Frank Schätzing: „Ich trage zwar oft Lederjacken, bin aber kein Nostalgiker“

Bestseller-Autor Frank Schätzing über sein Musik­projekt Taxi Galaxi, die ­Verwirklichung eines ­Jugendtraums und das Schreiben englischer Songtexte.

Ein Kellergewölbe in der Kölner Südstadt. Hier hat sich Bestseller-Autor Frank Schätzing, der mit „Der Schwarm“ und „Limit“ spektakuläre Wissenschafts-­Thriller vorlegte, ein autonomes Musiklabor gebaut – nicht zu klein, nicht zu protzig. An einer Wand im Vorraum hängt ein großes Porträt von Amy Winehouse. ­Einen Beistelltisch ziert eine laminierte Col­lage aus Zeitungsartikeln über David Bowie. Den Kaffee serviert Schätzing in einer Union-Jack-Tasse.

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Wir sprechen über sein Albumprojekt „Taxi Galaxi“, das reif ist für die Öffentlichkeit. Die ursprüng­lichen Mixes der elf Songs (plus vier Bonus-­Tracks) erschienen ihm zu vollgepackt: Es fehlte da noch eine gewisse Luftigkeit, sagt er. „Ballast abwerfen“ lautete die Devise. Ein Werkstatt­gespräch über das Popmusik-Debüt eines weltweit erfolgreichen Romanautors, der auch ein passionierter Musiker und Pop-Connaisseur ist.

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Sie hatten als Teenager und Twen ­einige Bandprojekte, die von Werbung, Krimis und internationalen Bestsellern vier Jahrzehnte überlagert wurden. Warum kommt gerade 2019 Ihr Einstieg ins Musikgeschäft?

Ich will nicht in der Kiste landen, ohne es einmal ernsthaft ausprobiert zu haben. Mit Mitte 20 musste ich mich von Plan A verabschieden, Rockstar zu werden; Plan B hieß: von irgendetwas leben. Ich versuchte es mit Schreiben, und das lief bekanntlich besser. Musik habe ich weiterhin gemacht – bloß ohne Ambition auf die Rock and Rock Hall of Fame. Eher zur Privatbespaßung.

Oder halb öffentlich, wie Ihr Duettvortrag mit kölnischen Krätzchen, ­einer Art Folklore-Rap, auf der Hochzeitsfeier Ihres ehemaligen Verlegers von Kiepen­heuer & Witsch.

So etwas liebe ich! Da schlagen meine kölschen Gene durch. Ansonsten schrieb ich Werbejingles, Soundtracks für Hörspiele und Filme und absolvierte eine Gesangs­ausbildung. Im Inneren war mir wohl klar, da kommt noch was.

Wo setzen Sie jetzt nach all den Jahren den eigentlichen Urknall Ihres ­Albums an?

ICE, Lesereise 2004. 150 Auftritte und Bühnen verschwammen zu einem Nebel, bis ich alpträumte, die ganze Tour sei eine Illusion. Quasi „Hotel California“ auf Schienen. Im Speisewagen schrieb ich „Trains“. Die übrigen Songs entstanden bei der Arbeit am Roman „Breaking News“. Damals gab es schon das Tonstudio, sodass ich einfach runtergehen und Skizzen einspielen konnte.

Gab es ein Konzept?

Nein, alles lief intuitiv. Mein bester Freund ist Drummer. Wir trafen uns und sangen auf Räuber-Englisch drauflos. Arrangements, Texte kamen später peu à peu dazu. Ich wollte einfach ­anfangen.

Waren Sound oder Richtung vorher klar? Manche hätten von Ihnen ein Antik­lederjacken-Album erwartet.

(Lacht) Ich trage zwar oft Lederjacken, bin aber kein Nostalgiker. Suzi Quatro fand ich sexy, Glamrock aufregend, geprägt haben mich Strawinski, Steve Reich, Bowie und Eno. Heute interessiert mich weniger, was war, als das, was ist: Billie Eilish, Thom Yorke, The Comet Is Coming. Überschreitet jemand Genre­grenzen, werde ich hellhörig, denn so arbeite ich auch. Auf Taxi Galaxi passt kein Türschild.

Ihr Gesang erinnert eher an Bryan Ferry als an Klaus Meine von den Scorpions. Geradezu camp, keinesfalls ­Macho.

Absolut. Ich bin Bariton, im Rock eher seltener. Ich käme gar nicht in die Kreischzone. Und die Machozone war immer schon zu eng.

Warum englische Texte?

Ich mag die Sprache. Außerdem höre ich Gesang vor allem als Instrument. Die Stimme muss sich einfügen. Deutsch ist für meine Musik zu sperrig.

Schätzing auf Deutsch wäre kommerziell sicherlich der größere Aufschlag, oder?

Ohne Zweifel. Und schon hätten wir den singenden Schriftsteller. Ich wollte Autor und Musiker strikt auseinanderhalten. Die haben wenig gemein: Dem einen fällt das Schreiben leicht, der andere ringt um Worte, weil er der Welt außer Musik nichts mitzuteilen hat.

Paddy McAloon von Prefab Sprout und Lana Del Rey erzählen, dass sie auf schmissige ­Slogans oder Headlines aufbauen. ­Eine Technik, die Ihnen als ehemaligem Werber vermutlich leichter von der Hand geht.

Oneliner fliegen mir zu, stimmt. Oft denke ich dann: Wäre schön, wenn du jetzt nur diesen einen Satz singen dürftest – bloß sind da noch vier Strophen. Also tupfe ich in loser Folge Worte in den Song und lasse mich überraschen. Ich weiß vorher nie, worum es hinterher geht.

Ihr Projektname Taxi Galaxi klingt nach Progrock und Krautrock aus der 70er-Jahre-Ära von Guru Guru oder Grobschnitt.

Jetzt, wo Sie’s sagen … Etwas Sponti! ­Lustig, ich hatte ein schnelles Vehikel im Sinn, das zwischen den Stilen umherschießt. Mit tollen Musikern an Bord. Ganz junge wirken mit und auch Legenden wie Mike Garson (Pianist von David Bowie) und Tony Levin – ein bisschen „Guardians Of The Galaxy“.

Was folgt? Eine Welttour?

Erst einmal nicht. (Lacht) Zwei, drei Auf­tritte fürs Erste, und dann in aller ­Ruhe ­sehen, was sich draus entwickelt.

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