EM-Blog

Glaube, Liebe, Hoffnung (1): Warum sind nur so wenige Dortmunder im DFB-Team?

Magische Zeiten, der Puls steigt: Am Freitag geht's los mit der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. ROLLING-STONE-Autor Rüdiger Suchsland begleitet für uns mit seinem Blog „Glaube, Liebe, Hoffnung“ das Turnier.

„Ist Reus noch drauf?“ fragte der Zeitungsverkäufer. Gerade hatte ich das obligatorische „Kicker Sonderheft“ zur Fußball EM erstanden. Nein, Reus ist nicht mehr drauf auf der roten Schlabberbibel für alle Fußballfans. Auch wer den „Kicker“ allzu old school findet neben all den neuen hippen Fußballpublikationen – am Ende läuft alles doch wieder auf die alte Weisheit hinaus: „Tore erzielen, Tore verhindern, mit allen Möglichkeiten, die man gerade hat.“ (Volker Finke). Der Kicker hat in jedem Fall die Statistik.

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Nochmal zu Reus. So schnell kann’s gehen. Tut mir leid für ihn, auch wenn Reus immer ein wenig nicht nur verletztes, sonder auch überschätztes Genie ist. Denn auf ein großartiges Spiel beim BVB folgen vier bei denen er unter seinen Möglichkeiten bleibt.
Etwas überraschend ist allerdings die Begründung, die der Bundes-Jogi zur Nicht-Nominierung des Dortmunder Spielers gab: Reus könne nur noch „geradeaus laufen“ hieß es. Ja und? Was soll er denn sonst tun? Etwa rückwärts laufen? Oder stehenbleiben? Und ganz ehrlich: Hat Mario Gomez je etwas anderes gekonnt, als geradeaus zu laufen, und wie eine Tip-Kick-Figur sein Bein hinzuhalten? Nun gut, lassen wir das, zum Gomez-Bashing wird es in den nächsten Wochen noch Gelegenheit genug geben.
Aber ganz ehrlich: Ich bin sicher, wenn Reus beim FC Bayern spielen würde, hätte man ihn dabehalten, weil er „wichtig für die Mannschaft ist“, so wie Klassenclown Podolski oder Klassensprecher Schweinsteiger.

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Mehr und mehr hat sich auch Jogi Löw am FC Bayern orientiert. Jetzt kann man sagen: Damit ist er ja auch Weltmeister geworden. Stimmt. Trotzdem hat eine Deutsche Nationalmannschaft nie so glanzvollen Fußball gespielt, wie 2010, als die Bayern-Dominanz einmal gebrochen war.

Und nach einer solchen Saison, wie sie Borussia Dortmund gespielt hat, mit einer Punktezahl, die den BVB in 16 der letzten 20 Jahre zum Meister gemacht hätte, bleibt unverständich, warum nicht mehr Dortmunder dabei sind. Was ist mit Bender? Durm? Ginter? Was ist vor allem mit Schmelzer? Warum die zuhause bleiben, wenn ein Schürrle und Podolski mitfahren, ist komplett unverständlich. Und auch Gonzalo Castro wäre eine Option fürs Mittelfeld.

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Als sich jetzt auch noch Rüdiger verletzte, und Jonathan „wer?“ Tah nachnominiert wurde, hab ich mich gefragt, wie viele eigentlich noch ausfallen müssten, bevor Schmelzer nachnominiert würde? Wie mit ihm umgegangen wird, ist nicht fair. Kevin Großkreutz, Publikumsliebling von Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart, war als „WM-Tourist“ Weltmeister geworden. Auf Twitter verkündet er jetzt, er, Großkreutz, habe Löw abgesagt. Das DFB-Team müsse „auch mal ohne mich Titel holen“.
Mal abwarten, ob Deutschland nicht diesmal an Löws Bräsigkeit und an der eigenen Routine erstickt. Was einst Jugendbewegung war, ist längst ein Nostalgieclub: Sechs deutsche Stammspieler waren das schon 2010, Lukas Podolski nicht mitgerechnet. Das DFB-Team brutzelt im eigenen Saft.

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Andererseits nerven auch Fragen wie „Hilft Bastian Schweinsteiger der deutschen Nationalmannschaft immer noch weiter?“ Klar tut er das, wenn er fit ist. Welcher Spieler wäre ansonsten noch ein ähnliches Energiebündel? Brummkreisel Müller vielleicht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Schweinsteiger angeschlagen in ein Turnier geht. Bei der WM 2014 kam er erst als Auswechselspieler rein, bald war er wieder Stammkraft und am Ende Finalheld. Das Gesicht des Titels.

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Der Countdown läuft, der Puls steigt. Jetzt geht’s los! Wieder los! Noch ein guter Tag bis zum Anstoß am Freitagabend. Dann hat unser Leben endlich wieder eine feste Struktur.

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