Filmstart der Woche: „Drei“ von Tom Tykwer

Tom Tykwer inszeniert die bildungsbürgerliche Midlife-Crisis im Arthouse-Stil als Ménage à trois, in der sich Sophie Rois, Devid Striesow und Sebastian Schipper den Fragen stellen: Wer bin ich? Und mit wem? Kritik und Trailer.

Wer bin ich? Was kommt noch? Und wie gehe ich damit um? Die Midlife Crisis ist in Filmen, Romanen und Liedern schon oft thematisiert worden. Dennoch drängt sich das Gefühl auf, dass die heutige Generation der Mittvierziger besonders ausgeprägt darüber reflektiert. Die ist aufgeklärt, belesen, ja eher zu gut informiert durch Medienberichte und Ratgeberbücher über das Wesen des Menschen. Es gibt kaum noch Geheimnisse und Tabus, die Darmspiegelung ist so selbstverständlich wie eine Psychotherapie. Kurioserweise scheint diese Offenheit nicht die Gelassenheit, sondern Zweifel und Ängste zu verstärken.

Diesen Eindruck vermittelt auch Tom Tykwers achter Film. Ohne Kinder oder gemeinsame Ziele leben der Kunstbauzeichner Simon (Sebastian Schipper) und die Kulturmoderatorin Hanna (Sophie Rois) in Berlin nach 20 Jahren mehr nebeneinander als miteinander. Sex ist längst Pflicht statt Kür, der ambitionierte Job zur Routine geworden, der regelmäßige Besuch von Theateraufführungen und Ausstellungen keine Freude mehr. Hanna wirkt in dieser Lebensphase permanent angespannt und gereizt, während Simon phlegmatisch durch den Alltag geht. Als beide unwissentlich voneinander eine Affäre mit dem selbstsicher auftretenden Stammzellenforscher Adam (Devid Striesow) beginnen, blühen sie auch in ihrer Beziehung wieder auf und heiraten sogar, bis die Ménage à trois schlagartig auffliegt.

Mit der ungewöhnlichen Liebesgeschichte ist Tykwer nach zwei internationalen Produktionen zum eigenwilligen Arthouse-Kino zurückgekehrt. Doch für seinen melodramatischen Dreiklang hat er keinen Rhythmus gefunden. Die Bilder sind unterkühlt, aber zu selten elegant inszeniert. Fragen zur Chimärenforschung, Diskussionen im Ethikrat und Fernsehbilder über den Afghanistan-Krieg bleiben symbolische Fußnoten, die willkürlich anmuten und eher – wie etwa eine Traumdeutungssequenz und Splitscreen-Spielereien über den Zufall – vom inneren Drama der Figuren ablenken.

Trotz der drei grandiosen Hauptdarsteller bleiben einem ihre Charaktere fremd. Sie erklären sich nicht selbst, man muss sich die Probleme schon denken, die Tykwer ihnen intellektuell aufbürdet. Man fühlt eher mit dem Prekariat, das in Ken Loachs Filmen um seine Existenz oder überhaupt eine Zukunft kämpft, als mit diesen Bildungsbürgern in der Sinnkrise. Zwar ist der Krebstod von Simons Mutter ein nachvollziehbarer Schock, aber sein Hodenkrebs kurz darauf schon wieder zu viel. Und der Impuls, dass er seine schwule Seite entdeckt und sie im Fußballstadion ihre Lust wiederfindet, erscheint dann doch etwas zu simpel.

Lebendig wird Tykwers Konstrukt stets, wenn er ironische Pointen einstreut oder sich einfach auf die Schauspieler verlässt. Die erste Begegnung von Simon und Adam im Schwimmbad gehört zu den ganz großen Momenten des Kinos: irritierende, physische, pure Intensität, die für eine Minute frei von jedem schlauen Gedanken ist.

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Oliver Hüttmann

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