnachten wieder zu Hause sein. Die Union hatte mehr Geld, mehr Eisenbahnschienen, mehr Soldaten, und nachdem der Norden die ersten Schlachten verloren hatte, gewann er fast alle großen Gefechte. Sie gewannen Schlachten, aber sie konnten den Krieg nicht gewinnen. Der Süden hatte keine Chance und kämpfte umso verzweifelter. Abraham Lincoln wollte die Sklaverei nicht zum Kriegsgrund erklären und tat es dann doch: als Vorwand. Auch die Gettysburg Address nach dem Triumph auf dem Schlachtfeld beendete den Krieg nicht. Lincoln war UNPOPULÄR. Er tauschte Generäle aus, bis Ulysses S. Grant die Armee übernahm und George Sherman eine Schneise der Verwüstung durch den Süden schlug, damit die Konföderierten endlich kapitulierten (weshalb später ein Panzer nach ihm benannt wurde).

„North And South“ zeigt wenig Schlachtengetümmel, das schwer DARSTELLBAR ist – einige Scharmützel repräsentieren den Krieg hinter den Fronten, Dialoge informieren über die großen Linien, und Lazarett und Gefangenenlager zeigen, was der Krieg anrichtet. Die Krankenschwester Kirstie Alley ist die Mater dolorosa und der Racheengel, sie wird irr am Schrecken. Die Männer sind fesche Soldaten, manche bald mit pittoreskem Ruß im Gesicht, manche bald tot – die meisten aber reden in Salons, in Herrenhäusern, in Bordellen und Boudoirs. Es ist ein Stellungskrieg. Elizabeth Taylor ist die Puffmutter mit katzengoldenem Herzen. James Stewart ist ein Anwalt und demonstriert noch einmal sein berühmtes patentiertes Zaudern und zögerliches Sprechen.

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Der Bürgerkrieg fordert auch von Orry ein Opfer

„North And South“ ist die finale Schmonzette des Bürgerkriegs, ein tröstliches Bilderbuch des Heroismus und der Tragik, eine Kinderfibel, in der Fallbeispiele illustriert sind. Auch der Krieg ist im Ende eine Ableitung der Liebe, und nachdem alles zerstört ist, bauen sie alles wieder auf. Der weißhaarige Konföderierten-General Robert E. Lee reitet würdevoll zur Kapitulation vor dem hemdsärmeligen Unionsbefehlshaber Ulysses S. Grant: zwei Gentlemen in einem Holzhaus in Appomatox. Der Krieg endet mit einer großen Geste, aber die Sezession ist nicht vorbei. Orry und George sind noch immer verschiedener Meinung und bleiben Freunde, bis der eine stirbt und der andere seine Witwe heiratet. Und die Kapelle spielt „Dixie“.

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