Ferien im Ich

Das sind alles Jeff Tweedys Songs. Und so, wie er sie spielte, bei den diesjährigen Solo-Akustik-Konzerten, von denen man nun Ausschnitte in der DVD-Dokumentation „Sunken Treasure, Live in The Pacific Northwest“ sehen kann, hat er sie auch einst geschrieben. Ein Mann, eine Gitarre. Seit dem Ende von Uncle Tupelo 1994 hat Tweedy immer wieder solche Solokonzerte gespielt, um neue Songs auszuprobieren oder einfach nur, um ein bisschen Geld für die nächste Miete zu verdienen. „Für mich als Songwriter ist das sehr wichtig, denn nur so bleibe ich in Kontakt mit dem, was es braucht, damit ein Song funktioniert“, beschreibt Tweedy seine Alleingänge. „Wenn plötzlich überall der Strom ausfällt und ich mit meiner Familie in einem Planwagen über Land ziehe und nach Wasser suche, könnte es nett sein, ein paar Songs zu haben, die ich singen kann, ohne dass ich mehr brauche als eine Gitarre, meine Finger und mein Rhythmusgefühl“, scherzt er und spielt damit wohl auf das Image an, das seine Band auch nach den Elektronik- und Krautrockausflügen auf den meisterlichen letzten beiden Alben „Yankee Hotel Foxtrot“ und „A Ghost is Born“ nicht los wird: das der Alternative-Country-Band, die direkt aus der Dust Bowl auf die Bühne gefegt wurde.

Und so in etwa sieht Jeff Tweedy auf der „Sunken Treasure“-DVD auch aus: dunkle, verwaschene Klamotten, ungepflegte Gesichtsbehaarung und Mundharmonika um den Hals geschnallt. „Ich könnte auch in einem drapierten Umhang mit einer Torte auf dem Kopf am Klavier sitzen und nur mit den Ellenbogen auf die Tasten schlagen, und sie würden es immer noch Alternative Country nennen“, meint Tweedy gelassen. „Ich bin sicher von Folk und Country inspiriert, und ich mag akustische Instrumente, ich finde es gut, wenn man einen Song auch ohne Effektpedal, Verstärker, so und so viele Musiker, die und die Gitarre und dieses oder jenes Tuning hinbekommt. Deshalb muss es ja nicht unbedingt gleich ein Folk- oder Countrysong sein.“

Trotz aller Liebe zur Simplizität schätzt der Songwriter auch weiterhin die ausgefeilten Sounds seiner Band, die seine akustischen Songskizzen zu epischen Klangerkundungen weiterspinnt. Er ist schon ganz heiß darauf, nach dem Interview gleich wieder ins Studio zu gehen, wo Wilco zur Zeit ihr neues Album aufnehmen, zu 75% sei es schon fertig, sagt Tweedy. „Ich bin sehr, sehr aufgeregt. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es beschreiben soll. Wir sind sechs Typen, sitzen in einem Raum, spielen Musik, bannen sie ohne viele Overdubs auf Band und jedesmal, wenn ich es mir später noch einmal anhöre, denke ich: This is our music.“ Diese Wendung stammt von einer Ornette-Coleman-LP, die Musik stammt in diesem Fall von Wilco Joch die Songs gehören Jeff Tweedy ganz allein.

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